Israel Außenminister Lieberman wegen Korruptionsverdachts verhört
Tel Aviv - Erst vor zwei Tagen hat er sein Amt angetreten, schon jetzt könnten für Israels Außenminister Avigdor Lieberman schwere Zeiten anbrechen: Der Ultranationalist wurde am Donnerstag sieben Stunden lang von der Polizei verhört. Ihm werden Korruption, Betrug, Geldwäsche und Untreue vorgeworfen.
Er soll umgerechnet mehrere Millionen Euro von ausländischen Geschäftsleuten entgegengenommen haben. Damit soll er Ende der neunziger Jahre Wahlkämpfe für seine Partei "Unser Haus Israel" finanziert haben. Weitere Gelder sollen über den Umweg der Firma seiner Tochter Michal in Liebermans Taschen geflossen sein.
Die ersten Ermittlungen gegen Lieberman, der als junger Mann aus Moldawien nach Israel einwanderte, wurden bereits vor 13 Jahren angestrengt. Sie verliefen sich im Sande. Erst, als sich zum Jahresbeginn abzeichnete, dass Liebermans Partei bei den anstehenden Wahlen zur Knesset gut abschneiden werde, kam wieder Bewegung in den Fall. Neues Beweismaterial sei aufgetaucht, dies habe Ermittlungen nach langer Ruhepause erneut angeschoben, gab die israelische Polizei an. Trotzdem mehrten sich mit andauernden Recherchen der Beamten die Stimmen, die mutmaßten, die Nachforschungen dienten allein dazu, den aussichtsreichen Kandidaten für einen Knesset-Posten im Vorfeld der Wahlen zu schädigen.
Aus Polizeikreisen hieß es, weitere Befragungen seien wahrscheinlich. Die Ermittlungen könnten innerhalb von zwei Monaten abgeschlossen werden. Lieberman hat Einspruch gegen die laufende Untersuchung eingelegt, weil sie sich ohne jeden Grund in die Länge ziehe. Das Oberste Gericht hatte den Behörden Mitte März 60 Tage eingeräumt, um ihre Ermittlungen zu Ende zu führen. Das Büro von Polizeisprecher Micky Rosenfeld teilte am Donnerstag mit, Lieberman habe sich im Verhör kooperativ gezeigt und die Fragen der Ermittler beantwortet.
Die Rechtslage ist eindeutig: Wird von der Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen Minister der israelischen Regierung erhoben, muss dieser sein Amt abgeben. So entschied das höchste israelische Gericht in den neunziger Jahren, das Urteil gilt noch immer. Lieberman sitzt demnach auf einem wackligen Stuhl. Sollte sich der Verdacht erhärten, er habe Bestechungsgelder kassiert, Geld gewaschen und betrogen, könnte seine Karriere im israelischen Kabinett sehr schnell vorbei sein. Auch die Regierung Benjamin Netanjahus könnte dann kippen: Ein möglicher Streit um einen neuen Kandidaten für das Amt des Außenministers gilt als Sollbruchstelle der Koalition.
Noch vor der Vereidigung der Regierung hatte es zwischen Netanjahus Likud und "Unser Haus Israel"-Vertretern heftigen Streit darum gegeben, welche Partei in diesem Fall den neuen Außenminister stellen dürfe. Funktionäre des Likud forderten, der Posten müsse an die Partei des Ministerpräsidenten, sollte Lieberman aus dem Amt scheiden müssen. Die Parteiobersten von "Unser Haus Israel" schossen scharf zurück: In diesem Fall würden ihre Abgeordneten aus der Koalition ausscheren und in die Opposition wechseln - ein Manöver, das die Regierung kaum überleben würde.
Liebermans Partei gewann bei den Wahlen 15 Sitze. Nachdem sich abzeichnete, dass sie damit in der neuen Regierung unter Netanjahu zweitstärkste Kraft werden würde, begann in Israel eine aufgeregte Debatte um Liebermans Vergangenheit. Die einen forderten, Lieberman dürfe angesichts des Verdachts gegen ihn nicht Außenminister werden, andere gingen noch weiter: "Unser Haus Israel" dürfe kein Ministerium im Sicherheitssektor bekommen, weil der Parteichef damit indirekt Einfluss auf die Ermittlungen gegen ihn nehmen könne, forderten Liebermans Gegner. Auch sie konnten sich nicht durchsetzen: Ein Parteifreund Liebermans ist seit Dienstag Minister für innere Sicherheit - und damit Chef der israelischen Polizei.