Irans Atomprogramm Was Trump erreichen will - und was dabei rauskommt
Die Verhandlungen waren zäh, zogen sich über Jahre, doch im Juli 2015 wurde das Atomabkommen, der "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) , endlich in Wien besiegelt.
Damals schlossen sich Iran und die fünf Vetomächte im Uno-Sicherheitsrat, USA, Großbritannien, China, Russland und Frankreich, sowie Deutschland und die EU der Vereinbarung an. Die Islamische Republik verpflichtete sich darin, auf den Bau und die Entwicklung von Atomwaffen zu verzichten.
Formal ist das JCPOA kein völkerrechtliches Abkommen. Rechtsverbindlichkeit erhielt es, als der Uno-Sicherheitsrat die Resolution 2231 verabschiedete - und damit die Vereinbarung billigte.
Was sind die Kernpunkte des JCPOA?
- Iran unterwirft seine Urananreicherung bis zu 25 Jahre lang einem mehrstufigen System von Beschränkungen und Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA).
- In den ersten zehn Jahren müssen mehr als zwei Drittel der bestehenden Kapazitäten zur Urananreicherung stillgelegt werden. Die Zahl installierter Zentrifugen soll von 19.000 auf rund 6000 sinken. Uran darf nur noch auf 3,67 Prozent angereichert werden. Für eine Atombombe wäre auf 90 Prozent angereichertes Uran nötig.
- Die Menge von bereits angereichertem Uran wird für 15 Jahre von mehr als 10.000 auf 300 Kilogramm reduziert.
- Das Uran soll in der bestehenden Anlage Natans angereichert werden. Der Schwerwasserreaktor Arak soll so umgebaut werden, dass er kein atomwaffentaugliches Plutonium produzieren kann. Die Anreicherungsanlage Fordo wird ein Atomforschungszentrum.
- Das Uno-Verbot zur Ein- und Ausfuhr von Waffen wird um fünf Jahre verlängert. Auch Lieferungen, die dem Raketenprogramm Irans dienen könnten, bleiben für acht Jahre verboten.
- Im Gegenzug hebt der Westen seine Wirtschaftssanktionen schrittweise auf. Sollte Iran gegen die vereinbarten Regeln verstoßen, können die Strafmaßnahmen aber umgehend wieder in Kraft treten.
Warum hat Donald Trump den Deal aufgekündigt?
Trump war immer ein Gegner der Vereinbarung mit Teheran, schon allein deshalb, weil diese von Barack Obama vorangetrieben wurde. Wiederholt sprach er vom "schlechtesten Deal aller Zeiten", der Iran nicht an der Entwicklung von Kernwaffen hindern könne. Dafür gebe es "definitive Beweise", die der US-Präsident aber bis heute nicht vorgelegt hat. Trump rechtfertigte die Aufkündigung des Deals am 8. Mai 2018 zudem damit, dass die Islamische Republik auch nach dem internationalen Abkommen weiter an der Entwicklung ballistischer Raketen gearbeitet habe, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden könnten.
Teherans Raketenprogramm stößt nicht nur in den USA, sondern auch in der EU auf Kritik. Irans Regime betont, man verstoße damit weder gegen das Atomabkommen noch gegen die Uno-Resolution 2231, die im Juli 2015 in Zusammenhang mit dem Nukleardeal einstimmig verabschiedet wurde. Darin heißt es: "Iran ist aufgefordert, keine Tätigkeiten im Zusammenhang mit ballistischen Flugkörpern durchzuführen, die dazu angelegt sind, Kernwaffen zum Einsatz bringen zu können, einschließlich Starts unter Verwendung von Technologie für solche ballistischen Flugkörper."
Iran behauptet, dass das kein striktes Verbot für Raketentests bedeute und bestreitet zudem, dass die getesteten Raketen überhaupt mit einem atomaren Sprengkopf bestückt werden könnten.
Was sagen die Inspekteure der IAEA?
Die Wiener Behörde hat Iran wiederholt bescheinigt, sich an die Abmachungen im JCPOA zu halten - auch, nachdem die USA den Deal einseitig aufgekündigt hatten. Seit 2015 hat die IAEA insgesamt 14 Zwischenberichte vorgelegt - stets gab es nur unbedeutende Beanstandungen. Auch die US-Regierung hatte bis zu Trumps Ausstieg jeden Bericht über die Einhaltung des Abkommens abgenickt.
Welche Sanktionen hat Trump verhängt?
Die erste Runde neuer Strafmaßnahmen greift seit August 2018. Die Vereinigten Staaten wollen damit erreichen, dass Iran keine US-Dollar erwerben und nicht mehr mit Gold und Edelmetallen handeln kann. Auch der Handel mit bestimmten Metallen, Rohstoffen und Industriesoftware soll unterbunden werden. Zudem wird der Import iranischer Lebensmittel und Teppiche in die USA untersagt.
Die zweite Sanktionsrunde ist im November 2018 in Kraft getreten. Die Strafmaßnahmen zielen auf die iranische Ölindustrie ab, den mit Abstand wichtigsten Wirtschaftszweig.
Vor einer Woche verschärfte Washington die Sanktionen abermals. Seit 2. Mai müssen alle Länder ihre Erdölimporte aus Iran aufgeben, wenn sie keine US-Sanktionen riskieren wollen. Damit sollen die iranischen Einnahmen aus dem Ölgeschäft so weit wie möglich gesenkt werden.
Wie verhalten sich Deutschland und die Europäer?
Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, hatte direkt am Tag, als Trump das JCPOA aufkündigte, unmissverständlich klar gemacht, was Washington von anderen Ländern erwartet: "Deutsche Firmen, die in Iran tätig sind, sollten ihre Geschäfte sofort herunterfahren", forderte Grenell via Twitter. Diese Anweisung des Diplomaten wurde in Berlin brüsk zurückgewiesen. Trotzdem haben die Sanktionen ihren Zweck erfüllt und den Handel Deutschlands mit Iran massiv beschädigt.
Zwar haben Deutschland und die beiden anderen europäischen JCPOA-Partner Großbritannien und Frankreich stets betont, dass sie auch ohne die USA an der Vereinbarung festhalten wollen. Gleichwohl sind sie bislang mit dem Versuch gescheitert, Sanktionen wirkungsvoll zu umgehen. Denn fast alle Banken in Europa lehnen es ab, den Zahlungsverkehr für legale Iran-Geschäfte abzuwickeln - aus Angst, sie könnten aus den USA bestraft werden.
Die Bundesrepublik, Frankreich und das Vereinigte Königreich haben im Februar die Zweckgesellschaft Instex gegründet, die europäische Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen nach Iran vor US-Sanktionen schützen soll. Doch vier Monate nach der Gründung ist die Gesellschaft mit Sitz in Paris immer noch nicht im operativen Geschäft.
Was will Trump erreichen?
Die US-Regierung setzt darauf, dass die Sanktionen die iranische Wirtschaft dramatisch schwächen und die Staatseinnahmen deutlich zurückgehen. So soll Teheran dazu gebracht werden, seine Unterstützung für schiitische Milizen in den arabischen Staaten zurückzufahren. Außerdem soll im iranischen Volk die Unzufriedenheit mit der Führung in Teheran steigen. Geht es nach Trumps Nationalem Sicherheitsberater John Bolton, führt die desaströse Wirtschaftslage über kurz oder lang zu einem Volksaufstand und schließlich zu einem Regimewechsel in Iran.
Wie reagiert Iran?
Auf den Tag genau ein Jahr nach Trumps JCPOA-Rückzug hat Irans Präsident Hassan Rohani bekannt gegeben, dass sein Land zwei Punkte aus der Vereinbarung nicht länger umsetzen werde. Konkret geht es um die Bestände an schwach angereichertem Uran und an Schwerwasser. Hier will Iran künftig die Obergrenzen von 300 Kilogramm beziehungsweise 130 Tonnen überschreiten. Es handelt sich dabei um zwei relativ milde Verletzungen des JCPOA.
Rohani richtete sich in seiner Ansprache in erster Linie an die Europäer. Er gab ihnen 60 Tage Zeit, einen Weg zu finden, die US-Sanktionen zu umgehen. Sollte in diesen zwei Monaten keine Veränderung festzustellen sein, könnten weitere Schritte folgen, unter anderem brachte Rohani eine Modernisierung des Schwerwasserreaktors Arak in Eigenregie ins Spiel.
Vor allem aber verwies er darauf, dass Iran viel Geld ausgebe, um zu verhindern, dass Flüchtlinge und Drogen aus Afghanistan über Iran Richtung Europa gelangten. Dafür könne sein Land unter den jetzigen Umständen nicht länger aufkommen. Die indirekte Drohung: Ohne ein Entgegenkommen Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens könnte schon bald eine Drogen- und Flüchtlingswelle auf Europa zukommen.