Vorstoß der Islamisten Ankaras gefährlicher Partner

Isis-Kämpfer an einem eroberten irakischen Checkpoint: Kostenlose Behandlung von Verletzten durch türkische Helfer?
Foto: AFP/ Welayat SalahuddinIn Mossul war deutlich zu sehen, in welche bizarre Doppelrolle sich die Türkei im Irak manövriert hatte: Vor dem Tor des türkischen Konsulats standen die Truppen der Isis, schwer bewaffnet. Drinnen saßen türkische Spezialkräfte. Doch die klare Anweisung aus Ankara lautete: Auf Isis-Kämpfer wird nicht geschossen. So zumindest berichten es türkische Medien. Wenig später wurde das Konsulat gestürmt.
Hinweise auf einen bevorstehenden Isis-Angriff im Nordirak hatte die türkische Regierung offensichtlich ignoriert - so zum Beispiel die Warnung des Gouverneurs von Mossul am 6. Juni, Isis-Kämpfer würden die Stadt innerhalb weniger Tage einnehmen. Das türkische Konsulat galt als besonders gefährdet, zumal Extremisten den dortigen Konsul Öztürk Yilmaz bereits mehrfach angegriffen hatten. Erst vor wenigen Wochen war Yilmaz einem Anschlag entkommen.
Dabei hat die Türkei die Islamisten von Isis seit Jahren unterstützt. Sie sollten helfen, den syrischen Machthaber Assad zu stürzen. Denn dort beteiligt sich Isis am Kampf gegen das Regime in Damaskus. Kämpfer konnten ungehindert die Grenze zur Türkei queren, möglicherweise hat man sie dort gar mit Waffen ausgerüstet und ihre Verletzten behandelt.
Die Oppositionspartei CHP verbreitete zuletzt ein Foto von einem in Syrien bei Gefechten verletzten Isis-Kommandeur. Es zeigt ihn angeblich in einem Krankenhaus im südosttürkischen Hatay. Dort soll er am 16. April kostenlos behandelt worden sein, sagte der CHP-Parlamentarier Muharrem Ince. Zudem, kritisierte die Opposition, hätten Dschihadisten in Gästehäusern des Amtes für Religiöse Angelegenheiten in der Türkei gewohnt.
Ob Isis auch finanzielle Zuwendungen von türkischen Gönnern erhalten hat, ist unklar. Geldflüsse an die Terrororganisation lassen sich nur sehr schwer nachvollziehen. Experten vermuten aber, dass reiche Spender aus Saudi-Arabien, Katar und Kuwait die Truppe gesponsert haben. Isis verfügt in den arabischen Staaten über ein breit gefächertes Unterstützernetzwerk, zu dem millionenschwere Scheichs und religiöse Stiftungen gehören.
Ankara weist Anschuldigungen, die Terrorgruppe mit aufgebaut zu haben, empört zurück. Vizeregierungschef Bülent Arinc erklärte am Freitag, es habe keinerlei Hilfe seines Landes für die Gruppe gegeben. Erst vor zwei Wochen hatte die Regierung Erdogan Isis als terroristische Organisation eingestuft. Isis stelle mit seinen Plänen für einen Gottesstaat, der sich über den Irak, Syrien und womöglich über Teile der Türkei erstrecken soll, eine Gefahr dar.
Nun stemmt sich Ankara dagegen, weiter in den Konflikt hineingezogen zu werden. Ein bewaffnetes Eingreifen lehnt die Regierung Erdogan ab. Sie will die Konsulatsangestellten aus Mossul sowie entführte türkische Lastwagenfahrer mit diplomatischen Mitteln aus den Händen der Terroristen befreien.

Einflussgebiet der Isis (gelb) und kurdische Siedlungsgebiete (grün)
Foto: SPIEGEL ONLINE