
Fotostrecke: Rechtsradikale in Israel
Teenager-Morde in Israel "Der rassistische Krebs zwischen uns"
Tel Aviv/Berlin - Ein politisches Erdbeben hat Israel heimgesucht: Erst wurden die Leichen der drei entführten jüdischen Teenager gefunden. Dann folgten antiarabische Ausschreitungen, die viele Israelis schockierten. Wütende Demonstranten zogen "Tod allen Arabern" grölend durch Jerusalem. Sie griffen Passanten an, die sie für Araber hielten. Ein palästinensischer Junge wurde ermordet; hinter der Tat werden radikalreligiöse Israelis vermutet.
Auf einer neuen Facebook-Seite feierten manche Israelis den Mord an dem Jungen mit antipalästinensischen Hasstiraden wie: "Bringt sie alle um, ich hoffe, das war nur der Anfang." Andere posierten in Uniform der israelischen Armee unter Parolen wie: "Das Volk Israel verlangt Rache." Das Land ist gespalten über die Frage, wie auf die Morde reagiert werden soll. Einige empfehlen Besonnenheit, andere erhoffen den nächsten Gaza-Krieg.
Bestätigen die Ermittler, dass der Mord ein Racheakt israelischer Radikaler war, wäre dies ein weiterer Schock für Israels Selbstverständnis. Schließlich wurde das Land 1948 unter dem Eindruck des Holocaust gegründet.
"Es gibt einen jüdischen Dschihad"
Verunsichert fragt sich Israel: Sind wir zu Rassisten geworden? Wie groß ist der Teil der Bevölkerung, der Palästinenser für Menschen zweiter Klasse hält?
"Die Sorge ist da, dass ein rassistischer rechtsextremer Krebs zwischen uns nistet", schreibt Ben-Dror Yemini in der Tageszeitung "Jediot Acharonot". "Wir sollten uns erinnern, dass es am extremsten Rand des Randes einen jüdischen Dschihad gibt." Diesen gelte es zu bekämpfen genauso wie den zahlenmäßig bedeutenderen "muslimischen Dschihad".
"Der Mob war kein Ausreißer"
"Das Problem ist, dass die Ansichten rechter Siedler zum legitimen Teil der Regierung geworden sind", schreibt Uri Misgav in der Tageszeitung "Haaretz". "Israel hat sein Schicksal einer messianischen Bewegung anvertraut, die darauf aus ist, die Vernichtung des Staates sicherzustellen."
Mehrere Minister in Benjamin Netanjahus Koalitionsregierung hofieren die extrem rechte Wählerschaft. Sie haben bereits gefordert, eine neue Siedlung zu bauen - zum Gedenken an die drei ermordeten jüdischen Jugendlichen. Der radikalste Teil der Siedler glaubt, dass Gott das Westjordanland für die Juden bestimmt hat. Sie halten wenig vom Völkerrecht, das dort den Staat der Palästinenser sieht. Gesetze seien schließlich nur von Menschen gemacht.
"Der Mob der jüdischen Rabauken, die Menschenjagd auf Araber machten, war kein Ausreißer", schreibt Chemi Shalev in der "Haaretz". "Ihr entfachter Hass existiert nicht in einem Vakuum. Er ist anhaltend präsent und ergreift immer größere Teile der israelischen Gesellschaft. Er gedeiht in einem Klima der Feindseligkeit, Engstirnigkeit und des Opferrollen-Denkens, das Politiker und politische Kommentatoren kultivieren."
"Blut ist Blut, und Mord ist Mord"
Justizministerin Zipi Livni hat jetzt juristische Schritte angekündigt: "Wir müssen anfangen, dieser Hetzerei in den sozialen Netzwerken entgegenzuwirken", sagte Livni dem israelischen Militärradio. Soldaten, die sich mit Waffen für das Internet fotografieren ließen und dabei den Tod von Arabern fordern, sollen "dafür bestraft werden".
Rund tausend Israelis demonstrierten am Mittwochabend in Jerusalem. Sie versammelten sich dort, wo am Abend zuvor ein rechter Mob drei arabische Jungen angegriffen hatte. Sie wollten ein Zeichen setzen gegen Rassismus. An der Demonstration nahm auch Oppositionsführer Isaac Herzog von der sozialdemokratischen Arbeitspartei teil.
Am Mittwoch gab die Familie des ermordeten israelischen Teenagers Naftali Fraenkel eine Presseerklärung heraus. Sollten die Ermittler feststellen, dass rechte Israelis für den Mord an dem palästinensischen Jungen verantwortlich seien, wäre dies furchtbar. Für eine solche Tat gäbe es keinerlei Rechtfertigung - "Blut ist Blut, Mord ist Mord."