Druck auf den "Guardian" Cameron soll Schikanen angeordnet haben

Druck auf den "Guardian": Cameron soll Schikanen angeordnet haben
Foto: Dan Kitwood/ Getty ImagesBerlin, London - Die Affäre rund um die Schikanen gegen den "Guardian" erreicht Großbritanniens Premierminister David Cameron. Er soll persönlich veranlasst haben, Druck auf die Redaktion auszuüben, berichtet der "Independent". Auf diese Weise sollten weitere Enthüllungen über die Aktivitäten von Geheimdiensten in den USA und Großbritannien verhindert werden, schreibt die Zeitung unter Berufung auf hochrangige Regierungsquellen.
Nach Informationen des "Independent" hatte Premierminister Cameron den Leiter seines Cabinet Office, Jeremy Heywood, beauftragt, den "Guardian" zu kontaktieren. Regierungskreise bestätigten der Zeitung den Kontakt. Es habe sich jedoch nicht um eine Drohung gehandelt.
"Guardian"-Chefredakteur Alan Rusbridger sieht das etwas anders. "Es war eine beispiellose Begegnung in der langen und schwierigen Beziehung von Presse und Geheimdiensten", so beschreibt er, was sich im Juli an einem heißen Samstagmorgen im Keller des Redaktionsbüros zugetragen hat.
Rusbridger und seine Zeitung berichten jetzt detailliert über die Schikanen der britischen Regierung , denen sie in der Ausspähaffäre ausgesetzt waren. Demnach überwachten zwei Geheimdienstler an jenem Samstag, wie zwei "Guardian"-Mitarbeiter die Festplatten und Speichersticks mit dem brisanten Material von Edward Snowden auch wirklich zerstörten. Während die Zeitungsleute mit Bohrern und Schleifmaschinen zu Werke gegangen seien, hätten die Agenten Fotos gemacht.
FDP-Politiker Löning: "Da ist die rote Linie überschritten worden"
Auch aus der Bundesregierung ist scharfe Kritik zu hören am harschen Vorgehen der britischen Behörden gegen den "Guardian". Die von Rusbridger geschilderten Vorgänge hätten ihn erschüttert, sagte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), der "Berliner Zeitung". "Da ist die rote Linie überschritten worden." Er mache sich Sorgen um den Zustand der Presse- und Meinungsfreiheit in Großbritannien.
Auch die Art und Weise, wie die Behörden den Lebenspartner des Enthüllungsjournalisten Glenn Greenwald festgehalten haben, hält Löning für nicht akzeptabel. "Dies ist geschehen auf Grundlage eines Anti-Terror-Gesetzes. Eine Verbindung kann ich aber nicht erkennen."
Auch das Weiße Haus hat sich von den Schikanen distanziert. Auf die Frage, ob Regierungsmitarbeiter in ein Medienunternehmen gehen würden, um dort Festplatten zu zerstören, antwortete der Sprecher, Josh Earnest: "Es ist sehr schwer, sich ein Szenario vorzustellen, in dem das angemessen wäre".
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", er halte wegen der Vorgänge ein Eingreifen der Europäischen Union für möglich. Falls die Briten keine Konsequenzen aus den Vorfällen zögen, müsse sich die EU-Kommission und das EU-Parlament damit befassen.
"Die Regierung setzt alle Regeln außer Kraft"
Als "sehr ungewöhnlich" bezeichnet "Guardian"-Chef Rusbridger den Vorgang - und als symbolischen Akt. Denn: "Beide Seiten wussten sehr genau, dass es weitere Kopien außerhalb des Vereinigten Königreiches gibt und unsere Berichterstattung weitergehen wird." Er habe der Zerstörung des Materials zugestimmt, um eine rechtliche Auseinandersetzung oder gar eine Hausdurchsuchung zu verhindern. Zudem wolle er nicht dabei mithelfen, den Behörden Material zu liefern, das Snowden hinter Gitter bringen könnte.
"Ich wollte nicht in diese Position kommen", so Rusbridger. Lieber habe er die Daten zerstört, als sie zurückzugeben oder den Gerichten Material zu liefern, durch das sie versuchen könnten, die Berichterstattung zu stoppen.
Er kritisierte außerdem erneut, dass die britischen Behörden neun Stunden lang David Miranda festgehalten hatten, den Partner Greenwalds. Offiziell hatte Scotland Yard den Zugriff mit einem Anti-Terrorismus-Gesetz gerechtfertigt. "Dadurch, dass sie es Terror nennen, setzen sie alle Regeln außer Kraft", so Rusbridger.