Neuwahlen in Israel Die Netanyahu-Dämmerung?

Benjamin Netanyahu: Regierungsbildung misslungen
Foto: Gali Tibbon/ AFP/ AP/ DPABis zur letzten Minute hatte Benjamin Netanyahu noch gehofft, eine Regierungskoalition bilden zu können. Selbst bei der von ihm im Wahlkampf geschmähten Arbeiterpartei klopfte er zuletzt noch an. Doch dann musste Netanyahu kurz vor Mitternacht seinen Plan B umsetzen: Neuwahlen. Denn hätte die Knesset sich nicht selbst aufgelöst, hätte Israels Präsident Reuven Rivlin um Mitternacht Netanyahus Herausforderer Benny Gantz mit der Regierungsbildung beauftragen können. Und das wollte Netanyahu verhindern.
Also werden die Israelis am 17. September schon wieder wählen, nur gut fünf Monate nach der letzten Knessetwahl. Bis dahin bleibt Netanyahu Premierminister. Möglicherweise gewinnt er auch die nächste Wahl, doch trotzdem sehen in Israel manche schon das Ende seiner Ära nahen.
Avigdor Lieberman, Chef der rechten säkularen Partei "Unser Haus Israel", verhinderte die Bildung einer Regierungskoalition unter Netanyahu. Hintergrund ist der Streit über ein Gesetz zur Wehrpflicht. Liebermann beharrte bis zuletzt darauf, dass künftig alle jungen jüdischen Männer zum Wehrdienst eingezogen werden, also auch die Ultraorthodoxen. Doch dagegen stemmten sich die ultraorthodoxen Parteien, auf deren Unterstützung Netanyahu ebenfalls angewiesen ist.
Lieberman ist bekannt für seinen politischen Instinkt. Einst war er als loyaler Unterstützer Netanyahus aufgestiegen zu dessen Büroleiter im Premierministeramt, doch dann kündigte er im November 1997 den Job und gründete seine eigene Partei. Die folgende Wahl verlor Netanyahu. Entsprechend glauben manche, dass Lieberman wieder richtig liegen könnte und Netanyahu, ein politisches Stehauf-Männchen, dieses Mal am Ende das Nachsehen hat.
Netanyahus Gesetzespläne auf Eis gelegt
Netanyahu hatte die Wahl um rund sechs Monate auf den April vorgezogen, um gegen ihn laufenden Ermittlungen in drei Fällen, wegen Bestechlichkeit, Betrug und Vertrauensmissbrauch, zuvorzukommen. Die Knesset kann jetzt allerdings bis September keine größeren Gesetze mehr verabschieden - das heißt, Netanyahus Pläne, ein Immunitätsgesetz zu verabschieden und ein Gesetz, das es dem Parlament ermöglicht, die Macht des obersten Gerichtshofs zu begrenzen, liegen auf Eis. Mit den neuen Gesetzen hätte Netanyahu sich dem Zugriff der Justiz entziehen können.
Der Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit hatte Netanyahus erste Anhörung auf dessen Wunsch vom 10. Juli auf den 2. Oktober verschoben. Durch die Neuwahl läuft dem Premierminister die Zeit nun dennoch davon: Je nach Wahlausgang wird Anfang Oktober vielleicht noch immer keine neue Regierung stehen. Und nach der Anhörung wird der Generalstaatsanwalt entscheiden, ob er Anklage gegen Netanyahu erhebt.