Proteste gegen die Armee Ägypten fürchtet den Marsch der Millionen

Die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mursi in Ägypten lassen sich nicht einschüchtern: Sie rufen zu weiteren Großdemos auf - obwohl die Armee mit "harten Maßnahmen" droht. Beobachter befürchten neues Blutvergießen.
Barrikaden in Kairo: Muslimbrüder kündigen neue Proteste an

Barrikaden in Kairo: Muslimbrüder kündigen neue Proteste an

Foto: AP/dpa

Kairo - Ägypten bereitet sich auf eine neue Protestwelle vor: Die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi haben eine Großkundgebung am Dienstag angekündigt. "Wir rufen zu einem Marsch der Millionen unter dem Banner der Märtyrer des Putsches auf", hieß es in einer Mitteilung der islamistischen Muslimbruderschaft.

Die Ankündigung nährt die Befürchtungen vor blutigen Zusammenstößen mit der Armee. Allein am vergangenen Samstag waren bei Protesten mindestens 72 Menschen gestorben. Am 8. Juli - fünf Tage nach der Machtübernahme des Militärs - hatten Sicherheitskräfte mehr als 53 Mursi-Anhänger erschossen. Der getöteten "Märtyrer" und dem in einem Geheimgefängnis inhaftierten Ex-Präsidenten wolle man mit dem Protestmarsch am Dienstag gedenken, hieß es nun in der Botschaft der Muslimbrüder.

Schon am Montagabend sollen die ersten Demonstrationen vor Gebäuden der Sicherheitskräfte stattfinden. Zuvor hatte die ägyptische Armee aus Hubschraubern Flugblätter abwerfen lassen - und die Muslimbrüder darin explizit aufgefordert, sich von Militäreinrichtungen und Soldaten fernzuhalten.

"Das Maß der Eskalation ist erschreckend"

International hat die Gewalteskalation Bestürzung ausgelöst: "Ich hätte die Armee nicht für so dumm gehalten, Demonstranten zu attackieren und einen neuen Konflikt zu provozieren. Das Maß der Eskalation ist erschreckend", sagte der Grünen-Fraktionschef im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, zu SPIEGEL ONLINE. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), sprach von einer "Entscheidungsschlacht zwischen zwei Staatsvorstellungen, die nicht zusammenpassen". Der jüngste Gewaltausbruch sei "eine Katastrophe für die ganze Region" und lasse einen Bürgerkrieg befürchten.

Ägyptens Nationaler Verteidigungsrat hatte den Anhängern Mursis schon am Sonntag mit "entschiedenen und harten Maßnahmen" gedroht, falls die Demonstranten ihr "Recht auf friedliche und verantwortungsvolle Meinungsäußerung überschreiten" sollten. Dem Gremium sitzt Übergangspräsident Adli Mansur vor, auch Armeechef Abd al-Fattah al-Sisi gehört ihm an.

Übergangspräsident Mansur übertrug am Sonntagabend seinem Regierungschef Hasim al-Beblawi per Dekret die Befugnis, dem Militär die Verhaftung von Zivilisten zu erlauben. Praktisch bedeutet dies, dass Beblawi dem Militär in künftigen Krisensituationen freie Hand geben kann, neben oder anstelle der Polizei Demonstranten oder Ruhestörer zu verhaften. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch konstatierte "eine schockierende Bereitschaft auf Seiten der Polizei und mancher Politiker, die Gewalt gegen Mursis Anhänger zu verschärfen".

EU-Außenbeauftragte Ashton in Kairo

Internationale Diplomaten bemühen sich angesichts der verhärteten Fronten um eine politische Lösung. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ist in Kairo eingetroffen, um in Gesprächen mit Regierungs- und Oppositionsvertretern Kompromissspielräume auszuloten. Es müsse einen "vollständig integrativen Übergangsprozess geben, der alle politischen Gruppen inklusive der Muslimbruderschaft einbezieht", erklärte Ashton am Sonntag vor ihrem Abflug nach Kairo. Der Prozess müsse "so schnell wie möglich" zu freien Wahlen führen.

Ashton traf am Montagmorgen zunächst den ägyptischen Außenminister Nabil Fahmi, weitere Gespräche mit Übergangspräsident Mansur, dessen Stellvertreter Mohamed ElBaradei sowie Vertretern der Muslimbrüder waren geplant. Fahmi betonte nach dem Treffen, wie wichtig ihm "Versöhnung und die Einbeziehung aller politischen Kräfte" in Ägypten seien.

usp/AFP/dpa
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