Irak-Konferenz Rice geht auf Syrien und Iran zu
Scharm al-Scheich - Der Irak hatte gerufen, Ägypten eingeladen, alle waren gekommen - und dennoch endete der erste Tag der großen internationalen Irak-Konferenz in Scharm al-Scheich merkwürdig gedämpft. Mitten in der Abschlusspressekonferenz von Ban Ki Moon, Sliman al-Gaith und dem irakischen Premierminister Nuri al-Maliki standen der Uno-Generalsekretär und der ägyptische Außenminister plötzlich auf, weil sie, wie ein Übersetzer mitteilte, "Wichtiges zu tun hätten".
Al-Maliki, so wurde versprochen, würde noch weitere Fragen beantworten. Er schlich sich dann aber ebenfalls fort. Was denn wichtiger sein könnte als die Verkündung der Ergebnisse der Verhandlungen zum "Pakt für den Irak" vor Hunderten aus aller Welt angereisten Journalisten, das wurde nicht erläutert.
Aber auch, als sie noch zu dritt auf dem Podium versammelt waren, hatten die Repräsentanten des Irak, der Gastgeber und der Weltgemeinschaft eher müde gewirkt. Insbesondere al-Maliki gab sich nüchtern: Sämtliche Versprechen, die der Irak heute im Austausch für mehr Hilfe beim Wiederaufbau gab, habe das Land zuvor bereits sich selbst auferlegt. Die internationale Gemeinschaft habe diese Ziele lediglich bekräftigt. Al-Maliki nannte insbesondere die Bekämpfung des Terrors, die nationale Versöhnung und die Wiederherstellung der Infrastruktur. Kritische Fragen, etwa jene, wie es mit den bewaffneten Milizen weitergehen solle, ignorierte er einfach.
Und dann kam der Auftritt von Condoleezza Rice: Rund 30 Minuten sprach die US-Außenministerin mit ihrem Amtskollegen syrischen Walid al-Muallim über den Krieg im Irak - es war der erste Spitzenkontakt mit Syrien zwischen den beiden Staaten seit zwei Jahren.
"Es gab eine Gelegenheit, über das Problem mit den ausländischen Kämpfern (im Irak) zu reden", sagte Rice im Anschluss an das Treffen. Man habe lediglich über die Sicherheitslage im Irak gesprochen. "Ich habe ihm keinen Vortrag gehalten und er hat mir keinen Vortrag gehalten", sagte Rice. Sie habe aber deutlich gemacht, dass die USA keine schwierige Beziehung zu Syrien wollten. Für bessere Beziehungen müsse es aber eine Basis geben.
"Atmosphäre sicherlich verbessert"
Muallim resümierte nach der Zusammenkunft mit Rice, diese sei "offen und konstruktiv" gewesen - eine Wortwahl, die darauf hindeutete, dass auch Meinungsverschiedenheiten angesprochen wurden. Das Treffen habe "die Atmosphäre sicherlich verbessert". Die Bedeutung der Begegnung werde aber erst in der Zukunft zu erkennen sein.
Während des Mittagessens in Scharm al-Scheich tauschte Rice US-Angaben zufolge auch einige Worte mit dem iranischen Außenminister Manutschehr Mottaki aus. Dabei kam es nach Angaben von Beobachtern aber lediglich zu Höflichkeitsfloskeln, nicht jedoch zu einem politischen Gespräch. Auch die britische Außenministerin Margaret Beckett traf sich nach Angaben aus ihrer Delegation mit Mottaki.
Die USA halten beiden Staaten für problematisch. Die unabhängige "Baker-Commission", von Präsident George W. Bush eingesetzt, hatte jedoch vor wenigen Monaten dafür plädiert, auch Iran und Syrien in Pläne zur Befriedung des Irak einzubeziehen. "Alle hier sind mit der Zukunft des Irak verbunden. Was im Irak passiert, hat schwerwiegende Folgen, die alle von uns betreffen", hatte Rice auf der Konferenz gesagt. Als Mottaki seinerseits von der "fehlerhaften Herangehensweise der Besatzungsmächte" sprach, blieb ihre Miene regungslos.
Kleine Erfolge und viele Geheimnisse
Fünf-Jahres-Plan für den Wiederaufbau
Nichtsdestotrotz dürfte es ein erfolgreicher Tag gewesen sein, jedenfalls so erfolgreich, wie man es für ein Land, das sich in einer derartigen Krise steckt wie der Irak, erhoffen kann. Der "Irak-Pakt", eine Art Fünf-Jahres-Plan für den Wiederaufbau (nicht für die Befriedung des Irak) wurde mit ersten Inhalten gefüllt: Die Schuldnerländer haben sich bereit erklärt, dem Land zwischen Euphrat und Tigris Schulden in zweistelliger Milliardenhöher zu erlassen, der Irak sagte im Gegenzug zu, wichtige Reformen einzuleiten.
Ban Ki Moon nannte sie "Schlüsselreformen". Insgesamt 15 Gesetzgebungsverfahren sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen werden, darunter ein neues Ölgesetz, das den natürlichen Reichtum des Landes gerechter auf die Volksgruppen verteilen soll. Aber auch eine Neufassung des Gesetzes der Ent-Baathifizierung soll auf den Weg gebracht werden - insbesondere die sunnitischen arabischen Staaten hatten darauf gedrängt, auch ehemaligen Mitglieder des Saddam-Regimes den Weg in den neuen Irak wieder zu öffnen. Es besteht nicht zuletzt die Hoffnung, auf diese Weise einige nationalistische Aufständische und Saddam-Loyalisten zu integrieren.
Auf dem Sicherheitssektor soll die Zuständigkeit des Irak ausgeweitet werden, die Stichworte lauten "ein Staat, eine Armee" und "demokratische zivile Kontrolle". Der Abzug der US-Armee wurde auf Wunsch der Iraker ausgespart - er hängt aber offenkundig mit den Fortschritten auf diesem Gebiet zusammen.
Wie die Atmosphäre im Konferenzsaal war, blieb weitgehend undurchschaubar: Die Journalisten waren fast komplett abgeschirmt. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Moussa, war einer der wenigen, die mit ihnen redeten - er beließ es aber bei Selbstverständlichkeiten: Es gehe darum, einen "politischen Prozess" im Irak zu initiieren, erklärte er.
Dem Vernehmen nach lief allerdings nicht alles glatt: Die Iraker seien schwierig, hieß es aus europäischen Delegationskreisen. Es habe Ärger gegeben darüber, wer wann mit wem reden darf. Die Iraker wiederum, hieß es, fühlten sich von den Arabern zu wenig unterstützt. Diese hätten kein Konzept. Andererseits war es ein Prinzip der Konferenz, dass der Irak die Tagesordnung alleine festlegt.
Vertrauliche Vier-Augen-Gespräche - wenig Transparenz
So konnte man zwar den ganzen Tag über beobachten, wie Mittelsmänner der verschiedensten Delegationen Besprechungszimmer für Vier-Augen-Gespräche bei der Konferenzleitung buchten - was aber besprochen wurde, blieb geheim. Das mag damit zu tun haben, dass die Teilnehmer-Staaten und -Organisationen jeweils ganz eigene Ziele verfolgen: Iran will, ebenso wie Ägypten und Saudi-Arabien, seine Stellung als Mittelmacht ausbauen, die sunnitischen Staaten wollen ihre Glaubensgeschwister stärken, die Jordanier und die Syrer ächzen unter der Last irakischer Flüchtlinge.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier stieß am Nachmittag zu der Konferenz und führte Gespräche mit seinem ägyptischen und jordanischen Amtskollegen. Gegenüber deutschen Journalisten sagte er, die Konferenz sei ein "wichtiger Zwischenschritt": "Wir müssen und an allen Anstrengungen beteiligen, dass der Irak sich stabilisiert." Es müssten auch Mittel und Wege gefunden werden, Syrien und Iran an ihre Verantwortung zu erinnern.
An der Konferenz nahmen Vertreter von über 50 Staaten und Institutionen teil, etwa der Arabischen Liga, der Organisation der Arabischen Staaten, der G8 und der Irak-Anrainer, sowie die ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrates. Morgen beginnt der zweite Teil der Konferenz, in dem es vor allem um das Verhältnis Iraks zu seinen Nachbarn und der Sicherheitsproblematik geht.