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Iran: Leggins? Nein, danke!

Foto: Ebrahim Noroozi/ AP

Leggings-Debatte in Iran "Sie scheinen diese Fotos auch noch zu genießen!"

ISIS-Dschihadisten bedrohen Irans Grenze, doch das Parlament in Teheran debattiert über: Leggings. Interessiert betrachten die Abgeordneten Fotos von Frauenbeinen - und beschließen, wie diese zu verhüllen sind.

Teheran - Es ist warm auf den Straßen Teherans - da werden die Mäntel kürzer, Kopftücher lockerer, die Leggings häufiger. Grund genug für einige iranische Parlamentsabgeordnete, am Dienstag den Innenminister Abdolreza Rahmani Fazli einzubestellen.

"Warum interessiert sich der Innenminister nicht dafür, dass Frauen Leggings tragen in Teheran und anderen Städten?", fragten die Parlamentarier. "Warum wendet er nur halbherzig das Gesetz an, das Keuschheit und Schleiertragen verbreiten soll?"

Man könnte eigentlich meinen, Iran habe ganz andere Sorgen. Im Nachbarland Irak überrennen Radikale der Gruppe "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" (ISIS) ganze Landstriche. Sie sehen Teheran als Todfeind und stehen nur noch wenige Dutzend Kilometer vor der iranischen Grenze. Dort sind die iranischen Truppen in Alarmbereitschaft versetzt.

Doch für die Konservativen gibt es derzeit offenbar nichts Wichtigeres als Frauenbeine, genau genommen Leggings, die diese nur unzureichend verhüllen.

Eine Reihe von Fotos legten die Abgeordneten dem Innenminister vor, Frauen in engen Beinkleidern, aufgenommen in Irans Städten. Für den konservativen Parlamentarier Ali Motakhari ein klares Indiz: Die Regierung von Hassan Rohani tue zu wenig, um diesen vermeintlichen Sittenverfall zu bekämpfen.

Höchst interessiert betrachteten die Abgeordneten die Aufnahmen auf einer großen Leinwand. "Sie scheinen diese Fotos auch noch zu genießen!", soll Motakhari nach Berichten iranischer Medien gewettert haben. Im Parlament sind die Konservativen in der Mehrheit.

"Leggings sind keine Hosen"

In Iran herrschen theoretisch strenge Kleidungsvorschriften: Frauen müssen Schleier tragen. Zudem empfehlen Klerikale einen weiten Mantel und lange Hosen, um die Männer nicht in Versuchung zu führen. Überwacht wird dies von der Sittenpolizei, die es mal genauer und mal lockerer damit hält.

Tatsächlich respektieren viele Iranerinnen die Vorschriften aus Überzeugung. Doch es gibt auch einige, die diese Verbote absichtlich unterlaufen oder mit ihnen spielen. Erst kürzlich sorgte eine iranische Journalistin für Aufsehen mit einer Facebook-Seite, auf der sie Fotos von Iranerinnen ohne Kopftuch veröffentlichte. Dies hat die Kleidungsdebatte im Iran wieder neu befeuert.

Nun ist das Parlament also erneut gefordert - und legt sich fest: "Leggings sind keine Hosen", haben die Abgeordneten nach ausführlichen Betrachtungen des Objektes festgestellt. Und sie haben keine Berechtigung an iranischen Frauenbeinen.

Der Innenminister bekommt die Gelbe Karte

Innenminister Fazli gab sich am Dienstag kleinlaut. Er selbst sei doch erst seit Kurzem im Amt. Man könne die Regierung Rohani doch nicht für die Verfehlungen unter acht Jahren Mahmud Ahmadinedschad verantwortlich machen. Von dem stammten die Vorschriften schließlich.

Das wollte der konservative Ali Motakhari nicht gelten lassen: "Wir haben von der Vorgängerregierung nicht viel erwartet - anders als von dieser Regierung." Im Gegensatz zu dem Populisten Ahmadinedschad, der die Konservativen zuletzt irritierte, ist Präsident Hassan Rohani ein islamischer Gelehrter aus dem klerikalen Establishment.

Alles Werben um Verständnis half dem Innenminister also wenig. Das Parlament erklärte seine Ausführungen für nicht überzeugend. Nun bekommt er vom Parlament die Gelbe Karte - so werden Verwarnungen der Abgeordneten an Minister bezeichnet. Bekommt ein Kabinettsmitglied drei davon, wird automatisch ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet.

Mitten im ISIS-Konflikt könnte in Iran also ein wichtiger Minister stürzen - über Frauenbeine.

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