Importe aus dem Westjordanland EU straft Israel ab

Israelische Siedlung Maale Adumim: Juristischer Streit um Sprudelgeräte
Foto: Paula Bronstein/ Getty ImagesJerusalem - Vordergründig geht es um die vergleichsweise geringe Summe von 19.155 Euro und 46 Cent, die die Firma Brita vom Hamburger Zoll zurückfordert. Im Kern aber dreht sich das entsprechende Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Frage von höchster politischer Brisanz: Sind die israelischen Siedlungen im palästinensischen Westjordanland illegal oder nicht?
Obwohl das Urteil noch aussteht, zeichnet sich mit dem am Donnerstag vorgelegten Schlussantrag von Generalanwalt Yves Bot eine Niederlage der Firma Brita ab. Denn meistens folgen die Luxemburger Richter dem Antrag des Generalanwalts. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden dann auch die Hamburger Finanzrichter die Argumentation aus Luxemburg übernehmen.
Hintergrund des Streits: Brita, bekannt für Wasserfilter, importierte 2002 Sprudelgeräte von der israelischen Firma Sodaclub. Die Produkte werden in der Siedlung Maale Adumim hergestellt, die östlich von Jerusalem im palästinensischen Westjordanland liegt. Brita hatte sie als "Made in Israel" deklariert und dafür Zollfreiheit beantragt.
Das Hauptzollamt Hamburg-Hafen fragte bei den israelischen Kollegen nach, wo genau die Waren hergestellt worden seien. Sie kämen aus einem Gebiet "unter israelischer Zollverwaltung", lautete die Antwort. Ob die Waren in israelischen Siedlungen hergestellt worden seien, hakten die Hamburger nach. Als eine Antwort ausblieb, entschieden die Deutschen, für die Ware Zoll zu erheben.
Dagegen klagte die Brita GmbH vor dem Finanzgericht Hamburg. Die Hanseaten baten, da es sich um Europarecht handelt, den Europäischen Gerichtshof (EUGH) um eine so genannte Vorabentscheidung. Und die fiel zu Ungunsten des Unternehmens aus.
Frage nach "Made in Israel"
Die Brita-Anwälte hatten kritisiert, die Hamburger Zöllner hätten den Angaben der Israelis folgen müssen, wonach die Geräte "Made in Israel" seien. Bot hielt dagegen, im konkreten Fall sei "der Ursprung der eingeführten Erzeugnisse bekannt und unstreitig". Daher seien die deutschen Zollbehörden an das Ergebnis der von den israelischen Zollbehörden nachträglich durchgeführten Prüfung "nicht gebunden".
Bot verwarf auch die krude Argumentation der Brita-Anwälte, die Produkte seien auf jeden Fall vom Zoll befreit, da die EU auch mit der Palästinensischen Autonomiebehörde ein Zollfreiheitsabkommen abgeschlossen habe. Dieses Abkommen sei aber nicht für israelische Siedler bestimmt, sondern für die Palästinenser, hieß es nun. Nach dem Abkommen mit Israel gewähre die EU grundsätzlich keine Zollfreiheit für ein Erzeugnis, "das seinen Ursprung im Westjordanland oder in den besetzten Gebieten hat".
Die EU-Kommission will ein Exempel statuieren
Wenn die europäischen Richter, wie meistens in der Vergangenheit, der Linie des Generalanwalts folgen, hätte dies eine Präzedenzwirkung für andere israelische Produkte, darunter so bekannte wie die Weine von den besetzten syrischen Golanhöhen und den "Ahava"-Kosmetika vom Toten Meer.
Die EU ist Israels zweitgrößter Absatzmarkt hinter den USA. 2008 exportierten israelische Firmen Waren im Wert von zwölf Milliarden Euro nach Europa. Schätzungsweise ein Drittel davon werden ganz oder teilweise in den besetzten Gebieten hergestellt. Nach wie vor gelangen die meisten davon offenbar zollfrei nach Europa. Ein israelischer Entschädigungsfonds für zollpflichtige Exporte aus Siedlungen wurde voriges Jahr jedenfalls kaum in Anspruch genommen.
Die EU-Kommission dürfte sich über die Argumente des Generalanwalts freuen. Sie wollte ein Exempel statuieren und hatte die Mitgliedstaaten in dem Verfahren intern um "Unterstützung" gebeten. Während die US-Regierung bislang nur rhetorisch Druck auf die israelische Siedlungspolitik ausübt, traut sich die EU damit bereits einen Schritt weiter - und setzt auf Sanktionen.