Irak-Dilemma der Demokraten Die Kriegsgegner kämpfen um die Feldherren-Krone
New York - Die Kulisse ist immer die gleiche: ein eindrucksvolles Spalier aus Generälen a. D., ungelenk in ihren Zivilanzügen, davor der Kandidat, über den die Ex-Generäle allerlei nette Worte sagen. Dahinter oder daneben die obligatorischen Sternenbanner. Die Botschaft: Der Kandidat sei ein besserer Feldherr und Truppen-Oberbefehlshaber als alle anderen.
Nein, hier handelt es sich nicht um die US-Republikaner. Sondern um die Demokraten.
Hillary Clinton stellte so ihre militärischen Qualifikationen bei einer Rede an der George Washington University zur Schau: In Begleitung von sechs einstigen Militärgrößen rückte sie an, darunter der frühere Nato-Kommandeur Wesley Clark, der sie dafür lobte, "in Sachen nationaler Sicherheit ihre Hausaufgaben gemacht" zu haben.
Prompt versuchte Barack Obama sie zu übertrumpfen, ließ sich von zehn Ex-Generälen flankieren. Unter ihnen Merrill McPeak, Stabschef der Air Force im ersten US-Golfkrieg 1990/91, der Obama die "beste Hoffnung" nannte, "unsere Sicherheit wiederherzustellen".
Worauf Clinton schnell eine Liste mit den Namen von 25 weiteren Ex-Militärs auf ihrer Seite nachreichte.
Die Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten überschlagen sich dieser Tage, so soldatisch wie möglich zu wirken, wenn auch nur durch eine Art optische Symbiose. Es ist ein gewagter Polit-Spagat - und typisch für die Verrenkungen dieses Wahlkampfes: Die Kriegsgegner, die das Irak-Desaster beide schnellstmöglich beenden wollen, sehen sich plötzlich gezwungen, sich dem Volke zugleich auch als die bestqualifizierten, forschesten Kriegskommandeure der Nation zu empfehlen.
Der Irak-Krieg ist kein Tabu mehr
Eigentlich würde man erwarten, dass sich US-Politiker derzeit von militärischen Entscheidungsträgern so fern wie möglich halten. Gerade jetzt, wo diese Woche der fünfte Jahrestag der Irak-Invasion ansteht - das wohl desaströseste, folgenschwerste Kriegsunterfangen Washingtons seit Vietnam.
Es ist nun aber John McCain zu verdanken, dem republikanischen Aspiranten aufs Weiße Haus, dass der Krieg in diesem Vorwahlkampf kein Tabu mehr ist - und dass die Demokraten in der Militärfalle stecken.
Denn Vietnam-Held McCain, der ohne Partei-Widersacher schon voll in den Hauptwahlkampf einsteigt, knüpft seine gesamte Kandidatur an das Kriegsmotiv. Dabei adelt er sowohl die Erinnerung an den Vietnamkrieg wie auch das Irak-Desaster mit Wohlfühl-Schlagworten ("Courage", "Glaube", "Prinzipientreue") zu etwas Höherem, Besseren.
McCain spielt die Veteranenkarte
So brachte McCain am Wochenende, anlässlich des 35. Jahrestags seiner Befreiung aus vietnamesischer Kriegsgefangenschaft, zwei Online-Videos in Umlauf. Die Clips, insgesamt 20 Minuten lang, sind Collagen aus Bildern von McCain im Krankenbett des "Hanoi Hilton", wo er gefoltert wurde, und humpelnd nach seiner Rückkehr 1973. Untermalt sind die Szenen mit elegischer Musik und den Worten von Freunden und McCains Mutter Roberta, 96. Die Spots krönen derzeit auch seine Wahlkampf-Website.
Ein drittes Video schafft nahtlos den Schlenker zum aktuellen Krieg. Darin dankt McCain den US-Truppen im Irak und in Afghanistan: "Vielen Dank, dass ihr einer Sache dient, die größer ist als euer Eigennutz." Am Sonntag reiste McCain zu einem Besuch nach Bagdad, um dort Vertreter der US-Streitkräfteführung zu treffen.
Der Irak-Krieg ist in den USA wieder hoffähig geworden, nicht zuletzt, weil sich McCain als Mann des Krieges definiert hat - und das trotz seines fortgeschrittenen Alters von 71 Jahren. McCain bleibt auch nichts anderes übrig: Das andere große Wahlkampfthema - Wirtschaft, Kreditkrise, Rezession - ist für ihn Treibsand. Sein Eingeständnis der eigenen, ökonomischen Unkenntnis dürfte ihn für den Rest dieses Wahlkampfes verfolgen: "Das Thema der Wirtschaft ist keines, das ich so gut verstehe, wie ich sollte."
Also schlägt McCain lieber die Kriegstrommel. Er unterstützt den US-Truppeneinsatz im Irak, fordert "ein größeres militärisches Engagement". "Der Krieg im Irak ist an einem Scheideweg und die Zukunft der gesamten Region steht auf dem Spiel - eine Region, aus der die Terroristen kamen, die Amerika an 9/11 angriffen, und in der sich ein Großteil der weltweiten Energievorräte befinden." Das klingt wie eine Neuauflage der Parolen, mit denen sich George W. Bush 2004 wiederwählen ließ.
Vor zwei Jahren noch wäre das politischer Selbstmord gewesen: Da schwammen die Demokraten auf der Welle der Kriegsmüdigkeit zum Sieg bei den Kongresswahlen. Dieses Jahr aber sieht es anders aus.
Streit um das Rote Telefon - wie sich Obama und Clinton als Militärstrategen zu profilieren versuchen
Die Mehrheit der US-Bürger hält den Krieg zwar weiter für falsch und ist für einen schrittweisen Abzug. Doch zugleich finden 65 Prozent der Befragten, dass die USA eine "moralische Verpflichtung" hätten, so lange im Irak zu bleiben, bis sich die Lage dort stabilisiert habe.
Hinzu kommt: Immer mehr Amerikaner verlieren den Krieg aus den Augen. Auf der Liste ihrer Top-Sorgen ist er längst von der Rezession verdrängt worden. Nur noch 28 Prozent der Wähler, so ergab jetzt eine Umfrage, wissen, wie viele US-Soldaten im Irak bisher umgekommen sind.
Anti-Kriegs-Argumente ziehen keine Wechselwähler
Das stellt die Demokraten vor ein Dilemma. Zwar profilieren sich sowohl Obama wie Clinton bei der Basis noch wacker als Kriegsgegner: Obama mit seiner berühmten Antikriegsrede von 2002 und seinem Wahlversprechen, innerhalb von 16 Monaten "alle Kampfbrigaden" aus dem Irak abgezogen zu haben - und Clinton mit ihrer eigenen Version eines Abzugsplans.
Solche Argumente, so steht jedoch zu befürchten, ziehen nur noch bei der Basis - nicht aber mehr bei den entscheidenden Wechselwählern der Mitte. Schon jetzt müssen die Demokraten auf die Hauptschlacht im Herbst äugen. Denn bei der werden sie vor einem Gegner stehen, der den Krieg geschickt zu seinen Gunsten thematisiert hat - McCain, der in allen Umfragen die beste militärpolitische Kompetenz genießt. Was lässt sich dem entgegensetzen?
Kein Wunder, dass Clinton zur gleichen Zeit, da McCain seine Kandidatur festklopfte, den krassen TV-Spot des "roten Telefons" abschoss: Sie sei besser als Obama geeignet, im Weißen Haus jenen sprichwörtlichen "Anruf um 3 Uhr morgens" - sprich: eine militärische Krise - zu beantworten.
Prompt entbrannte ein heißer Wettstreit, wer von beiden der bessere Truppenchef sei: Obama, schimpfte Clinton, sei bei sicherheitspolitischen Entscheidungen im Kongress oft "missing in action" gewesen - nicht durch Zufall ein militärischer Ausdruck für im Gefecht vermisste Soldaten. Obama schlug sofort zurück: "Wir hatten schon mal einen Roten-Telefon-Moment. Es war der Beschluss, in den Irak einzumarschieren. Und Senator Clinton hat die falsche Antwort gegeben."
Obama und Clinton mühen sich - McCain lacht
Zugleich versuchen beide umständlich, ihr militärisches Pedigree zur Schau zu stellen - so sehr sie sich dazu auch strecken müssen. So vergisst Clinton bei keiner Rede zu erwähnen, dass sie als First Lady mal in Bosnien gewesen sei, wo ihre Begrüßungszeremonie "wegen Scharfschützenbeschuss nach drinnen verlegt werden musste". Auch sitze sie seit fünf Jahren im Streitkräfteausschuss des Senats.
Obama wirbt derweil, mangels sicherheitspolitischer Erfahrung, mit "Urteilsvermögen". Dazu lässt er sich über den grünen Klee loben - von Militärs. Etwa von Admiral a.D. Robert Williamson, dem Kommandanten des Flugzeugträgers "Nimitz" im ersten Golfkrieg: "Er hat alle die großartigen Qualitäten und Eigenschaften, die notwendig sind, um die schwierigsten Pflichten der Präsidentschaft auszuüben." Zur Sicherheit betont Obama in seinem Lebenslauf außerdem, er "stehe fest zu den Truppen" und sei überdies "der Enkel eines Soldaten, der in Pattons Armee marschiert ist", in Anspielung auf den US-Weltkriegsgeneral George Patton.
McCain dürfte über solche Anstrengungen nur schmunzeln. Diese Woche reist er, die Kandidatur sicher, mit dem Streitkräfteausschuss in aller Ruhe nach Großbritannien, Frankreich und Israel, um seine außen- und verteidigungspolitischen Credentials zu polieren.
Ausschussmitglied Clinton muss hierbleiben und sich in Pennsylvania, dem nächsten Vorwahlstaat, mit Obama darum streiten, wer von ihnen denn der bessere Truppenchef sei.