Israel Meisterspion Rafi Eitan ist tot

Rafi Eitan
Foto: BAZ RATNER/ APIm Mai 1960 stand Rafi Eitan vor einer schweren Entscheidung: Zusammen mit einem Team von Mossad-Agenten hatte sich der Spion darauf vorbereitet, den Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann in dessen Fluchtort in Argentinien festzunehmen. Doch der Geheimdienst erhielt kurz vor der "Operation Finale" den Hinweis, dass sich auch der ehemalige KZ-Arzt Josef Mengele in Buenos Aires aufhielt. Was tun? Beide verhaften? Es gab zu jener Zeit kein Auslieferungsabkommen mit Argentinien, sodass die Deutschen, wenn die Aktion gelänge, heimlich außer Landes nach Israel verbracht werden mussten.
Eitan entschied sich, beim ursprünglichen Plan zu bleiben: "Wir waren nur elf Leute und hatten alle Hände voll mit Eichmann zu tun. Als wir Eichmann in das Haus gebracht hatten, in dem wir ihn bis zum Abflug versteckt hielten, rief mich Mossad-Chef Isser Harel an. Er wollte, dass wir auch Mengele festnehmen, aber der war inzwischen verreist. Wir sollten auf seine Rückkehr warten und ihn im selben Flugzeug wie Eichmann nach Israel bringen. Ich weigerte mich, ich wollte die Eichmann-Operation nicht gefährden", erzählte er 2008 dem SPIEGEL .
Jüdischen Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland geholfen
"Operation Finale" machte Eitan, 1926 im Kibbuz En Charod geboren, zu einer lebenden Legende. Nach übereinstimmenden Berichten der israelischen Zeitungen "Haaretz" und "Jerusalem Post" ist Eitan am Samstagvormittag verstorben. Er wurde 92 Jahre alt.
Schon mit zwölf Jahren trat Eitan der prä-israelischen, zionistischen Untergrundorganisation Haganah bei, nach dem Abitur dann deren Einsatz- und Ausbildungstruppe, dem paramilitärischen Palmach. Im Zweiten Weltkrieg beteiligte er sich an Geheimoperationen, um jüdischen Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland zur damals illegalen Einreise ins britische Protektorat Palästina zu verhelfen. Im Unabhängigkeitskrieg diente er im Geheimdienst der Armee, später im neu gegründeten Mossad, dann als Einsatzchef beim israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Bet.
Netanyahu: "Held des israelischen Geheimdiensts"
1978 wurde Eitan zum Terrorismus-Berater für Ministerpräsident Menachem Begin ernannt, 1981 war er an der Planung zur geheimen Zerstörung des irakischen Atomreaktors Osirak beteiligt. Im Skandal um den für Israel spionierenden US-Analysten Jonathan Pollard, für den Eitan als Leiter des "Büros für wissenschaftliche Verbindungen" verantwortlich war, trat er von seinen Geheimdienstämtern zurück und wurde Geschäftsmann. Zunächst wurde er Mitte der Achtzigerjahre Chef des Staatsunternehmens Israel Chemicals Ltd., was in der Öffentlichkeit mit Argwohn aufgenommen wurde. In den Neunzigern gründete er zahlreiche Bau- und Agrarunternehmungen auf Kuba.
Spät im Leben, 2006, kehrte Eitan noch einmal in die Politik zurück, als er als Vorsitzender der Gil Pensionärspartei in die Knesset gewählt wurde. Im Kabinett Ehud Olmerts war er bis 2009 Minister für Rentner. Zuletzt machte Eitan international auf sich aufmerksam, als er im Februar 2018 bei einer Veranstaltung der AfD zu Antisemitismus eine Videobotschaft sendete, in der er forderte, die "muslimische Masseneinwanderung" nach Europa zu stoppen. Nach heftiger Kritik, unter anderem durch den israelischen Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, bezeichnete Eitan seine Botschaft als Fehler.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu nannte Rafi Eitan am Samstag "einen Helden des israelischen Geheimdiensts". Er bezeichnete Eitan als engen Freund seiner Familie. "Niemand konnte es mit seiner Intelligenz, seinem Witz und seiner endlosen Hingabe an das Volk Israels und unser Land aufnehmen."
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Textes war zu lesen, dass der Palmach die Nachfolgeorganisation der Haganah gewesen sei. Es war aber ein Teil der paramilitärischen Untergrundorganisation. Außerdem haben wir die Stelle präzisiert, die Rafi Eitans Mandatszeit in der Knesset beschreibt.