Irak und al-Qaida Rumsfeld stiftet Verwirrung
Washington - Vor dem Rat für Auslandsbeziehungen hatte Rumsfeld gestern noch in New York gesagt: "Soweit es mir bewusst ist, lagen mir keine starken, harten Beweise für eine Verbindung zwischen den beiden vor." Stunden später kam der Sinneswandel. Der Minister erklärte nun, er sei am Vortag missverstanden worden: "Ich habe seit September 2002 bestätigt, dass es Verbindungen zwischen al-Qaida und dem Irak gab." Auf einer Pentagon-Internetseite ließ er Argumente auflisten, die für Verbindungen zwischen Qaida-Anführern und dem gestürzten irakischen Regime sprächen. Unter anderem gebe es laut Geheimdienst CIA glaubhafte Beweise dafür, dass sich Qaida-Anführer um Kontakte im Irak bemüht hätten, die ihnen beim Erwerb der Fähigkeiten für den Bau von Massenvernichtungswaffen helfen könnten.
Die US-Regierung hatte derartige Verbindungen als einen Grund für den Irak-Krieg genannt. Rumsfeld wies vor dem Rat darauf hin, dass es auch innerhalb des Geheimdienstes Meinungsverschiedenheiten gebe, wie die Beziehung zwischen dem Irak und al-Qaida ausgesehen habe. Am 26. September 2002 hatte er vor Journalisten erklärt: "Uns liegen nach unserer Einschätzung sehr verlässliche Berichte über hochrangige Kontakte vor, die ein Jahrzehnt zurückreichen, sowie über ein mögliches Training mit chemischen und biologischen Stoffen. Und wenn ich Kontakte sage, meine ich zwischen dem Irak und al-Qaida." Eine US-Untersuchungskommission hatte im Juli festgestellt, dass es keine Beweise für eine Zusammenarbeit zwischen der Gruppe von Bin Laden und dem Irak bei den Anschlägen am 11. September 2001 gegeben habe.
Zum Kriegsgrund befragt, sagte Rumsfeld gestern, er habe verhindern wollen, dass Saddams Regierung an Massenvernichtungswaffen gelangt. Vor dem Krieg hatten die USA erklärt, der Irak verfüge bereits über derartige Waffen. Auf die Frage des Rates nach dem wichtigsten Grund für den Irak-Krieg sagte Rumsfeld gestern, US-Präsident George W. Bush habe die Einschätzung getroffen, dass Saddam ein Regime geleitet habe, das Massenvernichtungswaffen gegen sein eigenes Volk sowie seine Nachbarn eingesetzt hat. Nach Ansicht Bushs sei es wichtig gewesen, diese Regierung abzusetzen, bevor sie sich entweder selbst Massenvernichtungswaffen aneigne oder sie an Terror-Netzwerke weitergebe. Rumsfeld räumte ein, dass keine derartigen Waffen im Irak gefunden worden seien. Er wisse nicht, warum die Geheimdienstinformationen falsch gewesen seien, sagte er. "Aber mit Saddam Hussein im Gefängnis statt an der Macht geht es der Welt sehr viel besser."
Bremer kritisiert Rumsfeld
Gestern Abend griff zudem der frühere US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, überraschend das amerikanische Verteidigungsministerium an. Zu keiner Zeit seien in den Irak ausreichend US-Bodentruppen entsandt worden, sagte Bremer laut US-Medienberichten vor Versicherungsmanagern in White Sulphur Springs. Zwar unterstütze er weiterhin die Kriegsentscheidung der US-Regierung, sagte Bremer, der bis Ende Juni Chef der Zivilverwaltung im besetzten Irak war. Es seien aber schwere Fehler gemacht worden.
Bremer sagte weiter, vor allem sei es gleich nach Saddams Sturz nicht gelungen, Gewalt und Plünderungen in Bagdad zu unterbinden. "Dafür haben wir einen hohen Preis bezahlt, denn dadurch hat sich eine Atmosphäre der Rechtlosigkeit etabliert", fügte er hinzu. Das Pentagon reagierte heute laut dem Nachrichtensender CNN "befremdet" auf die Kritik Bremers. Er habe während seiner Amtszeit niemals dem Verteidigungsministerium seinen angeblichen Wunsch nach mehr US-Truppen mitgeteilt.