Irak-Diplomatie
Offener Bruch zwischen USA und Großbritannien
Die Regierungen in London und Washington haben sich offenbar in der Irak-Frage überworfen. Erstmals vertraten die Uno-Botschafter beider Länder im Uno-Sicherheitsrat unterschiedliche Positionen. Es geht darum, wie viel Zeit dem Irak noch für eine komplette Entwaffnung gegeben werden soll. Unterdessen berichten amerikanische Medien, dass die USA bereits geheime Kapitulationsverhandlungen mit dem irakischen Militär führen.
New York/London - Dem Sender CNN zufolge erhoffen sich die USA von den Verhandlungen mit den irakischen Militärs, dass einige Armee-Einheiten im Kriegsfall nicht kämpfen werden. Mit den Verhandlungen sei nicht das US-Verteidigungsministerium betraut, sondern andere "Elemente" der US-Regierung. "Das macht
überhaupt keinen Sinn", wies eine Sprecherin des US-Außenministeriums den Bericht zurück. CNN zufolge haben nach Angaben ranghoher US-Vertreter einige Elemente des irakischen Militärs bereits zugestimmt, im Fall einer US-geführten Invasion nicht zu den Waffen zu greifen.
In der Uno geht das diplomatische Ringen derweil weiter. Die Uno-Botschafter der USA und Großbritanniens vertraten in der Nacht zum Donnerstag im Sicherheitsrat erstmals ganz offen völlig gegensätzliche Positionen zu einem Ultimatum an Bagdad. Londons Uno-Botschafter Sir Jeremy Greenstock erklärte, mit den am Mittwoch von Premierminister Tony Blair unterbreiteten Vorschlägen zu weiteren Forderungen an die Regierung Iraks sei ein Ultimatum bis zum 17. März "weggenommen" worden. Die Briten hatten einen Katalog von sechs konkreten Forderungen vorgelegt, die Bagdad erfüllen müsse, um einen Angriff zu vermeiden. Dazu gehörte, dass Saddam Hussein in einer Fernsehansprache die totale Abrüstung erklärt.
US-Botschafter John Negroponte sagte dagegen, Washington bestehe auf einem Ultimatum. Das Datum 17. März sei weiterhin auf dem Tisch. Allerdings könnte eine geringfügige Verzögerung um eine "sehr, sehr kurze Zeit" heute ausgehandelt werden. Die USA würden sehr bald eine Abstimmung verlangen. Sie seien aber bis dahin zu Gesprächen über die "gut gemeinten" Vorschläge der Briten bereit. Uno-Diplomaten erklärten, die USA hätten intern eine Abstimmung bis spätestens Freitag angekündigt. Die Diskussion innerhalb des Gremiums soll heute fortgesetzt werden.
Deutschlands Uno-Botschafter Gunter Pleuger sagte, der jüngste britische Vorschlag werfe sehr viele Fragen auf, die diskutiert werden müssten. Frankreichs Botschafter Jean-Marc de La Sablière wies die Vorschläge der Briten ebenso wie den gemeinsamen Entwurf einer Irak-Resolution der USA, Großbritanniens und Spaniens zurück. Der
russische Botschafter Sergej Lawrow sagte, Moskau bleibe bei der Ablehnung jedes Ultimatums.
Die Vertreter der USA sprachen am Mittwochabend (Ortszeit) davon, Fortschritte in den Bemühungen um
Unterstützung für ihren Entwurf einer Irak-Resolution gemacht zu haben. Aus ranghohen US-Kreisen verlautete, die USA hätten von den bislang unentschlossenen drei afrikanischen Staaten Angola, Kamerun und Guinea eine positive Reaktion erhalten. "Wir sind zuversichtlich nach dem, was wir von ihnen gehört haben", hieß es. Der Sprecher im US-Außenministerium, Richard Boucher, sagte: "Ich würde nicht dementieren, dass wir
Fortschritte machen, aber ich will Sie nicht in die Irre führen zu denken, dass wir es in der Tasche haben."
Eine Abstimmung noch in dieser Woche halten die USA offenbar nicht mehr für absolut notwendig. Das
Weiße Haus schließe eine Verschiebung des Votums über den Freitag hinaus nicht aus, erklärte ein ranghoher Regierungsmitarbeiter.
Nach dem Scheitern von zwei Entwürfen für eine neue Kriegsresolution gegen den Irak will London nun mit seinem Vorstoß doch noch die nötigen Stimmen im höchsten Uno-Gremium gewinnen. Innenpolitisch steht Blair wegen seines Irak-Kurses massiv unter Druck. Beobachter mutmaßen, dass hinter den jüngsten Auseinandersetzungen zwischen den USA und Großbritannien ein taktisches Kalkül stecken könnte, um einen größeren Rückhalt für den britischen Regierungschef in seiner Heimat zu erreichen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder setzt nach wie vor auf ein friedliches Ende der Irak-Krise. Am Rande eines Treffens mit Blair am Mittwochabend in London antwortete Schröder auf die Frage, ob ein Krieg gegen den Irak noch zu vermeiden sei: "Ich hoffe das. Daran wird gearbeitet." Der Kanzler unterstrich das trotz der unterschiedlichen Positionen zur Irak-Frage weiterhin gute bilaterale Verhältnis. Ein Kompromiss zeichnete sich
bei dem Treffen nicht ab. "Wir werden uns sicher in dieser Frage nicht gegenseitig überzeugen können", sagte Schröder.