Vormarsch der Dschihadisten ISIS-Kämpfer sollen größte Ölraffinerie Iraks erobert haben

Rauch über der umkämpften Ölraffinerie Baidschi: ISIS-Kämpfer sollen das Gelände erobert haben
Foto: STRINGER/IRAQ/ REUTERSBagdad - Kämpfer der Terrormiliz ISIS sollen einem Bericht des US-Senders CNN zufolge die größte irakische Ölraffinerie in Baidschi eingenommen haben. Das rund 200 Kilometer nördlich von Bagdad gelegene Baidschi ist strategisch bedeutend: Neben der Raffinerie, von der viele Tankstellen des Landes Treibstoff bekommen, befindet sich auch ein Elektrizitätswerk, von dem aus Bagdad mit Strom versorgt wird.
Die Regierung von Nuri al-Maliki widerspricht. Das Staatsfernsehen meldet, dass die Armee Widerstand leiste und weiterhin Teile des Industriekomplexes kontrolliere, der seit zehn Tagen von den Dschihadisten belagert wird.
Seit rund zwei Wochen rücken die ISIS-Kämpfer gewaltsam von Norden und Westen her auf Bagdad vor. Weite Teile des Landes sind bereits unter der Kontrolle der sunnitischen Extremisten. Laut einem Bericht der "Washington Post" haben mutmaßliche ISIS-Extremisten in mehreren Dörfern im Norden des Irak Dutzende Menschen getötet. Ein lokaler Polizeichef sprach von mindestens 55 Getöteten.
Unter den Opfern waren den Angaben zufolge auch zwei kleine Mädchen. Dutzende Menschen werden noch vermisst. Dorfbewohner sprachen von einem "Massaker". Ziel des Angriffs vor etwa einer Woche seien vier von schiitischen Turkmenen bewohnte Dörfer unweit der Stadt Kirkuk gewesen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Augenzeugen.
Kerry: Militärschläge möglich
Nach einem überraschenden Besuch in Bagdad am Montag ist US-Außenminister John Kerry in die kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak weitergereist. Dort wolle er die kurdische Führung dazu bringen, sich an einer neuen irakischen Regierung zu beteiligen. Das meldete der Nachrichtenkanal Al-Arabiya am Dienstag. Die Kurden genießen im Nordirak eine weitgehende Autonomie.
In der irakischen Hauptstadt hatte Kerry auf die rasche Bildung einer Regierung gepocht, an der die drei größten Bevölkerungsgruppen des Landes - Schiiten, Sunniten und Kurden - beteiligt sind. Regierungschef Nuri al-Maliki steht bereits seit Langem in der Kritik, weil seine von Schiiten dominierte Regierung die Sunniten im Irak diskriminiert. Der Regierungschef lehnt einen Rücktritt jedoch ab.
Vor allem aber betonte Kerry in Bagdad, die USA seien zu einem Militärschlag bereit - noch bevor eine neue Regierung stehe. US-Präsident Barack Obama werde sich bei militärischen Schritten im Zweifel nicht davon abhalten lassen, dass die Bildung einer neuen Regierung noch nicht abgeschlossen sei. "Der Irak steht vor einer existenziellen Bedrohung, und die irakischen Führer müssen dieser Bedrohung mit der gebotenen Eile begegnen", sagte Kerry am Montag. "ISIS kämpft, um den Irak zu teilen und zu zerstören."
Die USA hatten angekündigt, das irakische Militär im Kampf gegen ISIS zu unterstützen. Washington setzt dabei unter anderem auf einen möglichst kurzen Einsatz von rund 300 Soldaten, die als Militärberater in den Irak geschickt werden sollen.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier regte direkte Gespräche zwischen Iran und Saudi-Arabien an. "Ohne irgendeine Verständigung zwischen Riad und Teheran wird der Konflikt kaum zu lösen sein", sagte der SPD-Politiker der "Bild". Gespräche könnten einen Beitrag zu einer Beruhigung der Lage im Irak leisten.
Das Verhältnis der beiden Länder ist jedoch angespannt: Das streng sunnitische Riad führt in Syrien einen Stellvertreterkrieg gegen den schiitischen Iran, indem es Rebellen im Kampf gegen die dortige Regierung finanziert und bewaffnet. Syrien wehrt sich zudem gegen Vorwürfe, zu den wichtigsten Unterstützern der ISIS-Miliz zu gehören.
Iran hingegen ist der wichtigste Verbündete des Schiiten Maliki. Angesichts der ISIS-Offensive hat Iran jedoch seine Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze erhöht. Kontrollen und Überwachung würden ausgeweitet und Grenzposten verstärkt, sagte Innenminister Abdolresa Rahmani-Fasli am Montag. Dies sei eine Vorsichtsmaßnahme, um ein Übergreifen der Gewalt auf Iran zu verhindern.