Mysteriöser Kämpfer im Irak Der Mann, der den IS "zermalmen" will

Abu Azrael wird im Irak gefeiert wie ein Popstar - weil er die Dschihadisten des "Islamischen Staats" erbarmungslos jagt. Seine Opfer hackt der Milizionär vor der Kamera in Stücke. Ist "Iraks Rambo" Teil einer Propagandakampagne?
Abu Azrael (Mitte) mit schiitischen Kämpfern: Meister der Inszenierung

Abu Azrael (Mitte) mit schiitischen Kämpfern: Meister der Inszenierung

Foto: W.G. DUNLOP/ AFP

Für Fotos posiert Abu Azrael gern mit T-Shirts, die seinen enormen Bizeps zur Geltung bringen. Der dichte Bart reicht bis zur Weste mit der Ersatzmunition. Martialisch inszeniert er sich mit Sturmgewehr, Axt oder Schwert in der Hand. Abu Azrael ist sein Kampfname, Vater von Azrael, dem Engel des Todes, der die Seelen der Sterbenden abholt. Man kennt ihn aber auch als "Iraks Rambo".

"Rambos" Gesicht ziert T-Shirts im Irak. Ebenso seine wohl bekannteste Kampfansage: "illa Tahin". Es ist eine Drohung, dass er seine Feinde zermalmen werde, bis nichts von ihnen übrig bleibt. Nur Staub. Seine Feinde - das sind die Dschihadisten des "Islamischen Staates" (IS).

Täglich gibt es Neues von Abu Azrael auf seiner Facebook-Seite. Auch im irakischen Fernsehen ist er Dauergast. Personenkult hat Tradition im Irak und seine Eigenwerbung kommt gut an. Manche Iraker sehnen sich nach einem Helden, den sie im Kampf gegen den IS bejubeln können. Wo "Rambo" auftaucht, drängen sich die Männer, um ein Selfie mit ihm zu ergattern.

Dabei ist kaum etwas über Abu Azrael bekannt, nicht einmal sein richtiger Name. Einmal behauptete er, Ayyoub Faleh al-Rubaie zu heißen, ein anderes Mal Ayyoub al-Zerjawi.

An Legenden mangelt es nicht: Über ihn wird verbreitet, er sei mal Taekwondo-Champion gewesen und habe an der Universität Islamwissenschaften gelehrt. Mal soll er als Kämpfer in der Miliz des berüchtigten Muqtada as-Sadr ausgebildet worden sein, mal von der libanesischen Hisbollah. Andere behaupten, er habe lange als Taxifahrer gearbeitet.

Er gehört einer Iran-nahen schiitischen Miliz an

Abu Azrael kommt das Rätselraten um seine Person sehr gelegen, er gibt sich gern geheimnisvoll. Aus Sicherheitsgründen könne er nicht viel verraten, heißt es. Nur so viel: Er sei ein liebevoller Familienvater und habe fünf Kinder. Er sei ein Patriot und liebe alle Iraker gleich welcher Konfession. Es gibt Fotos von ihm, da zeigt sich der Schiit in einer Kirche mit Bibel in der Hand - und schwört, diese zu beschützen. Abu Azrael und seine Medienberater beherrschen die Selbstdarstellung wie Hollywood-Profis.

Sicher ist: Der 37-Jährige gehört den Imam Ali Brigaden an, einer Miliz im Irak, die unter iranischem Einfluss steht. Abu Azrael ist ein schiitischer Dschihadist. Menschenrechtsorganisationen werfen der Miliz vor, im Kampf gegen den IS auch Zivilisten zu töten - weil sie Sunniten sind und damit in den Augen der Miliz mutmaßliche Terrorunterstützer. Iraks "Rambo" dagegen betont, er bestrafe nur diejenigen, die es verdienten.

Abu Azrael macht aber auch keinen Hehl daraus, dass er Gleiches mit Gleichem vergelten wolle, Grausamkeit mit Grausamkeit. In einem Ende August veröffentlichten Video verbrennt er einen mutmaßlichen IS-Kämpfer lebendig und schneidet ihn mit einem Schwert in Stücke. Dazu höhnt er: "Wir werden euch zerschneiden wie Schawarma!", Fleisch am Spieß.

Prompt schlug die Propagandaabteilung des IS zurück und veröffentlichte ein Video, in dem vier mutmaßlich schiitische Menschen an einer Stange über einem Feuer aufgehängt und lebendig verbrannt wurden. Grausamkeit folgt auf Grausamkeit.

Die Werbefigur soll einfache Schiiten anlocken

"Abu Azrael ist einer der wenigen Anführer, die namentlich bekannt sind", sagt Phillip Smyth, der an der Universität von Maryland über schiitische Milizen forscht. "Vieles spricht dafür, dass er Teil einer geplanten Propagandakampagne ist, welche die von Iran unterstützten Milizen im Irak als besonders mächtig darstellt. Zudem sollen so einfache Schiiten im Irak angesprochen werden, die wütend sind und gegenüber dem Erzfeind auf Rache sinnen."

Smyth glaubt, dass Abu Azrael absichtlich so ambivalent dargestellt wird: "Einmal posiert er in einer Kirche oder erhält eine Auszeichnung von geschätzten Klerikalen. Am nächsten Tag schneidet er Stücke von einer brennenden Leiche ab, als wäre es Schawarma." Die eigentliche Botschaft dahinter sei: Der von Iran unterstützte sogenannte Islamische Widerstand wird diejenigen schützen und schätzen, die ihm helfen. Aber jeden brutal vernichten, der sich ihnen in den Weg stellt.

Von Iran unterstützte schiitische Dschihadisten wie Abu Azrael gehören zu den wichtigsten Verbündeten der irakischen Regierung im Kampf gegen den IS. Ihr Einfluss in Bagdad wächst.

Gleichzeitig sind sie allerdings auch Bagdads größte Hypothek: Sie schrecken Iraks Sunniten ab, anstatt das Land zu einen. Denn für sunnitische Iraker wirken die brutalen Schiiten-Milizen mindestens genauso bedrohlich wie der "Islamische Staat".

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