Irak vor der Wahl Sarkawi ruft zum Dschihad gegen alle Demokraten auf
Berlin - Sarkawi ist entschlossen, die Wahlen im Irak, die am kommenden Sonntag stattfinden sollen, mit allen Mitteln zu verhindern - Terror und Mord eingeschlossen. Das ergibt sich aus einer Ansprache, die heute von Sarkawis Sprecher auf einer einschlägigen Website abgelegt wurde. SPIEGEL ONLINE liegen das Tondokument selbst und eine arabische Abschrift der Ansprache vor, in der Sarkawi die Demokratie unter anderem als "große amerikanische Lüge" bezeichnet und alle Wähler und Kandidaten zu Abtrünnigen erklärt, die den Tod verdienen.
"Die Kandidaten der Wahl vergehen sich an der Göttlichkeit und die Wähler nehmen sich diese zu Götzen", heißt es am Ende der 12 Seiten umfassenden, hasserfüllten Botschaft, die ironischerweise unter dem Namen "Democracy" abgespeichert wurde. "Wir haben darum gegen sie (...) den heftigen Krieg (...) erklärt." Seine Hörer fordert al-Sarkawi auf, "den Plan des Feindes, eine angebliche Demokratie in eurem Land zu installieren, zu durchschauen".
Das Ziel der USA sei es nämlich, die "schiitischen Schweine" an die Macht zu bringen; um dies sicher zu stellen, seien bereits vier Millionen Schiiten aus Iran in den Irak gebracht worden. Durch diese Marionettenregierung, so Sarkawi weiter, hofften die USA, den Irak ungestört weiter ausbeuten zu können. Fernziel des "Kreuzzuges" im Nahen Osten sei es aber, "den Staat Großisrael zu verwirklichen".
Sieben Thesen gegen die Demokratie
Auch theologische Argumente bemüht Sarkawi, der zwar ursprünglich ein aus Jordanien stammender Kleinkrimineller war, sich aber seit seinem Aufstieg zum al-Qaida-Statthalter im Irak stets Mühe gegeben hat, seine Religiösität zu belegen. Insgesamt sieben Thesen gegen die Demokratie, jeweils mit Koranzitaten abgestützt, führt er gegen die Abstimmung ins Feld. Sie richten sich wohl an all jene, von den Terrorakten Sarkawis allein noch nicht überzeugt sind. Erst gestern hatten Sarkawis Anhänger ein Video im Internet veröffentlicht, in dem sie zeigen, wie sie im Irak auf offener Straße zwei Männer brutal enthaupten, weil sie angeblich mit den USA kooperiert hatten.
"Die Demokratie geht davon aus, dass alle Macht vom Volk ausgeht", sagt Sarkawi etwa. Dies aber sei ein Verstoß gegen das Dogma des Islam, weil es im Koran heiße: "Lasst niemanden an (Gottes) Herrschaft einen Teil haben". Auch sei es undenkbar, dass ein Muslim in einem Staat leben kann, in dem Glaubensfreiheit besteht, wie es in einer Demokratie üblich sei. "Denn wenn ein Muslim vom Glauben abfällt und sich dem Unglauben zuwendet", so Sarkawis Argumentation, "ist seine Strafe im Islam der Tod". Zur Unterstützung zitiert er den mittelalterlichen Theologen al-Buchari: "Wer seine Religion wechselt, den tötet!".
So geht es in einem Fort: Freie Meinungsäußerung, die Trennung von Staat und Religion, die Versammlungsfreiheit und das Parteiwesen: allesamt unislamisch. Auch, dass die Mehrheit entscheiden soll, weist der Terrorist, der unter anderem dafür bekannt ist, dass er sich Haustheologen hält, zurück: "Die Mehrheit kann sich auf das Falsche, auf den Unglauben einigen".
Terrorbündnis gegen die Wahlen
Die heutige Botschaft Sarkawis ist der neueste Versuch, die Iraker von der Teilnahme an der Wahl abzuschrecken. Seit Monaten versuchen er und seine Anhänger dies vor allem mit einer Welle des Terrors und der Gewalt. Täglich bekennen sie sich unter der Marke "al-Qaida im Zweistromland" zu mehreren Anschlägen auf US-Soldaten oder Iraker, die am Aufbau des neuen Irak mitwirken. An manchen Tagen veröffentlicht Sarkawis Sprecher Abu Maisara al-Iraki bloß noch eine Aufzählung der Anschläge, derer sie sich selbst bezichtigen, so viele sind es.
Auch Sarkawis Mentor und selbst erkorener Oberführer Osama Bin Laden, Chef und Gründer des Terrornetzwerks al-Qaida, hat zuletzt noch im Dezember in einer "Botschaft an die Iraker" zum Widerstand gegen die Wahl aufgerufen. Andere Terrorgruppen, die im Irak aktiv sind, teilen diese Ansicht ebenfalls. Die Gruppe "Dschaisch Ansar al-Sunna" (Armee der Helfer des sunnitischen Islams) haben sich allein in dieser Woche zu mehreren Morden und zuletzt gestern zur Erschieß8ng von 15 irakischen Polizisten bekannt, um den Urnengang zu verhindern.
Gleich drei Terrorgruppen veröffentlichten im Dezember eine gemeinsame Erklärung mit demselben Ziel. "Das Wort Demokratie kommt aus dem Griechischen und bedeutet 'Herrschaft des Volkes' - und das ist Unglauben", heißt es in dem Dokument vom 31. Dezember 2004, das "Dschaisch Ansar al-Sunna", "Dschaisch al-Mudschahidin" und "alDschaisch al-Islami" unterzeichneten. Auch sie kündigen den Einsatz aller Mittel an.
Angesichts dieser Drohungen und der seit Wochen anhaltenden Eskalation der Gewalt haben die irakischen Behörden gestern drastische Sicherheitsmaßnahmen für den Zeitraum der Wahl beschlossen. Trotzdem bleibt, insbesondere nachdem al-Sarkawi heute noch einmal nachgelegt hat, mit zahlreichen Anschlägen zu rechnen.