Dschihadisten-Vormarsch Kanonenfutter aus Deutschland

Isis-Kämpfer im Irak: Werbevideos wie Actionfilme
Foto: twitter.com/albaraka_newsBerlin - Trotz seiner imposanten schwarzen Uniform wirkt der junge Mann mit dem fusseligen Kinnbart und den blauen Augen schüchtern. "Du kannst uns ja mal eine Kostprobe geben", ermuntert ihn sein Kamerad mit der Kamera in der Hand. Der schüchterne Islamist soll die Hauptrolle in einem Propaganda-Clip spielen.
Der Bärtige lässt sich ein Laptop reichen und stiert auf den Monitor. Mit hoher Stimme fängt er an zu singen, ein wenig zu hastig: "Wir verkünden frohe Botschaft."
Das kürzlich veröffentlichte Video soll einen deutschen Konvertiten zeigen, der sich der Miliz "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" (Isis) angeschlossen hat. Singend lockt der Deutsche mit einem "Leben im Gehorsam voller Ehre und Zufriedenheit - und Schrecken für Kuffar", also Ungläubigen.

Ob auf Deutsch, Englisch oder Französisch - Isis wirbt gezielt um ausländische Rekruten. Die Miliz kann jeden Mann gebrauchen. Von den rund 10.000 Isis-Mitgliedern sollen rund ein Drittel Ausländer sein. Die Miliz kämpft grenzübergreifend im Irak und in Syrien.
Rund 320 Deutsche sind in den Dschihad aufgebrochen
Allein 320 Deutsche sind inzwischen nach Angaben des Verfassungsschutzes nach Syrien gereist. Das ist ein rasanter Anstieg: Vor nur einem Jahr waren es noch 60. Es sind in der Regel junge deutsche Männer, Muslime mit Migrationshintergrund, die bereits hierzulande in den Bann von Radikalen gerieten.
Wie ein Trailer für einen Actionfilm ohne Handlung mutet ein zweites neues Video an. In schnellen Schnitten springt der Clip zwischen Häuserkampf, einer Verfolgungsjagd im Auto und spektakulären Explosionen hin und her. Auf funkelnden Pick-ups fahren gut gerüstete Isis-Krieger mal durch die Wüste, mal durchs Grüne, mal durch Hügellandschaften. Aus dem Off ertönt der Berliner Rapper Denis Cuspert, früher bekannt als Deso Dogg: "Brüder steht doch auf, holt euch euren Sieg". Cuspert hat sich vor Kurzem zu Isis bekannt und soll sich in dem umkämpften Gebiet aufhalten.
Dass die Realität wenig mit den Propaganda-Videos zu tun hat, musste inzwischen auch Cuspert erfahren. Er leidet unter Verletzungen, die er nach Bombenabwürfen davontrug. Immer wieder wird gemunkelt, er sei tot. Ob er jemals an der Front kämpfte, ist unklar.
Bei vielen hat schnell Ernüchterung eingesetzt
Rund ein Drittel der nach Syrien gereisten Deutschen hat sich schon wieder auf den Rückweg gemacht und ist wieder in der Bundesrepublik. "Einige hatten sich das Abenteuer Syrien anders vorgestellt: ein islamistisches Disneyland", sagte Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen kürzlich. Nur etwa jeder zehnte Rückkehrer hat tatsächlich gekämpft.
Wer für Isis in den Krieg zieht, den ereilt der Märtyrertod sehr schnell. 20 Deutsche sind bereits gestorben - eine hohe Quote. Maaßen bezeichnete die deutschen Freiwilligen daher auch als "Kanonenfutter" für Isis.
Oft bekommen die unerfahrenen Deutschen nicht einmal eine alte Kalaschnikow anvertraut. Viele starben bei Selbstmordanschlägen.
Angeblich wurden manche von ihnen sogar unfreiwillig zu Attentätern. Ein saudischer Dschihadist, der "seinen" Anschlag durch Zufall überlebte, berichtete hinterher, er sei von Isis ohne es zu wissen mit Sprengstoff im Kofferraum vorgeschickt worden. Seine Chefs hätten die Bombe dann aus der Ferne gezündet.
Religiöse Gruppen und ethnische Minderheiten im Irak
Mit über 85 Prozent der Muslime weltweit bilden die Sunniten die größte Gruppe im Islam. Der Name der Glaubensrichtung leitet sich vom arabischen Wort "Sunna" ab, das im religiösen Zusammenhang die "Handlungsweisen des Propheten Mohammed" bedeutet. Zusätzlich zum Koran orientieren sich Sunniten anders als die Schiiten an der Sunna als einer zweiten Quelle des islamischen Rechts. Die Rebellen im Irak gehören der Glaubensrichtung der Sunniten an.
In den Augen der Schiiten haben nur Ali, der Vetter und Schwiegersohn des Propheten Mohammed, und dessen Nachkommen ein Anrecht auf die politische Führung aller Muslime. Zwar unterscheiden sich die Schiiten in der religiösen Praxis kaum von den Sunniten. Doch durch die historische Entwicklung beider Glaubensrichtungen trennen heute tiefe politische Gräben das sunnitische und das schiitische Lager. Im Irak sowie in Iran und dem Libanon stellen die Schiiten die größte Konfessionsgruppe. Auch der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki ist Schiit.
Alawiten sehen ihre Glaubensgemeinschaft als Abspaltung des schiitischen Islam. Auch sie verehren Ali, den Vetter des Propheten, und seine Nachfolger. Im Unterschied zu den Schiiten hat Ali bei Alawiten aber sogar einen gottähnlichen Status. Anhänger der alawitischen Glaubensrichtung leben vor allem in Syrien. Der syrische Diktator Assad ist Alawit. Es gibt auch Alawiten im Südosten der Türkei und im Libanon.
Die Volksgruppe der Kurden stammt aus einem Siedlungsgebiet in Vorderasien, das sich auf die Gebiete der Türkei, des Irak, Irans und Syriens verteilt. Jahrhundertelang war die Region Teil des Osmanischen Reiches. Nicht alle Kurden gehören derselben Glaubensrichtung an. Viele sind Sunniten. Manche sind Aleviten, deren islamische Glaubensrichtung derjenigen der Alawiten ähnelt. Eine kurdische Einheitssprache gibt es nicht, dagegen viele unterschiedliche Dialekte. Im Nordirak hat sich seit dem letzten Golfkrieg ein Kurdenstaat gebildet, der seine Unabhängigkeit fordert.
Die Jesiden leben vor allem in der Gegend um die nordirakische Stadt Mossul. Schätzungsweise gibt es zwischen 300.000 und 1,2 Millionen Anhänger, von denen viele wegen Verfolgung und Diskriminierung ins Ausland geflohen sind. Ihre monotheistische Religion enthält Elemente des Christentums, des Islam und des Zoroastrismus. Neben Gott verehren sie sieben Engel. Der wichtigste heißt Malak Taus, der "Pfauenengel". Die Jesiden verneinen die Existenz des Teufels. Ihnen ist es verboten, außerhalb der Gemeinschaft zu heiraten oder einen anderen Glauben anzunehmen. Ihre wichtigste Pilgerstätte liegt in Lalisch, einem abgelegenen Tal im Norden des Irak. Dort befindet sich das Grab von Scheich Adi, der im 12. Jahrhundert starb und den die Jesiden als Heiligen verehren.