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Fotostrecke: Auf der Flucht vor den Extremisten

Foto: AHMAD AL-RUBAYE/ AFP

IS-Miliz im Irak Amnesty International beklagt Vertreibung von historischem Ausmaß

Überlebende berichten von grausamen Szenen, Massenhinrichtungen, Entführungen: Die Menschenrechtler von Amnesty International haben Flüchtlinge aus dem Nordirak interviewt. Dort jagt die IS-Miliz systematisch Andersgläubige.

Bagdad - Mit Tränen in den Augen listet Mochsen Elias auf, wer aus seiner Familie alles von den Radikalislamisten entführt wurde: Seine Mutter, seine Geschwister, seine Ehefrau, schwanger mit ihrem ersten Kind.

"Mein Baby ist noch nicht einmal geboren und schon in Gefangenschaft", sagt der Jeside mit zitternder Stimme. Von insgesamt 43 Angehörigen hat er seit dem 3. August nichts mehr gehört. Vier Generationen der Elias-Familie wurden verschleppt von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).

So beschreibt es ein am Dienstag veröffentlichter Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Zwischen Juni und August 2014 hatten die Menschenrechtler im Nordirak mit Hunderten Überlebenden gesprochen, die vor den Radikalen geflohen waren.

Seit der IS am 10. Juni in den Nordirak vordrang, sind von dort fast eine Million Menschen geflohen. Meist mit kaum mehr als den Kleidern, die sie am Leib trugen, und ohne Aussicht auf Rückkehr. Wer nicht rechtzeitig entkam, musste mit dem Schlimmsten rechnen. Als "ethnische Säuberungen von historischem Ausmaß" hat Amnesty International das Vorgehen des IS im Nordirak bezeichnet.

Jungen und Männer wurden massakriert

Die Radikalen verfolgen systematisch nichtsunnitische und nichtarabische Minderheiten, von denen es seit Jahrhunderten viele im Nordirak gab - bis vor Kurzem: Jesiden, Turkmenen, Schabak, Mandäer, Chaldäer und andere Christen. Alle werden nun gejagt.

Der Bericht schildert grausame Szenen: Wahllos hat die Miliz in den eroberten Dörfern und Städten einzelne Männer abgeführt und erschossen. In zwei Dörfern, Kinije und Kocho, wurden offenbar fast alle Jungen und Männer, insgesamt bis zu 500 Menschen, exekutiert.

"Sie sind einen schrecklichen Tod gestorben", sagt Salem, ein Jeside, der das Massaker in Kocho verletzt überlebte und von einem sunnitischen Nachbarn gerettet wurde.

Die Männer und Jungen wurden gruppenweise mit Pick-ups zu einem Tal gebracht und dort aufgereiht und erschossen. Manche blieben noch stunden- und tagelang schwer verletzt liegen, bis sie starben. Auch Sunniten, die mit den irakischen Sicherheitskräften zusammengearbeitet haben sollen, wurden vom IS ermordet.

Mädchen und Frauen wurden zwangsverheiratet

Die Frauen und Kinder aus Kocho haben die Radikalen mitgenommen. Seitdem fehlt von ihnen jedes Lebenszeichen. Insgesamt sind laut Amnesty International Hunderte möglicherweise sogar Tausende in der Gewalt der Miliz.

Einige Mädchen und Frauen, die dem IS entkommen konnten, berichteten Amnesty, dass sie zwangsverheiratet werden sollten. Frauen, die sich weigerten, sollten verkauft werden.

Auch in Syrien gehen die Dschihadisten ähnlich vor. Nach der Einnahme des Militärflughafens von Tabka wurden über hundert syrische Soldaten von den Radikalen festgenommen und ermordet. Viele von ihnen waren Angehörige der alawitischen Minderheit. Noch immer sind knapp hundert alawitische Frauen und Kinder verschwunden, die im August 2013 aus ihren Dörfern an der syrischen Küste entführt wurden.

Gebiete unter unterschiedlicher Kontrolle in Syrien und dem Irak (Stand: 14. August)

Gebiete unter unterschiedlicher Kontrolle in Syrien und dem Irak (Stand: 14. August)

Foto: DER SPIEGEL
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