Iran Die Reformer sind zurück
Berlin - Die unsägliche Teheraner Holocaust-Konferenz ist vorbei. Diese Ansammlung von fragwürdigen Relativierern und dubiosen Leugnern der Schoah hat ein weltweites Echo der Empörung ausgelöst. Sie hat allerdings die Bindung rechtsradikaler Kräfte in der westlichen und antisemitischen Fanatikern in der islamischen Welt eher gestärkt. Und der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad konnte sich wieder einmal als einsamer Held stilisieren, der im Gegensatz zu den arabischen Staatschefs noch ernsthaft "den zionistischen Staat" Israel bekämpft.
Der Zeitpunkt der Konferenz war nicht zufällig. Kurz danach, am Freitag, fanden in Iran schließlich die Wahlen zum sogenannten Expertenrat und die Kommunalwahlen statt. Dieser Wahlgang war der erste seit der Wahl Ahmadinedschads im Jahr 2005. Man muß bedenken, daß er zum Zeitpunkt seiner Wahl eher ein unbekannter, bescheiden auftretender Mann war, der Arbeitsplätze schaffen wollte. Und man muß bedenken, daß sein härtester Konkurrent Ali Akbar Haschemi Rafsandschani für viele Iraner Vetternwirtschaft und Korruption symbolisiert.
Deshalb war diese Abstimmung der erste wirkliche Test für den Staatspräsidenten. Ahmadineschad wollte aus der globalen Aufmerksamkeit, die er aufgrund der Konferenz genoß, Kapital schlagen, um bei der Wahl seine Machtbasis auszubauen. Dieses Unterfangen ist nach den bisher bekannten Ergebnissen gescheitert.
Bei den Wahlen zum Expertenrat einem der wichtigsten Gremien der islamischen Republik, das den Revolutionsführer ernennt und kontrolliert und die ideologische Eignung von Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten prüft konnte Ahmadinedschads Intimfeind Rafsandschani reüssieren. Er bekam die meisten Stimmen aller Teheraner Kandidaten. Bemerkenswert dabei ist die Tatsache, dass Rafsandschani ein pragmatischer Konservativer erstmals eine offene Kooperation mit den Reformern in Form einer gemeinsamen Kandidatenliste eingegangen ist.
Sein Ergebnis bedeutet nicht nur einen persönlichen Erfolg. Es zeigt auch die polarisierende Wirkung Ahmadinedschads in Iran. Das Refomer-Lager des ehemaligen, als moderat geltenden Präsidenten Mohammed Ali Chatami galt nach all den Jahren der Enttäuschung für seine Anhänger als abgeschrieben. Ahmadinedschad und seinem radikalen Kurs dürften die Reformer die neue Mobilisierung zu verdanken haben.
Ahmadinedschad konnte wohl keine neuen Wählerschichten für sich gewinnen. Verloren hat er allerdings auch nicht. Der als sein Mentor bekannte Großajatollah Mohammed-Taghi Mesbah-Jasdi hat zumindest in Teheran deutlich weniger Stimmen bekommen als Rafsandschani und hat nur das sechstbeste Ergebnis der Kandidaten für den Expertenrat erreicht. Dennoch muß festgestellt werden, daß der wahrscheinlich erste offene Islamist der iranischen Geistlichkeit ein achtbares Ergebnis erhalten hat.
Mesbah-Jasdi bringt seit Jahren eine Radikalität in den theologischen Diskurs Irans hinein, die auch für die Verhältnisse der islamischen Republik unvergleichbar ist. Er lehnt sogar die "Herrschaft des Rechtsgelehrten" ab. Dieses Modell vom legendären Revolutionsführer und Republikgründer Großajatollah Ruholla Mussawi Chomeini persönlich entwickelt sieht einen geistlichen "Revolutionsführer" vor, der über allen Verfassungsorganen, also auch dem Staatspräsidenten steht.
Dieses Amt wird derzeit von Ajatollah Seyyed Ali Chamenei ausgeübt. Mesbah-Jasdi lehnt das Modell ab, weil es darin überhaupt andere Verfassungsorgane gibt. Gott ist allwissend, das Volk aber nicht. Deshalb könne das Volk bei der Möglichkeit zu Wahlen gegen Gottes Gebote verstoßen. Sein schlechtes Abschneiden hat sicher viele Gründe. In Teheran wird er nach seinem Veto gegen den Besuch von Frauen in Fußballstadien nicht viele weibliche Anhänger gefunden haben.
Der Expertenrat, im Westen häufig mit dem Wächterrat verwechselt, ist ausschließlich mit Geistlichen besetzt. Bei der Wahl im Jahr 2005 hat er von über 2000 Kandidatinnen und Kandidaten lediglich acht zur Wahl zugelassen. Damit ist der Expertenrat, der sehr selten tagt, ein wichtiges Machtinstrument auch im Kampf der konservativen Flügel untereinander. Eine der von der Wahl ausgeschlossenen war im Übrigen die Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi, weil der Expertenrat mehrheitlich die Auffassung vertritt, daß Frauen für vorderste politische Positionen nicht geeignet sind.
Reformer sind wieder geschäftsfähig
Nach aktuellem Stand der Stimmenauszählung sieht es danach aus, als habe sich an der Zusammensetzung des Expertenrates nichts wesentliches geändert. Keine Seite weder Ahmadinedschad noch Chamenei noch Rafsandschani oder die Reformer hat sich einen größeren Vorteil erarbeiten können. Die Reformer und die pragmatischen Konservativen sind allerdings wieder geschäftsfähig. Sie haben zudem eine strategische Allianz geschmiedet, die ihnen neue Optionen für die Zukunft eröffnen kann.
Das machtpolitisch aussagekräftigere Wahlergebnis dürfte allerdings das der Kommunalwahlen sein. Allerdings liegen hier derzeit noch kaum zuverlässige Zahlen vor. Die westlichen Beobachter haben bisher die Ergebnisse aus Teheran als Grundlage für landesweite Prognosen genommen. Diese Methode war vor Ahmadinedschad noch relativ zuverlässig. Der Staatspräsident hat aber die letzten 15 Monate dazu genutzt, intensiv kleine, abgelegene Städte zu besuchen, in denen die Menschen bisher nicht einmal mittlere Beamte aus Teheran zu Gesicht bekommen haben. Damit machte er sich weniger abhängig vom traditionell liberaleren Wählermilieu in Teheran, dem Zentrum der Meinungsmache in Iran. Ob diese Strategie gefruchtet hat, wird eine genauere Analyse der dann vorliegenden Zahlen zeigen. Diese werden allerdings nicht vor Ende der Woche vorliegen.
Sollten die Teheraner Wahlergebnisse sich nicht in den landesweiten widerspiegeln, dann hat Ahmadinedschad seinen ersten großen innenpolitischen Erfolg erzielt: Die Wahlen dürften dann nicht mehr so einseitig in Teheran entschieden werden wie bisher. Das würde bei den Reformern wie auch bei anderen Oppositionellen, die sich bisher sehr stark auf große Städte konzentriert haben, ein komplettes Umdenken auslösen müssen.