Iran nach der Tötung Soleimanis Im Zorn vereint
Die iranische Provinzhauptstadt Ahvaz am Persischen Golf ist eine Hochburg der Opposition. In den vergangenen Monaten demonstrierten hier immer wieder Bürger gegen das Regime in Teheran.
Nun jedoch sind die Straßen voll mit Menschen, die eines der wichtigsten Repräsentanten des Regimes gedenken: Qasem Soleimani, dem Anführer der Quds-Brigaden, der bei einem US-Drohnenangriff vergangenen Donnerstag in Bagdad getötet wurde. Videoaufnahmen aus Ahvaz vom Wochenende zeigen Trauermärsche, die bis zum Horizont reichen.
US-Präsident Donald Trump wollte mit dem Anschlag auf Soleimani die iranische Führung schwächen. Fürs Erste hat er jedoch das Gegenteil erreicht: Das Volk versammelt sich weitgehend hinter dem Regime. In der Hauptstadt Teheran nahmen am Montag Behördenangaben zufolge mehrere Millionen Menschen an der Trauerfeier für Soleimani teil.
Iran ist gespalten in islamistische Hardliner und Reformer, pro- und antiwestliche Kräfte, Junge und Alte. Über Monate hinweg waren Bürger überall im Land gegen die Regierung auf die Straße gegangen . Sie wandten sich gegen den politischen Autoritarismus, forderten vor allem wirtschaftliche Reformen und eine Öffnung des Landes. Das Regime reagierte brutal. Mindestens 1000 Menschen wurden von Sicherheitskräften umgebracht, Tausende wurden verhaftet. Die Repressionen verstärkten die Empörung jedoch nur.
Jetzt ist die Protestbewegung mit einem Schlag verstummt. Die verschiedenen gesellschaftlichen Fraktionen sind vereint in ihrer Wut auf die USA. "Die Tötung Soleimanis war in gewisser Weise ein Geschenk Trumps an die Mullahs", bilanziert der Chef von Human Rights Watch, Kenneth Roth.
Soleimani war das Gesicht Irans im Nahen Osten. Er steuerte die Politik Teherans im Irak, im Jemen, im Libanon. Der General trug entscheidend dazu bei, dass sich in Syrien Diktator Baschar al-Assad an der Macht halten konnte. Er war für den Tod unzähliger Zivilisten mitverantwortlich, für Terroranschläge und die Destabilisierung fremder Staaten und kultivierte die Aura eines beinahe mystischen Kriegsherren. Soleimani wurde von vielen Iranern als ein Mann gesehen, der über der Politik stand.
Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Khamenei instrumentalisiert den Tod seines Topgenerals, um die eigene Macht zu abzusichern. Mit großem Pomp inszeniert das Regime die Trauer um den getöteten Quds-Brigaden-Führer. Soleimanis Sarg wird von Stadt zu Stadt transportiert. Khamenei selbst sprach am Montag in Teheran das Gebet für Soleimani.
Unter Trumps Vorgänger Barack Obama sah es eine Zeit lang so aus, als könnten sich die Erzfeinde USA und Iran annähern. Gemeinsam mit den Europäern handelte Obama ein Atomabkommen (JCPOA) aus, das der iranischen Führung eine Lockerung der Sanktionen in Aussicht stellte, wenn es sein Nuklearprogramm zurückfährt.
Bereits Trumps Ausstieg aus dem JCPOA im Mai 2018 hat den Entspannungsprozess erschüttert. Nach der Tötung Soleimanis dürfte eine Annäherung zwischen den beiden Staaten über Jahre hinweg beinahe ausgeschlossen sein.
Moderate Kräfte in Iran, die für einen Dialog mit dem Westen plädieren, sind massiv in die Defensive geraten. Ajatollah Khamenei dürfte es noch leichter haben, Kritik an seiner Herrschaft als Landesverrat zu diskreditieren. Der Anschlag auf Soleimani sei "das Schlimmste, was den zivilgesellschaftlichen Bewegungen in Iran und im Irak passieren konnte", sagte der New Yorker Iran-Experte Amir Rashidi der "New York Times".
An den Problemen, die Iran plagen, und die zuletzt Hunderttausende Menschen auf die Straße trieben, wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern: Die iranische Wirtschaft liegt - auch durch die US-Sanktionen - am Boden, viele Bürger kämpfen ums Überleben. Dieses Drama wird nun von der Auseinandersetzung mit den USA überlagert.