Internationale Pressestimmen Nur der Anfang einer Schachpartie

Die russische Tageszeitung "Kommersant" (Moskau) kommentiert die Anhörung des jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic vor dem Uno-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag:

"Ungeachtet des tonnenschweren Belastungsmaterials gegen Herrn Milosevic wird es der Chefanklägerin Carla Del Ponte nicht leicht fallen, ihm eine persönliche Verantwortung für den Völkermord und die Kriegsverbrechen im Kosovo nachzuweisen. Den Angeklagten einfach laufen zu lassen, kann sich die Chefanklägerin nicht leisten. Nicht nur der Ruf des Tribunals steht auf dem Spiel. Es geht auch um die Reputation des gesamten Westens, der lange genug darum gekämpft hat, dass der nach seiner Ansicht Hauptschuldige für die Tragödie auf dem Balkan endlich auf der Anklagebank sitzt."

"El Mundo" (Madrid):

"Als Milosevic vor dem Gericht aussagte, dass die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen falsch seien und das Tribunal illegal sei, log er und hatte zugleich Recht. Er log insofern, als die Vorwürfe durch die Folgen seiner brutalen Politik mehr als gedeckt sind. Aber es stimmt, dass es in Den Haag nur eine Teil-Gerechtigkeit gibt und dass dem Tribunal die rechtliche Grundlage fehlt.

Das Problem hätte vielleicht vermieden werden können, wenn das Gericht in Den Haag von Anfang an neutral ermittelt hätte. Aber es stand häufig auf der Seite der Westmächte und der Verbündeten vor Ort. Dazu zählte unter anderem der kroatische Ex-Präsident Franjo Tudjman, dessen Rolle bei der Unterdrückung der Serben in der Krajina nie untersucht wurde."

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Die Anhörung war wahrscheinlich nur der Anfang einer Schachpartie, wie sie Milosevic mit seinen Gesprächspartnern spielte, als er noch an der Macht war. ... So hat er sich darauf beschränkt, nur den Bauern zu bewegen. In den kommenden Monaten wird er in Erwartung des Prozesses wahrscheinlich so wenig wie möglich sagen. Danach wird er sich auf ein einziges Ziel beschränken: den Gegner zu zwingen, seine Karten aufzudecken. Wer schweigt, begeht keine Fehler. Wer es mit wenigen Worten schafft, den Vertreter der Anklage zu provozieren, einige Karten auf den Tisch zu legen, kann die Schwachpunkte des Feindes ausmachen und seine Verteidigung besser vorbereiten."

"Rzeczpospolita" (Warschau):

"Viele Serben klagen Slobodan Milosevic an, den Fall Jugoslawiens herbeigeführt ... und das Land in den kleinen Kreis jener Staaten geführt zu haben, die auf der Welt isoliert und ignoriert werden. Seine Anwesenheit in dem internationalen Tribunal in Den Haag ist die logische Konsequenz des völligen Fiaskos der Politik in Belgrad in den vergangenen 13 Jahren. ... Der ehemalige Präsident, der verantwortlich für die Tragödie von Millionen Menschen ist, will nicht zugeben, dass seine Politik zur Niederlage führte und er selbst die größte Verantwortung für die Tragödie Jugoslawiens trägt. Selbst vor dem Tribunal bleibt Milosevic der Diktator. Eine andere Rolle beherrscht er nicht."

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