Todesstrafe für Terroristen Indien richtet Attentäter von Mumbai hin

Indien hat den einzigen überlebenden Täter der Anschläge von Mumbai exekutiert. Ajmal Kasab starb am Morgen am Galgen im Gefängnis von Pune. Indiens neuer Staatspräsident hatte ein Gnadengesuch abgelehnt.
Terrorist Kasab: Hinrichtungstermin wurde streng geheim gehalten

Terrorist Kasab: Hinrichtungstermin wurde streng geheim gehalten

Foto: AP/ Mumbai Mirror

Am Morgen trat der Staatsanwalt Ujjwal Nikam vor die Presse und sagte die Worte, die viele Menschen in Indien lange erwartet hatten: "Ja, Kasab wurde heute Morgen um 7.30 Uhr im Yerawada-Zentralgefängnis (in Pune) gehängt." Nikam ist der Kläger in dem Mammutprozess um die Terroranschläge auf die Metropole Mumbai im November 2008. Mehrere Politiker, darunter Innenminister Sushil Kumar Shinde, bestätigten die Vollstreckung des Todesurteils im Morgengrauen.

Mohammed Ajmal Amir Kasab, 25, geboren in einem Dorf im pakistanischen Punjab, war weltweit bekannt geworden durch das Foto, das ihn in dem Bahnhof Chhatrapati Shivaji Terminus zeigt: ein junger Mann in Cargohosen, ein Rucksack auf dem Rücken, ein Gewehr in der Hand. Er schoss in die Menge und tötete wahllos Menschen.

Kasab ist der einzige Überlebende von den zehn pakistanischen Terroristen, die in der Nacht auf den 26. November 2008 per Boot an der Küste von Mumbai angelandet waren und die Stadt anschließend drei Tage lang mit Terror überzogen hatten. Die Männer, Mitglieder der Terrororganisation Lashkar-i-Toiba, töteten insgesamt 166 Menschen, indem sie verstreut durch Mumbai zogen und in zwei Luxushotels, einem Café, einem Krankenhaus, einem Bahnhof und einem jüdischen Zentrum auf Menschen schossen.

Neuer Präsident lehnte Gnadengesuch ab

Bei Gefechten mit indischen Sicherheitskräften wurden neun der zehn Attentäter getötet. Kasab war der einzige, der überlebte und verhaftet wurde. Seither verbrachte er sein Leben in einem Hochsicherheitsgefängnis in Mumbai. Am Montag wurde er nun wegen der geplanten Hinrichtung in das 160 Kilometer entfernte Pune verlegt. Fünf Tage vor dem vierten Jahrestag der Anschläge starb Kasab am Galgen.

Zuvor waren mehrere Gnadengesuche des Terroristen abgelehnt worden. Kasab hatte argumentiert, keinen angemessenen Rechtsbeistand gehabt und keinen fairen Prozess bekommen zu haben. Er war im Mai 2010 von einem Sondergericht zum Tode verurteilt worden - ein Urteil, das der Oberste Gerichtshof von Mumbai im Februar dieses Jahres bestätigte. Anfang dieses Monats lehnte auch der neue indische Präsident Pranab Mukherjee ein Gnadengesuch ab.

"Sowohl der Präsident als auch ich haben das Todesurteil bestätigt", sagte Innenminister Shinde. Daraufhin sei der 21. November als Hinrichtungstermin festgelegt worden. Das Datum war streng geheim gehalten worden, die Öffentlichkeit wurde erst nach der Vollstreckung informiert.

Man habe Pakistan über die Hinrichtung per Brief informieren wollen, sagte Shinde. Doch die Regierung in Islamabad habe die Entgegennahme des Schreibens durch die indische Botschaft abgelehnt. Deshalb habe man die Nachricht von der Hinrichtung per Fax geschickt. Mit der Hinrichtung Kasabs komme der juristische Prozess um die Terroranschläge von Mumbai zu einem Abschluss, sagte der Innenminister weiter.

Hinrichtung Kasabs von Mehrheit gefordert

Es ist die erste Hinrichtung in Indien seit 2004, als ein Mörder und Vergewaltiger am Galgen sterben musste. Indien vollstreckt Todesurteile nur sehr selten. Für Diskussionen sorgte jedoch, dass Präsidentin Pratibha Patil im Sommer, kurz vor Ende ihrer fünfjährigen Amtszeit, 35 Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt hatte.

Der Tod von Kasab wurde von einer Mehrheit der indischen Bevölkerung gefordert, und so war von vornherein erwartet worden, dass er nicht begnadigt werden würde. Zu sehr wurden die Terrorangriffe auf Mumbai als Angriff auf das ganze Land, als Demütigung Indiens durch islamistische Terroristen aufgefasst, zumal die Täter ihre Wurzeln in Pakistan hatten. Politiker aller Parteien äußeren sich am Mittwoch zustimmend zur Hinrichtung Kasabs.

R. R. Patil, Innenminister des Unionsstaats Maharashtra, dessen Hauptstadt Mumbai ist, sagte, von der Anklage über die Verurteilung bis zur Hinrichtung seien alle Gesetze eingehalten worden. "Das ist eine wahre Ehrerweisung an die unschuldigen Opfer, einschließlich Polizisten und Sicherheitskräfte, die ihr Leben ließen", sagte er über die Hinrichtung.

Indien hatte Friedensgespräche mit dem verfeindeten Nachbarn nach den Anschlägen abgebrochen und der Regierung von Pakistan vorgeworfen, hinter dem Terror zu stecken. Pakistan wies dies zurück und bestritt anfangs auch, dass die Terroristen aus Pakistan stammten. In den Vernehmungen stellte sich heraus, dass die zehn jungen Männer zu Lashkar-i-Toiba gehörten, einer Terrororganisation, deren eigentliches Ziel die gewaltsame Befreiung des indischen Teils von Kaschmir ist.

Indien und auch die USA verlangen seit langem eine Festnahme und Verurteilung des Lashkar-i-Toiba-Gründers Hafiz Saeed, der in Pakistan lebt und dort in Talkshows auftritt. Nachdem die USA im April ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen Dollar auf ihn aussetzten, gab er Pressekonferenzen und verhöhnte Washington dafür. Islamabad zögert mit einem harten Vorgehen gegen Lashkar-i-Toiba, weil dies die einzige Dschihadisten-Organisation ist, die noch nicht gegen den pakistanischen Staat kämpft. Viele andere Gruppen haben sich den pakistanischen Taliban angeschlossen und greifen Polizisten und Soldaten an, weil Pakistan Anti-Terror-Partner der USA ist.

Kasab wurde noch am Morgen auf dem Friedhof des Gefängnisses in Pune begraben.

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