
Iran: Der Streit um das Atomprogramm
Irans Atom-Chef "Diesen Ton lassen wir uns nicht gefallen"
SPIEGEL ONLINE: Exil-Oppositionelle haben eine geheime Anlage zur Urananreicherung bei Abjek, 120 Kilometer westlich von Teheran, öffentlich gemacht. Sind Sie nach Wien gekommen, um der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die Arbeit an weiteren unterirdischen Anlagen zu gestehen?
Salehi: Diese jüngste Anschuldigung ist eine Unverschämtheit. Ich wünschte, diese Oppositionsgruppe hätte konkrete Angaben zu dieser angeblichen Aufbereitungsanlage gemacht. Dann würde ich Sie bei Ihrem nächsten Iran-Besuch an jenen Ort führen, damit Sie sich persönlich von der Haltlosigkeit dieser Behauptung überzeugen können.
SPIEGEL ONLINE: Sie sollten die Angaben besser von den Inspektoren der IAEA überprüfen lassen.
Salehi: Das werden wir ganz bestimmt nicht erlauben. Wo kämen wir hin, wenn wir nach jeder haltlosen Anschuldigung Kontrolleure in unser Land ließen. Wir sind ein souveränes Land und kein Lakai.
SPIEGEL ONLINE: Aber Sie suchen doch schon nach weiteren Orten, die sich für den Bau tief verborgener Labore eignen.
Salehi: Wir prüfen derzeit, wo wir Anlagen errichten könnten, die gegen jegliche Bedrohung immun sind. Verteilt über das ganze Land haben wir zehn Plätze gefunden. Das heißt aber nicht, dass wir dort morgen schon Fabriken bauen. Wir warten auf die Entscheidung unseres Präsidenten , wo wir tatsächlich mit den Arbeiten beginnen sollen. Möglicherweise fangen wir schon im Frühjahr mit dem Bau einer Anlage an. Wenn es so weit ist, werden wir das Projekt bekanntgeben.
SPIEGEL ONLINE: Irans Chef-Unterhändler im Nuklearkonflikt, Said Dschalili, hat erst kürzlich Gesprächsbereitschaft angedeutet, wenn die Gruppe Ihrer Verhandlungspartner die fünf ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats und Deutschland vergrößert würde. Haben Sie dazu konkrete Vorschläge?
Salehi: Es gibt viel zu besprechen und die Erweiterung der Gruppe...
SPIEGEL ONLINE: ...etwa um Vertreter der Ihnen wohlgesonnenen Regierungen von Venezuela, Brasilien oder der Türkei...
Salehi: ...wäre eine gute Chance, viele Fragen zur internationalen Nuklearpolitik zu klären. Aber unser verbrieftes Recht, Uran zu zivilen Zwecken niedrig anzureichern, lassen wir uns nicht nehmen.
SPIEGEL ONLINE: Teheran bleibt also auf Konfrontationskurs mit der Weltgemeinschaft?
Salehi: Wir wollen keinen Konflikt provozieren. Ich bin nach Wien zur Generalkonferenz der IAEA gekommen, um Iran als engagiertes Mitglied zu vertreten, trotz der offensichtlichen Voreingenommenheit des neuen Generaldirektors Yukiya Amano.
SPIEGEL ONLINE: Was werfen Sie Amano vor?
Salehi: Mit seiner Bewerbung für diesen Posten war Amano mehrfach gescheitert, obwohl er als Japaner eine mächtige Nation vertritt. Viele Staaten hatten befürchtet, er werde sich dem Druck von außen beugen. Mit knapper Mehrheit wurde er erst gewählt, nachdem er ausdrücklich Redlichkeit versprochen hatte. Die aber vermissen wir. Herr Amano muss aufpassen, dass er durch seine Parteinahme für eine bestimmte Politik nicht seine Legitimität verliert.
SPIEGEL ONLINE: Der IAEA-Chef weist nur deutlicher auf Irans Verfehlungen hin als sein Vorgänger, der Ägypter Mohammed ElBaradei.
Salehi: Amano wärmt nur alte Vorwürfe wieder auf. Und wenn wir zwei Inspektoren ablehnen, was unser Recht ist, stellt er das als mangelnde Kooperation dar. Ich versuche, der IAEA über unsere festgeschriebenen Verpflichtungen hinaus entgegenzukommen. Der Widerstand gegen eine flexible Zusammenarbeit mit der IAEA ist in Teheran aber deutlich gewachsen. Diesen Ton lassen wir uns nicht gefallen.
SPIEGEL ONLINE: Klingt da die Drohung an, die Kooperation aufzukündigen?
Salehi: Wir drohen niemandem. Das ist nur eine freundliche, aber ernste Ermahnung, sich nicht politisch missbrauchen zu lassen. Wir fragen uns: Will Herr Amano irgendwem einen Vorwand liefern für einen Angriff auf uns? ElBaradei hat für seine sachliche Haltung den Friedensnobelpreis erhalten. Will Amano seinen Namen mit einem Krieg verbinden? Will er, dass eine Katastrophe über die Welt hereinbricht?
SPIEGEL ONLINE: Noch brauchen Sie Amanos Vermittlung. Mit der IAEA und Frankreich, Russland sowie den USA verhandeln Sie über Brennstäbe für Ihren Forschungsreaktor in Teheran.
Salehi: Wir haben die Agentur in Wien vor 15 Monaten um Hilfe gebeten. Die Produktion des Reaktors ist etwa für die Behandlung von Krebspatienten lebenswichtig. Wir haben die Hilfe nicht erhalten. Nun reichern wir das Uran für den Forschungsreaktor selbst auf 20 Prozent an. Von den etwa 120 Kilo, die wir benötigen, haben wir schon 25 produziert. Unsere Monatskapazität liegt bei etwa fünf Kilo. Wir stellen aber nur die knapp drei Kilo her, die wir jeweils aktuell brauchen. Dennoch sind wir weiterhin bereit, über einen Austausch zu reden.