Immigranten in den USA "Ein Muster verbaler und physischer Gewalt"
Washington - Auf den 198 Seiten starken Bericht des Justizministeriums hatten Menschenrechtsorganisationen in den USA schon lange gewartet. Sie vermuteten nach den massiven Erweiterungen der Rechte der Strafverfolgungsbehörden nach dem 11. September, dass Polizei, die Bundespolizei FBI und die Geheimdienste gegen die Menscherechte verstoßen und Hunderte von Terror-Verdächtigen durch ihre Methoden physisch oder psychisch zu möglichen Aussagen bringen könnten.
Der Bericht fußt auf rund 100 Interviews mit Gefangenen meist arabischer und südasiatischer Herkunft und ihren Wärtern in zwei Gefängnissen in New York und New Jersey. Er bestätigt die drastischen Vermutungen der Menschenrechtler. Wörtlich sprechen die Autoren unter der Leitung von Inspekteur Glenn A. Fine von "einem Muster von verbaler und physischer Gewalt", dass gegen die Ausländer unter Terror-Verdacht angewendet wurde, berichtete die "Washington Post" am Dienstag.
Kein Kontakt zu Angehörigen oder Anwälten
Beispiele aus dem Bericht beschreiben die fragwürdige Praxis der Behörden. In einem Gefängnis in Brooklyn haben die Inspekteure Hinweise gefunden, dass mehrere Menschen bei Rundgängen oder Verlegungen von den Wärtern gegen Wände geschleudert wurden. Sie halten die Aussagen laut der "Washington Post" für "glaubhaft". In einem anderen Fall seien Gefangene tagelang in dauerhaft beleuchteten Einzelzellen festgehalten worden. In fast allen Fällen verweigerten die Behörden den meist wegen Visa-Verstößen oder fehlender Arbeitserlaubnisse festgenommenen Menschen Kontakt zu ihren Angehörigen oder einem Anwalt.
Besonders bedenklich stimmt, dass die Leitung des betroffenen Gefängnisses im New Yorker Stadtteil Brooklyn im Nachhinein Hunderte von Videokassetten mit Aufnahmen aus den Räumlichkeiten vernichten ließ, welche die Vorwürfe be- oder auch widerlegen könnten. Der Leiter der Untersuchung sagte in einem Interview mit der "Post", dass dies jedoch einer generellen Praxis in dem Gefängnis entspreche, die in regelmäßigen Abständen Raum für neue Aufnahmen schaffe. In keinem Fall wollte er Hinweise dafür sehen, die Aufnahmen seien vernichtet worden, um etwas zu vertuschen.
Vor allem aber kritisieren die Inspekteure, dass die Verdächtigen noch festgehalten wurden, wenn der Verdacht gegen sie bereits ausgeräumt gewesen sei. Meist dauerte dies laut dem Bericht rund 80 Tage, die die nicht mehr verdächtigten Ausländer unter harten Bedingungen und ohne Anklage einsaßen. Mindestens 23 Stunden am Tag waren sie eingeschlossen und wurden danach mit vier Wärtern, Handfesseln und einer Kette um die Füße aus den Zellen geführt, so der Bericht. Die Inspekteure erwähnen jedoch auch, dass diese Praxis nur für einen kleineren Teil der sogenannten "interessanten" Personen galt. Viele andere wurden wie normale Strafgefangene behandelt.
Maßnahmen allesamt gerichtlich gedeckt
In ihren Ausführungen räumen die Inspekteure die Schwierigkeiten der Behörden bei ihrer Aufgabe durchaus ein. Innerhalb von kurzer Zeit sollten sie nach dem 11. September jede noch so kleine Möglichkeit ausschließen, dass noch andere Selbstmordattentäter in den USA sind und neue Anschläge planen. Aus diesem Grund nahmen die Terror-Fahnder freilich vor allem diejenigen unter die Lupe, die in das Raster der bekannten Attentäter vom 11. September passten und nahmen jeden Einwanderer aus einem muslimischen Land fest, bei dem sie eine noch so kleine Unregelmäßigkeit in den Papieren fanden. Trotzdem stellt der Bericht deutlich dar, dass "signifikante Probleme" bei der Behandlung der Verdächtigen beobachtet wurden.
Die Behörden selber wehren sich gegen die Vorwürfe oder ignorieren sie. Eine Sprecherin des Justizministeriums sagte, die Behörden würden keine Entschuldigungen brauchen für "jeden legalen Weg, der es möglich macht, die amerikanische Öffentlichkeit von weiteren Terror-Attacken zu schützen." Alle erwähnten Maßnahmen seien voll durch Gerichtsentscheide gedeckt, so die Sprecherin laut "Washington Post". Ein nicht namentlich genannter Strafverfolger sagte dem Blatt, dass unter den Verdächtigen "sehr gefährliche und bekanntlich eng mit den Terroristen verbandelte Personen" gewesen seien. Einer ein Zimmergenosse eines Terroristen gewesen, ein anderer habe in Afghanistan in Terror-Camps trainiert.