Irans Afghanistan-Connection Waffengrüße aus Teheran

Taliban-Kämpfer in der Provinz Ghazni: Konkrete Hinweise für Hilfe aus Iran
Foto: STR/ AFPWenn es um Rolle in Afghanistan geht, zeichnet das US-Verteidigungsministerium gerne ein düsteres Bild. "Große Mengen" der Waffen am Hindukusch seien in Teheran gefertigt worden, heißt es in einem Bericht des Pentagon an den Kongress aus dem Frühjahr. "Tödliche Unterstützung" schwappe weiter vom Nachbarland hinüber.
Amerikas oberster Soldat, Admiral Mike Mullen, spricht vom "wachsenden negativen Einfluss" Teherans in Afghanistan und "beträchtlichen iranischen Waffenlieferungen nach Kandahar." William Wood, bis 2009 US-Botschafter in Kabul, ergänzt: "Irans Politik ist, jeden in Afghanistan in einen Verlierer zu verwandeln."
Doch andere Spitzenmilitärs äußern sich in der Regel weit vorsichtiger. Sicher gebe es Hinweise etwa für iranisches Training von Aufständischen oder Taliban, sagte der ehemalige Oberbefehlshaber der US- und Isaf-Truppen in , Stanley McChrystal, kurz vor seinem Rücktritt. Auch einige Waffenlieferungen seien verbürgt. "Aber die Zahlen sind nicht bedeutend", so der General.
Die nun bekannt gewordenen Geheim-Memos des US-Militärs stützen solche gelassenen Einschätzungen. Spektakuläre Berichte über iranische Schützenhilfe für die Taliban fehlen darin. Trotzdem gibt es konkrete Hinweise für Hilfeleistungen aus dem Nachbarland:
- Am 30. September 2009 sollen etwa drei Personen namens Ghomandan Ede, Ghulam Yahya Chakar und Mullah Ghousadinn "sechs sehr starke panzerbrechende Minen aus Iran" bekommen haben.
- Vier Tage zuvor sollen Aufständische mit einer "unbestimmten Zahl von Anti-Personen-Minen aus Iran" ausgerüstet worden sein, um afghanische Polizisten zu attackieren.
- Eine Meldung vom 31. März 2008 warnt vor einer Lieferung iranischer "RCDIED" (Remote Controlled Improvised Explosive Devices - ferngezündete Sprengfallen), die unter anderem für die Region Ghorak bei Kandahar bestimmt sei.
"Landminen iranischer Herstellung, Farbe olivgrün"
Immer wieder sind auch kleinste Hilfestellungen für Aufständische aus dem Nachbarland peinlich genau aufgelistet, etwa: "weißer Draht iranischer Herstellung". "Unbekannte Länge iranischen weißen Drahts." Oder: "Landminen iranischer Herstellung, Farbe olivgrün".
Verlässliche Hinweise auf eine mögliche Lieferung von "Explosively Formed Penetrators" - der gefürchteten panzerbrechenden Projektile, die Teheran angeblich in den Irak geliefert hatte - finden sich hingegen nicht. Dass zwei Dutzend Stinger-Raketen aus Iran nach Afghanistan geschmuggelt wurden, wird in den Memos lediglich als "Gerücht" bezeichnet.
Auch wenn es um die Köpfe hinter Irans Aktivitäten im Nachbarland geht, bleiben die Angaben seltsam vage.
- Nangalai Khan, Sohn des Taliban-Kommandeurs Amanallah, soll 60 Kämpfer in Iran ausgebildet haben, auf 500 weitere könne er dort zurückgreifen, heißt es in einem Memo vom Oktober 2009.
- Zudem gilt Kassem Suleimani, der bereits im Irak die Revolutionswächter erst gegen die Amerikaner und dann für eine Aussöhnung organisierte, mit seiner Kuds-Einheit, einer Elitetruppe der Revolutionswächter in Teheran, als Drahtzieher in Afghanistan. Er hat nachweislich Kabul mehrfach bereist.
Mark Fowler, Iran-Experte am Think-Tank Persia House, glaubt: "Die Kuds-Truppen haben eine verdeckte Infrastruktur aufgebaut, um US-Truppen anzugreifen, wenn sie das für nötig erachten."
Doch halten sie dies für nötig? Die iranische Regierung habe Kampfteams trainiert, um unter anderem den Flughafen in Bagram anzugreifen, heißt es in einer Militärnotiz - fünf Männer pro Team, geschult von der iranischen Bassidsch-Miliz, die direkt für den Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei arbeitet. Sie sollen den letzten Schliff im Prandik-Ausbildungslager erhalten haben, östlich von Teheran. Auch einen geplanten Anschlag auf den Salma-Damm in der Provinz Herat habe Teheran im Februar 2009 angeblich unterstützt - mit vier Millionen Dollar in bar und sechs Landminen. Doch der Anschlag fand nie statt.
Trotz solcher Meldungen sind sich viele Experten nicht sicher, ob sie daraus ein direktes Engagement der iranischen Regierung ablesen können. Die bisher gesichteten Dokumente lassen keinen endgültigen Schluss zu, ob die Unterstützung der Taliban in voller Kenntnis oder auch nur Duldung Teherans geleistet worden ist. Viele Vorgänge könnten auch auf das Konto von Schmugglern oder pakistanischen Saboteuren gehen, die Iran ins Zwielicht bringen wollen. So ist beispielsweise Oberst a.D. Christopher Langton vom International Institute for Strategic Studies in London überzeugt, dass "Waffenfabriken an Pakistans Grenze Kopien iranischer Waffen herstellen".
Nur eines lässt sich nach der Analyse des WikiLeaks-Materials sagen: Von 2004 bis 2009 ist die Zahl der Meldungen über iranische Verwicklungen stetig angestiegen.
"Irans doppeltes Spiel"
Bleibt die Frage, wie denn Teheran eigentlich zu den Taliban steht. Iran und Afghanistan haben eine gemeinsame Grenze von fast 1000 Kilometer Länge. Den Aufstieg der Taliban hat man auf iranischer Seite erst einmal als Bedrohung registriert. Die Extremisten waren für Teheran vor allem eine Marionette der ungeliebten Pakistaner und Saudi-Araber. Irans Revolutionsführer nannte ihre Machtübernahme 1996 einen "Angriff auf den Islam". Als die Taliban zwei Jahre später iranische Diplomaten töteten, kam es beinahe zum Krieg.
Also unterstützte Teheran den Sturz der Taliban und half der neuen Regierung von Präsident Hamid Karzai. Hunderte Qaida- und Talibanführer, die sich in Iran versteckt hatten, wurden 2001 deportiert. Schätzungsweise eine Million afghanische Flüchtlinge fanden beim Nachbarn Unterschlupf.
Außerdem griffen die Iraner tief in die Tasche, um dem Nachbarn beim Wiederaufbau zu helfen. Etliche hundert Millionen Dollar hat Iran schon in Afghanistans Infrastruktur gesteckt, 100 Millionen Dollar versprach das Regime allein für eine Uni in Kabul. Teheran finanziert Straßen und Zugverbindungen, iranische Verlage drucken sogar Schulbücher für afghanische Kinder.
Trotzdem erhöht das Regime bisweilen den Druck auf Kabul. Im Januar 2009 schickten Irans Machthaber mehr als 100.000 afghanische Flüchtlinge zurück in ihre Heimat, gerade als dort Essen und Wohnraum besonders knapp waren. Das sorgte für Chaos.
US-Verteidigungsminister Robert Gates fand einen Begriff für solche Gesten: "Irans doppeltes Spiel".