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Fotostrecke: Treffpunkt Camp Bucca

Foto: Dusan Vranic/ ASSOCIATED PRESS

Anführer des "Islamischen Staats" Die Knastbrüder von Camp Bucca

Sie waren Ex-Agenten aus Saddam Husseins Apparat, Radikalislamisten und einfache Kriminelle: Doch ausgerechnet in einem US-Gefängnis fanden die Männer zusammen, die heute die Terrormiliz "Islamischer Staat" anführen.

Gleich die erste Verhaftung sollte dem Lebenslauf von Ibrahim Awad Ibrahim al-Badri eine neue Richtung geben: Als er 2004 im Irak von US-Soldaten festgenommen wurde, war der damals 33-Jährige noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt - ein einfacher "Straßengauner", erinnerte sich  ein US-Beamter des Verteidigungsministeriums in der "New York Times". Zehn Jahre später ist Badri unter seinem selbstgewählten Kampfnamen weltbekannt: Abu Bakr Al-Bagdadi oder "Kalif Ibrahim", der Anführer der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS). Für seine Ergreifung haben die USA zehn Millionen Dollar als Belohnung ausgeschrieben.

Badri hatte sich vor seiner Verhaftung die falschen Freunde ausgesucht: Die amerikanischen Soldaten nahmen ihn damals in einem Haus bei Falludscha gefangen, in dem sich mehrere gesuchte Radikalislamisten aufhielten, wie die "New York Times" recherchiert hat. Mehrere Jahre saß er in Camp Bucca ein, einem der größten amerikanischen Gefängnisse im Irak.

Doch er ist kein Einzelfall: Nahezu alle Anführer des IS waren Insassen von US-Haftanstalten. Eine wichtige Rolle spielt dabei Camp Bucca, das zeitweise größte Gefängnis der Amerikaner in dem Krisenstaat. Denn dort saßen nach neuen Erkenntnissen  der Risikoberatungsfirma "The Soufan Group" gleich neun spätere Chefs der Terrororganisation zusammen ein. Das Unternehmen geht davon aus, dass diese Männer sich in dem Knast kennenlernten. Es sind

  • Die Nummer zwei: Fadel al-Hayali (Kampfname: Abu Muslim al-Turkmani) ist Baghdadis Stellvertreter im Irak und der zweitwichtigste Mann des IS. Er war Oberstleutnant im irakischen Militärgeheimdienst, als noch Saddam Hussein herrschte.

  • Die Militärberater: Abu Mohammed al-Sweidawi (Kampfname: Abu Aiman al-Iraki) ist Mitglied im Militärrat des IS. Dieser ist zuständig für die Planung der Feldzüge. Sweidawi war Oberst im Geheimdienst der irakischen Luftwaffe unter Saddam. Außer ihm gehörte auch Adnan Ismail Nadschm (Kampfname: Abu Abdulrahman al-Bilawi) dem Militärrat an. Er kam im Juni 2014 in der westirakischen Provinz Anbar ums Leben. Samir Abd Mohammed al-Chlifawi (Kampfname: Hadschi Bakr), ebenfalls IS-Militärstratege, kam im Januar in Syrien ums Leben.
  • Der Sicherheitsbeauftragte: Abdul Wahid Chutnajer Ahmad (Kampfname: Abu Luai) gehört zum harten Kern des IS. Seine Aufgabe ist es, in den vom IS kontrollierten Gebieten mögliche Aufstände oder Attentate zu verhindern. Er ist also eine Art Geheimdienstchef der Radikalen.
  • Der Ausländerbeauftragte: Der Ex-Häftling Abdallah Ahmad al-Meschhadani (Kampfname: Abu Kasim) bewahrt beim IS den Überblick über die ausländischen Kämpfer. Sein besonderes Interesse gilt dabei Kandidaten, die sich zu Selbstmordanschlägen bereit erklärt haben.
  • Die Kriegslogistiker: Faris Raif al-Naima (Kampfname: Abu Schema) ist für die Sicherheit der Waffendepots des IS zuständig. Abdulrahman al-Afari (Kampfname: Abu Sudscha) leitet das Witwen- und Waisenprogramm des IS für die Familien der getöteten Kämpfer. Die Radikalislamisten versprechen ihren Kämpfern, im Todesfall die Angehörigen zu unterstützen.

Camp Bucca war ursprünglich nur für 5000 Häftlinge gebaut worden. Doch während der "Surge", der Aufstockung der US-Truppen im Jahre 2007, stieg die Zahl der Insassen auf bis zu 24.000.

Um Konflikte in dem überfüllten Gefängnis zu vermeiden, wurden die Insassen dort nach Konfession getrennt. Doch so kam eine andere gefährliche Mischung zustande: Im sunnitischen Bereich der Haftanstalt trafen Radikalislamisten auf Baathisten, Ex-Mitglieder von Saddam Hussein Sicherheitsapparat.

Auf den ersten Blick haben beide Gruppen nicht viel gemein: Die Baathisten sind weltlich, die Islamisten nicht. Aber beide lehnen die neuen Verhältnisse im Irak ab. Die Baathisten träumen von einem pan-arabischen Staat, die Islamisten vom pan-muslimischen. Und beide gehen mit großer Brutalität vor, um ihre Interessen durchzusetzen.

Die alten Hussein-Kader verbündeten sich mit den Islamisten, berichtet die "Soufan Group": "Die Baathisten haben die militärischen und organisatorischen Fähigkeiten mitgebracht ebenso wie ein Netzwerk erfahrener Bürokraten, das den Radikalislamisten fehlte." In Camp Bucca und den anderen US-Gefängnissen kam es dadurch zu einem gefährlichen Pakt.

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