Streit über Nationalstaatsgesetz Israels Präsident stellt sich gegen Premier Netanyahu

Reuven Rivlin und Benjamin Netanyahu sind eigentlich Parteifreunde. Doch nun streiten Israels Präsident und Premierminister öffentlich darüber, was wichtiger ist: der jüdische Charakter des Landes oder die Demokratie?
Präsident Rivlin: "Lang lebe die israelische Demokratie"

Präsident Rivlin: "Lang lebe die israelische Demokratie"

Foto: GALI TIBBON/ AFP

Jerusalem - Die Regierung von Benjamin Netanyahu möchte in der kommenden Woche der Knesset ein Gesetz vorlegen, das Israel als Nationalstaat ausschließlich des jüdischen Volkes definiert und ohne Verweis auf die Gleichberechtigung der arabischen Minderheit auskommt. Staatspräsident Reuven Rivlin hat diese Pläne nun scharf kritisiert.

"Die Verfasser der Unabhängigkeitserklärung haben in großer Weisheit darauf bestanden, dass sich die arabische Gemeinschaft in Israel nicht so fühlen muss wie die Juden im Exil", sagte Rivlin in einer Rede in Eilat. Die Unabhängigkeitserklärung von 1948 habe zwar die Gründung eines jüdischen Staates verkündet, habe aber gleichzeitig Demokratie und "völlige Gleichheit" aller Bürger versprochen", sagte der Präsident.

Der Knesset liegen bisher zwei Gesetzentwürfe vor, die von einer Mehrheit des Kabinetts nach hitziger Debatte gebilligt wurden. Die Vorlagen sehen vor, den jüdischen Grundlagen Israels mehr Gewicht beizumessen als demokratischen Prinzipien. Die liberalen und säkularen Parteien von Justizministerin Tzipi Livni und Finanzminister Yair Lapid lehnen dies strikt ab und drohen mit Koalitionsbruch.

"Judentum und Demokratie sind unauflösbar verknüpft"

Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat einen eigenen Entwurf angekündigt, der bislang aber nur in Grundzügen bekannt ist. Da er bei den Abstimmungen in diesem Gesetzgebungsverfahren Koalitionsdisziplin angeordnet hat, droht ein Auseinanderbrechen der Regierung. Ein erstes Parlamentsvotum wurde deshalb auf kommenden Mittwoch vertagt.

Staatsoberhaupt Rivlin, der wie Netanyahu dem Likud angehört, hat jetzt klar Position bezogen: "Judentum und Demokratie sind unauflösbar verknüpft die beiden festen Fundamente unseres Staates. Wird eines entfernt, bricht das ganze Gebäude zusammen", sagte Rivlin. Bereits kurz nach seiner Wahl im Juni hatte der Präsident seine erste Rede im Amt mit den Worten geschlossen: "Lang lebe die israelische Demokratie".

Vertreter der arabischen Minderheit, die etwa 20 Prozent der Bürger stellt, haben die Gesetzentwürfe der Regierung als rassistisch verurteilt. Die innenpolitische Lage in Israel ist seit Wochen sehr angespannt. Nach einer Serie von Attentaten gegen Juden in Jerusalem und anderen Orten haben auch die Angriffe auf die arabische Minderheit weiter zugenommen.

syd/AFP/Reuters
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