Irak-Anhörung Petraeus fordert Pause bei US-Truppenabzug

McCain, Clinton, Obama: Alle Präsidentschaftsbewerber treffen zur Stunde im Senat auf David Petraeus, den US-Befehlshaber im Irak. Dieser fordert, die Truppenstärke im Land aufrechtzuerhalten - denn die Lage könne jederzeit eskalieren.

Washington/Bagdad - Die Lage im Irak: ernst. Die Erfolge der US-Truppen: sichtbar, aber instabil. Und Iran? Gewinnt an Einfluss auf militante Gruppen. Das sind die Kernaussagen von General David Petraeus, dem Kommandeur der US-Armee im Irak, bei seinem Auftritt vor dem US-Kongress.

Seine Empfehlung: den Abzug der US-Truppen aus dem Land vorübergehend stoppen. Bis Juli sollen rund 30.000 Soldaten aus der Golfregion abgezogen sein; für die Zeit danach empfiehlt Petraeus nun eine 45-tägige Pause, um die Lage neu zu sondieren.

Der Auftritt von Petraeus und Irak-Botschafter Ryan Crocker in den Senatsausschüssen für Verteidigung und Äußeres war mit Spannung erwartet worden. Denn die beiden wichtigsten US-Verantwortlichen in dem Krisenstaat treffen dort auf die drei Bewerber für das Präsidentenamt: den Republikaner John McCain und die Demokraten Hillary Clinton und Barack Obama. Die zentrale Frage: Wie halten es alle Beteiligten mit der Forderung nach einem raschen Truppenabzug?

Das Thema polarisiert die Gesellschaft nach wie vor. Während der Aussprache kam es immer wieder zu Tumulten. Aus dem Zuschauerraum waren "Bring them home"-Rufe zu hören, Forderungen nach einem sofortigen Truppenabzug. Sicherheitsleute brachten mindestens einen Störer aus dem Saal.

McCain gegen überstürzten Abzug aus dem Irak

Botschafter Crocker bezeichnete die Lage im Irak als schwierig. Es gebe zwar Fortschritte, aber noch sei viel Arbeit nötig, um die Region zu stabilisieren.

Der republikanische Senator und Präsidentschaftskandidat John McCain verteidigte abermals seinen Standpunkt, dass sich die US-Armee nicht überstürzt aus dem Irak zurückziehen solle. Ein Rückzug der Truppen könne zur Folge haben, dass die USA schließlich in einen weitaus größeren Konflikt eingreifen müssten, warnte er.

US-Präsident George W. Bush will seine Entscheidung über den Fortgang des Einsatzes erst nach dem Bericht bekanntgeben. Schon vor dem Bericht soll Petraeus Bush bereits von einer weiteren Reduzierung der Truppenstärke abgeraten haben. Die derzeitige Truppenplanung sieht vor, dass die Zahl der Soldaten bis Juli von 158.000 auf dann 140.000 reduziert wird.

Einem Bericht der britischen Zeitung "The Guardian" zufolge planen die Regierungen in Washington und Bagdad einen zeitlich unbegrenzten US-Einsatz im Irak. Das gehe aus einem Vertragsentwurf hervor, der das zum Jahresende auslaufende Uno-Mandat für den Irak ersetzen solle, berichtete die Zeitung am Dienstag unter Berufung auf einen Arbeitsbericht.

USA sollen zu weiteren Einsätzen im Irak ermächtigt werden

Laut "Guardian" sollen die USA ohne zeitliche Begrenzung dazu ermächtigt werden, weiter Militäreinsätze im Irak zu führen und bei "dringenden Sicherheitsbedrohungen" Menschen festzunehmen. Der Vertrag sehe weder eine zeitliche Begrenzung des Einsatzes noch eine Begrenzung der Truppengröße vor. Der Erhalt der Souveränität des Iraks und der politischen Unabhängigkeit seien "im beiderseitigen Interesse", zitierte die britische Zeitung aus dem Vertragsentwurf. Sollten diese gefährdet sein, wollten sich die USA und der Irak "unverzüglich" beraten. Die USA sicherten dem Irak demnach zu, von irakischem Boden aus keine Militäroffensiven gegen andere Staaten zu führen.

In Bagdad liefern sich US- und irakische Truppen heftige Kämpfe mit der Mahdi-Miliz des radikalen Schiitenführers Muktada al-Sadr, der ein Ende der Waffenruhe androhte. Angesichts der neuen Kämpfe in Bagdad drohte Schiitenführer Sadr in einer in Nadschaf veröffentlichten Erklärung, seine Mahdi-Miliz werde die im August vergangenen Jahres erklärte Waffenruhe beenden, um "Sicherheit, Stabilität und die Befreiung" des Irak zu erreichen. Eine entsprechende Entscheidung werde gegebenenfalls in einer weiteren Erklärung bekannt gegeben. Zugleich zog Sadr einen Aufruf zu einer gegen die USA gerichteten Großdemonstration anlässlich des fünften Jahrestages der Entmachtung von Saddam Hussein am Mittwoch zurück.

In Bagdad lieferten sich US-Truppen und schiitische Milizen am Dienstag weiter heftige Gefechte. US-Soldaten versuchten, sich weiter im Viertel Sadr City vorzukämpfen, einer Hochburg Sadrs. Die im Schiitenviertel Kasimijah verschanzten Kämpfer der Mahdi-Miliz forderte die irakische Armeeführung ultimativ auf, binnen drei Tagen die Waffen niederzulegen.

Die irakische Armee hatte Ende März in der südirakischen Ölstadt Basra mit einer Offensive gegen die Mahdi-Miliz begonnen. Die Kämpfe hatten sich auf mehrere Städte im Land ausgeweitet. Am Sonntag vorvergangener Woche hatte Sadr seine Gefolgsleute zum Rückzug aufgefordert. Nach einer Woche relativer Ruhe flammten jedoch erneut Kämpfe in Sadr City auf. Bei einem Bombenanschlag auf einen Bus bei Bakuba nördlich von Bagdad wurden laut Polizei am Dienstag vier Kinder und zwei Frauen getötet.

ffr/AFP/AP

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten