Gasfeld im Mittelmeer Ein Milliardenschatz zwingt Israel und Libanon zum Reden

Seit 70 Jahren sind der Libanon und Israel im Kriegszustand. Nun wollen beide Länder zumindest den Verlauf ihrer Grenze im Mittelmeer klären - um dann ein gewaltiges Gasfeld auszubeuten.
Gasfeld vor der israelischen Küste: Der Libanon will bei der Förderung im Mittelmeer nachziehen

Gasfeld vor der israelischen Küste: Der Libanon will bei der Förderung im Mittelmeer nachziehen

Foto: AP Photo/Marc Israel Sellem

Tachtouch ist ein kleiner Affe, der zur Gattung der Grünen Meerkatzen gehört. Vor wenigen Tagen hat er einen verbotenen Ausflug gemacht: Der Primat lebt eigentlich bei einer französischen Nonne im Libanon, unweit der israelischen Grenze. Die beiden Länder befinden sich seit sieben Jahrzehnten offiziell im Krieg. Tachtouch interessierte das nicht.

Er büxte aus, überquerte illegal die streng bewachte Grenze und lebte mehr als eine Woche im Norden des Feindstaates Israel. Nun wurde das Tier gefunden und mithilfe der Unifil-Blauhelme im Südlibanon seiner Besitzerin wieder übergeben. Die Jagd nach dem Affen sorgte beiderseits der Grenzen für große Heiterkeit.

Affe Tachtouch nach seiner Rückkehr in den Libanon

Affe Tachtouch nach seiner Rückkehr in den Libanon

Foto: MAHMOUD ZAYYAT/ AFP

Dabei ist die Lage an seiner nördlichen Grenze für Israel gar nicht zum Lachen. Seit dem Abzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon vor 19 Jahren hat sich das Gebiet mehr und mehr zum Aufmarschgebiet der von Iran finanzierten und ausgerüsteten Hisbollah entwickelt. Zwar ist die Grenzregion seit dem Zweiten Libanonkrieg 2006 weitgehend ruhig, doch die Regierung in Jerusalem ist fest davon überzeugt, dass der nächste Krieg nur eine Frage der Zeit ist.

Ein seltener Erfolg für die US-Diplomatie unter Trump

Erst im Mai hatte die israelische Armee nach eigenen Angaben den größten Tunnel im Grenzgebiet zerstört, den die Hisbollah bisher gegraben haben soll. Die libanesische Schiiten-Miliz hat den Tunnel offenbar für Angriffe auf Israel gebaut, rund 80 Meter unter dem Boden, mit Belüftungs- und Kommunikationssystem.

Hisbollah-Tunnel unter der israelisch-libanesischen Grenze

Hisbollah-Tunnel unter der israelisch-libanesischen Grenze

Foto: Sebastian Scheiner/ AP

Genau in diese Phase hinein platzt ein ungewöhnliches Zeichen der Entspannung. Noch in diesem Monat wollen sich Vertreter aus Israel und dem Libanon treffen, um den Verlauf ihrer Seegrenze im Mittelmeer festzulegen. Das Gespräch soll im Libanon auf dem Stützpunkt der Unifil-Mission in Naqoura stattfinden, direkt an der Grenze zu Israel.

Dass es dieses Gespräch überhaupt gibt, ist ein seltener diplomatischer Erfolg für die Regierung von Donald Trump. David Satterfield, Unterabteilungsleiter im US-Außenministerium und zuständig für den Nahen Osten, hat das Treffen nach monatelanger Pendeldiplomatie arrangiert.

Eine international anerkannte Grenze zwischen den beiden Feindstaaten Libanon und Israel gibt es bis heute nicht - obwohl Israel bereits 1948 gegründet wurde. Nun wollen beide Seiten zumindest im Mittelmeer einen Anfang machen. Und das hat einen guten Grund.

Israel will zur Energie-Supermacht werden

Tief unter dem Mittelmeer ruht nämlich ein großes Gasfeld. Experten gehen davon aus, dass sich aus den Vorkommen in den nächsten Jahren rund 600 Milliarden US-Dollar erlösen lassen. Im Rennen um diesen Milliardenschatz hat derzeit Israel die Nase vorn.

  • 80 Kilometer von der Hafenstadt Haifa entfernt liegt das Feld "Tamar" mit geschätzten Reserven von rund 280 Milliarden Kubikmetern; dort wird bereits Gas gefördert.
  • Hinzu kommt das "Leviathan"-Gasfeld, das mehr als doppelt so groß ist und noch erschlossen wird.

Israel liefert bereits Gas an Jordanien, mit Ägypten wurde ein Lieferabkommen unterzeichnet - und der russische Staatskonzern Gazprom soll künftig Konzessionen erhalten. Der jüdische Staat will so zur Supermacht auf dem Energiesektor werden - ein lang gehegter Traum des ölarmen Landes. Bereits in den Siebzigerjahren monierte der damalige Premier Jitzchak Rabin in einem SPIEGEL-Gespräch  scherzhaft die geografische Lage seines Landes mit den Worten: "Dem alten Moses haben wir nur eines vorzuwerfen: 40 Jahre hat er uns durch die Wüste geschleppt, um uns schließlich im einzigen Nahost-Staat anzusiedeln, der keinen Tropfen Öl birgt."

Foto: SPIEGEL ONLINE

Der Libanon steht, was Öl und Gas angeht, noch schlechter dar. Aber noch in diesem Jahr will die Regierung in Beirut mit der Offshore-Bohrung beginnen. Beirut hat die Gasfelder vor seiner Küste in zehn Blöcke aufgeteilt, zwei davon sind bereits vergeben an ein französisch-italienisch-russisches Konsortium.

Ausgerechnet die Hisbollah könnte am Ende profitieren

In einem dieser Blöcke, Block neun, liegt das rund 860 Quadratkilometer große Dreieck, das zwischen Israel und dem Libanon umstritten ist. Der französische Ölriese Total will im nächsten Jahr anfangen, in Block neun nach Gas zu bohren. Man werde aber zunächst in einem Gebiet arbeiten, das weit außerhalb des umstrittenen Bereichs liege, teilte das Unternehmen mit.

Geht es nach Israel, ist der Konflikt bis dahin ohnehin gelöst: Jerusalem fordert eine Deadline von sechs Monaten, innerhalb derer die Verhandlungen beendet werden müssten. Beirut plädiert für Gespräche ohne Ultimatum.

Doch viel Zeit hat Ministerpräsident Saad Hariri auch nicht. Die Wirtschaft seines Landes schwächelt seit Jahren, hinzu muss der Libanon Hunderttausende syrische Flüchtlinge versorgen. In dieser Situation braucht Beirut die Gaseinnahmen eher heute als morgen.

Was eine Einigung erschweren könnte: Zumindest indirekt wird auch die Hisbollah, die mit zwei Ministern in der libanesischen Regierung vertreten ist, von den Gaseinnahmen profitieren. Weil Iran unter den US-Sanktionen ächzt, hat Teheran seinen Geldstrom an die Miliz gedrosselt. Umso willkommener wäre da eine Beteiligung an den Gasexporten.

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels war die Angabe "Milliarden" beim geschätzten Volumen des Gasfelds "Tamar" entfallen. Sie wurde nachträglich ergänzt (280 Milliarden Kubikmeter).

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