Kampf um Vorherrschaft Irans gefährlicher Siegeszug

Russischer Präsident Putin (l.), Irans Präsident Rohani (in Teheran)
Foto: Alexei Druzhinin/ dpaDie Stimmung ist gut, wenn man in diesen Tagen mit iranischen Diplomaten spricht. Kein Wunder, denn Teheran erringt in diesen Tagen in der angespannten Lage im Nahen Osten einen Sieg nach dem anderen - politisch, wirtschaftlich und militärisch.
Seit Langem strebt Irans Führung an, das Land wieder als die Regionalmacht zu etablieren und damit auch die Macht der Schiiten in der islamischen Gemeinschaft zu stärken. In den zurückliegenden Wochen und Monaten ist es Iran gelungen, seine Interessen durchzusetzen und seine Position zu stärken - unabhängig von den internationalen Sanktionen, die trotz des vor zwei Jahren unterzeichneten Atomabkommens zum Teil greifen:
- Vergangene Woche besuchte Russlands Präsident Wladimir Putin Teheran und unterzeichnete Verträge im Energiesektor im Wert von 30 Milliarden Dollar. Es geht um die Erforschung und Ausbeutung iranischer Öl- und Gasfelder. Es ist eine Win-win-Situation für beide Länder: Die russischen Konzerne Rosneft und Gazprom sichern sich früher als westliche Konkurrenten Rechte in Iran. Und für Teheran bedeutet das: viel Geld und ein strategischer Sieg gegenüber den USA, wo Präsident Donald Trump ständig damit droht, den Atomdeal aufzukündigen und Sanktionen zu verschärfen. Doch Iran signalisiert mit diesen Deals: "Wir sind auf die USA nicht angewiesen!"
- Die irakische Regierung steht unter Einfluss von Iran. Als es im Nordirak um das Referendum für ein unabhängiges Kurdistan ging, setzte Bagdad die Kurden unter Druck - unterstützt von Iran. Das Referendum fand trotzdem statt und eine überwältigende Mehrheit stimmte für ein unabhängiges Kurdistan, doch inzwischen ist die kurdische Führung davon abgerückt. Der Präsident der autonomen Region Kurdistan im Irak, Massud Barzani, kündigte seinen Abschied an - ein Sieg für Iran.
- Auch sonst hat Iran sich im Irak politisch und militärisch durchgesetzt. US-Außenminister Rex Tillerson reiste kürzlich in die Golfregion und versuchte, arabische Staaten für die Anti-Iran-Allianz von Trump zu gewinnen. Unter anderem forderte er in Bagdad, die schiitischen "Volksmobilisierungseinheiten" (Haschd al-Schaabi), die vom Irak gegen den IS, aber auch gegen Kurden eingesetzt werden und von Iran finanziert, ausgerüstet und ausgebildet werden, sollten "nach Hause gehen". Iraks Regierungschef Haider al-Abadi lehnte das forsch ab und reiste demonstrativ nach Teheran. Die USA standen düpiert da. Wieder ein Sieg für Iran.
- Gemeinsam mit Russland hat Iran sich längst in Syrien durchgesetzt und seine Interessen militärisch mit Hilfe von schiitischen Milizen gesichert. Diese kontrollieren inzwischen nicht unwesentliche Teile des syrischen Territoriums. Zwar kämpfen diese Milizen auch gegen den "Islamischen Staat" (IS) und haben zu dessen Schwächung beigetragen, sie stützen jedoch syrische Regierungstruppen. Tatsächlich aber gilt der syrische Präsident Baschar al-Assad als Teil des Problems in Syrien, nicht als Teil einer Lösung.
- In nahezu allen Hauptstädten der arabischen Nachbarstaaten ist Iran mit schiitischen Milizen präsent oder unterstützt sie - teils offen, teils geheim. Teheran will damit seinen Einfluss in der arabischen Welt stärken.
- Im Libanon trat Ministerpräsident Saad Hariri zurück und warf der schiitischen Hisbollah-Miliz vor, ihm nach dem Leben zu trachten. Seinen Rücktritt verkündete er ausgerechnet in der saudischen Hauptstadt Riad - Hariri ist ein Verbündeter des iranischen Erzfeindes Saudi-Arabien. Die Hisbollah wiederum gilt als verlängerter Arm Irans. Der Einfluss Irans im Libanon ist deutlich gewachsen. Saudi-Arabien wertet das Erstarken der Hisbollah nun als "Kriegserklärung" des Libanon - und damit indirekt des Iran - gegen sich.
Doch der wachsende Einfluss Teherans sorgt auch für eine Destabilisierung in der Region: Am Beispiel Libanon wird besonders deutlich, dass im Zentrum der einzelnen Konflikte meist die Rivalität zwischen Saudi-Arabien und Iran steht - und damit zwischen Sunniten und Schiiten, für die diese beiden Länder stellvertretend stehen. Beide religiösen Strömungen innerhalb des Islam streiten seit 1300 Jahren über die Erbfolge und mithin darüber, wer den "wahren" Islam vertritt.
Hinzu kommt die Feindschaft zwischen Iran und Israel, stellvertretend für die zwischen Muslimen und Juden - hier wiederum funktioniert das Prinzip "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" nicht, Saudi-Arabien ist keineswegs ein Verbündeter Israels, sondern steht diesem Staat ebenso feindselig gegenüber wie Iran.
Diese aus Sicht Irans außenpolitischen Erfolge nutzen dem Regime in Teheran auch innenpolitisch, denn das sitzt längst nicht so fest im Sattel, wie es den Anschein haben mag. Iran, bis zur "Islamischen Revolution" 1979 durch Ajatollah Khomeini ein durchaus modernes, aber vom Schah von Persien autoritär regiertes Land, in dem die Menschen sich zum Beispiel kleideten, wie sie wollten, ist bis heute tief gespalten. Die iranische Gesellschaft ist zerstritten über die Frage, ob die Islamische Republik Iran wirklich ein Gottesstaat sein soll oder doch eine säkulare Republik.