Comeback von Politveteran Barak Netanyahus Angstgegner

Ehud Barak ist zurück: Der 77-jährige Ex-Premier hat eine Partei gegründet, mit der er Amtsinhaber Benjamin Netanyahu stürzen will. Eine Enkelin von Jitzchak Rabin unterstützt ihn dabei.
Ehud Barak fordert Israels Premier Benjamin Netanyahu heraus

Ehud Barak fordert Israels Premier Benjamin Netanyahu heraus

Foto: CORINNA KERN/ REUTERS

Sechs Jahre lang hat Ehud Barak das Leben als Politikrentner ausgehalten. Der passionierte Pianist ist wohl seinen Hobbys nachgegangen, hat teure und antike Uhren gesammelt, sie auseinandergebaut, wieder zusammengesetzt - und als Vorsitzender einer Cannabis-Firma gearbeitet, Monatsgehalt: 10.000 Dollar.

Ausgelastet war Barak damit offenbar nicht. Vor wenigen Tagen hat er eine eigene Partei gegründet, Israels Demokratische Partei. Sein Ziel: Bei den Neuwahlen am 17. September will Barak "das korrupte und messianische Netanyahu-Regime vom Thron stoßen", so hat er es zumindest öffentlich angekündigt.

Die Aggressivität des energiegeladenen 77-Jährigen ist es, die ihn zu Netanyahus Angstgegner macht. Bislang war der konservative Premier seinen politischen Gegnern in der analogen und digitalen Welt weit überlegen - trotz seiner zahlreichen Skandale und der gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe. Niemand in Israel kann Wahlkampf besser als Benjamin Netanyahu. Außer Ehud Barak.

"Nach Netanyahus Abgang werden wir uns mit allen zusammensetzen"

Er hat Netanyahu die wohl schmerzlichste Niederlage seiner politischen Laufbahn zugefügt: 1999, bei der Direktwahl zum Ministerpräsidenten, besiegte Barak als damaliger Chef der Arbeitspartei Amtsinhaber Netanyahu deutlich mit 56 zu 44 Prozent der Stimmen.

Ein ähnliches Szenario ist nun, zwanzig Jahre später, nicht zu erwarten. Dafür ist Netanyahu bei den Wählern zu beliebt - und Barak, der schon Premier, Verteidigungs- und Außenminister war, nicht.

Einer Umfrage des TV-Senders Kanal 13 zufolge käme er gegenwärtig nur auf sechs Prozent der Stimmen. Aber: Barak, der höchstdekorierte Soldat in der Geschichte Israels, könnte es schaffen, nach der Wahl mit den zahlreichen Parteien in der Mitte und links davon ein Anti-Netanyahu-Bündnis zu schmieden.

"Nach Netanyahus Abgang werden wir uns mit allen zusammensetzen, die unsere Prinzipien teilen: einen jüdischen, zionistischen und demokratischen Staat", kündigte Barak an, der für eine Zweistaatenlösung im Konflikt mit den Palästinensern ist. Anders als Netanyahu, dessen Politik auf eine teilweise oder vollständige Annexion des Westjordanlands hinausläuft:

  • Danach wäre Israel entweder nicht mehr jüdisch und zionistisch, da die Araber mittelfristig die Mehrheit der Bevölkerung stellen würden.
  • Oder Israel wäre nicht mehr demokratisch, da der Staat die arabischen Muslime und Christen zu Bürgern zweiter Klasse degradieren müsste, um seine jüdische Identität zu sichern - so das Schreckensbild, das Barak entwirft.

Rabin-Enkelin tritt in Barak-Partei ein

Um Netanyahu zu stürzen, wird er vor allem Benny Gantz benötigen. Er hatte ihn 2011, in seiner Zeit als Verteidigungsminister unter Netanyahu, zum Generalstabschef ernannt. Mittlerweile ist Gantz Politiker. Als Chef des Zentrumsbündnisses "Blau-Weiß" holte er Anfang April bei den Wahlen 35 Parlamentssitze - genauso viele wie Netanyahu.

Ehud Barak, Benny Gantz und Benjamin Netanyahu kämpfen um die politische Führung Israels

Ehud Barak, Benny Gantz und Benjamin Netanyahu kämpfen um die politische Führung Israels

Foto: REUTERS/Ronen Zvulun

Im Frühjahr konnte Gantz den amtierenden Premier auch deshalb nicht besiegen, weil seine Partei nicht rechts genug für unentschlossene Wechselwähler war. Nun könnte sich das ändern. Die Rechnung dahinter funktioniert so:

  • Die altehrwürdige Arbeiterpartei unter ihrem neuen Vorsitzenden Amir Peretz und die weiter links stehende Meretz, die seit Kurzem von Nitzan Horowitz geführt wird, einem offen homosexuellen Politiker, könnten Barak unterstützen oder sogar eine gemeinsame Wahlliste mit ihm bilden.
  • In der Folge könnten Gantz und die übrigen Ex-Militärs in der "Blau-Weiß"-Partei Netanyahu-Wähler für sich gewinnen, indem sie inhaltlich weiter nach rechts rücken. Einer von ihnen, Ex-Generalstabschef Gabi Aschkenazi, erklärte bereits öffentlich, er schließe eine Koalition mit Barak nicht aus.

Der baut bei seinem politischen Comeback auch auf eine Seiteneinsteigerin mit Promi-Status: Noa Rothman. Sie ist die Enkelin des 1995 ermordeten Premiers Jitzchak Rabin. Bei der Trauerfeier rührte die damals 18-Jährige nicht nur Israel, sondern die ganze Welt zu Tränen, als sie ihren Nachruf auf ihren Großvater vortrug.

"Ich kenne den Preis von Hass und Hetze aus nächster Nähe"

"Wir dürfen die Radikalisierung der israelischen Gesellschaft nicht akzeptieren", sagt sie heute. Rabins Familie hatte Netanyahu damals nicht zur Beisetzung des Toten eingeladen. Sie hatte - wie viele Israelis - seine rhetorischen Attacken auf Rabin für das Attentat des national-religiösen Terroristen Yigal Amir mitverantwortlich gemacht. "Ich kenne den Preis von Hass und Hetze aus nächster Nähe", sagt Noa Rothman.

Auch Barak und Netanyahu verbindet eine komplizierte Beziehung. Sie kennen sich bereits seit den Siebzigerjahren. Damals diente der junge Netanyahu in Israels bekanntester Spezialeinheit "Sajeret Matkal". Barak war Leiter dieser Elitetruppe mit dem Motto: "Wer wagt, gewinnt". Nun kämpfen sie wieder - aber gegeneinander.

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