Israels Außenministerin Livni Sauberfrau mit Krallen
Beirut - Sie war sich ihrer Sache sicher. "Ich habe alle Qualifikationen, Premierministerin zu sein. Ich bin bereit, auf den Prüfstand gestellt zu werden. Sei es, was ich sage, sei es, was ich getan habe." Es ist drei Tage her, dass die israelische Außenministerin Zipi Livni diese selbstbewussten Worte sagte nun scheint ihr Wunsch nah wie nie zuvor. Kann sie sich im Rennen um den Vorsitz ihrer Kadima-Partei durchsetzen, hat sie gute Chancen, Israels nächste Regierungschefin zu werden. Beobachter trauen ihr zu, die dafür notwendige Koalition im Parlament schmieden zu können.
Auch wenn ihr das Amt nicht vom Volk, sondern von der eigenen Partei zugestanden werden sollte: Livni genießt hohes Ansehen in Israel, viele wären mit ihr als Landesmutter zufrieden. Die 50-Jährige gilt als diskret, meidet Feierlichkeiten und Auftritte, wenn sie nicht politisch sind. Über ihr Privatleben ist wenig bekannt. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder, gilt als distanziert und ein wenig unterkühlt - was im Kontrast zu ihrer ausdrucksvollen Körpersprache steht.
"Sie gefällt den Israelis, weil sie wenig von ihr wissen", witzelte Herb Keinon von der "Jerusalem Post" kürzlich. Eines wissen die Israelis jedoch: Livni kann die Krallen ausfahren. Ihre Ansage, sie sei bestens qualifiziert für den höchsten Posten in der Regierung, war ein Seitenhieb auf ihren Mitbewerber Schaul Mofaz. Der hatte jüngst angedeutet, sie "als Frau" habe nicht das Zeug dazu, Israel zu lenken. "Purer Sexismus", gab Livni zurück und verwies auf ihr großes Vorbild Golda Meir. Die Grande Dame der israelischen Politik hatte Israel durch die Stürme der Gründerjahre gelotst erst als Außenministerin, später im Amt der Premierministerin.
"Sauberfrau" der israelischen Politik
Die gelernte Anwältin Livni ist auch deshalb so populär, weil sie integer ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Politikern gab es bei ihr nie auch nur die Spur eines Skandals. Das macht sie zur "Sauberfrau" in der israelischen Politik - und zur Hoffnungsträgerin einer bevölkerung, die im vergangenen Jahrzehnt die Demontage ihrer Politikerkaste erleben musste. Israels Führer stolperten einer nach dem anderen über ihre Verfehlungen. Meist ging es um persönliche Bereicherung, Vetternwirtschaft oder sexuelle Nötigung. Viele der angeschlagenen Politiker wanden sich durch juristische Kniffe aus Prozessen und Anschuldigungen heraus. Die Frustration in der Bevölkerung wuchs. Nicht nur, dass führende Persönlichkeiten logen und betrogen - die meisten kamen auch noch straffrei davon.
Der Hoffnung beraubt, Flecken auf Livnis weißer Weste zu finden, suchen ihre Gegner nach anderer Munition im Kampf um die Macht. Sie verweisen auf Livnis mangelnde politische Erfahrung. Erst 1999 wurde sie für die konservative Likud-Partei in die Knesset gewählt ihre Rivalen können oftmals auf mehrere Jahrzehnte in der Politik verweisen. Livni versucht, das Manko auszugleichen, indem sie ihre rechtsgerichtete, zionistische Erziehung hochhält.
Ihr Vater kämpfte in der "Irgun", einer militanten Zionistenorganisation, die vor der Gründung des Staates Israel Terroranschläge auf Palästinenser und britische Beamte verübte. Männer und Frauen aus dem Umfeld des Irgun waren es, die später die Likud-Partei gründeten. Noch heute erinnere sie sich an die Kampfgesänge, mit denen sie aufgewachsen sei, sagte Livni kürzlich in einem Interview. Auf die Grabplatte ihres Vaters haben seine Kinder auf dessen Wunsch hin ein Gewehr, ein Bajonett und eine Inschrift meißeln lassen: "Nur auf diese Weise." Der Stein zeigt die Umrisse des biblischen Israel mit dem heutigen Königreich Jordanien.
Vergangenheit als Agentin
In ihrem zweijährigen Wehrdienst brachte Livni es bis zum Leutnant, ihre wahre Karriere als Kämpferin für ihr Land begann jedoch erst danach. Schon lange munkelte man in Israel, die Außenministerin habe sich schon früh für das Ausland interessiert: Als Mossad-Agentin sei sie auf Missionen außerhalb Israels unterwegs gewesen. Dort habe sie gesuchte Palästinenser gejagt.
Vor wenigen Tagen bestätigte Livni erstmals, dass sie tatsächlich vier Jahre beim israelischen Auslandsgeheimdienst angestellt war und auch Auslandseinsätze absolvierte. Nach ihrer Heirat habe sie dieses Leben jedoch aufgegeben und sich dem Wirtschaftsrecht verschrieben. Zehn Jahre praktizierte sie in einer Privatkanzlei.
Es war die Opposition zur linken Friedensbewegung, die Livni in die Politik gehen ließ. Ihre politische Karriere nahm rasch Fahrt auf, vor allem, weil Ariel Scharon sie förderte. Das Verhältnis der beiden erinnert an das Helmut Kohls zu Angela Merkel. Ob Livni es wie Merkel vom "Mädchen" bis ganz an die Spitze schafft, wird sich zeigen.
Ein Fehler, der die Macht kosten könnte
Den Niederungen der Politik ließ die Israelin schnell hinter sich, dafür war sie loyal bis zur Selbstaufgabe. 2005 unterstützte sie den Rückzug aus Gaza. Als Scharon die Likud-Partei verließ, um die Kadima zu gründen, folgte sie ihm. Bei der Annapolis-Konferenz 2006 wurde sie zur Chefunterhändlerin Israels mit den Palästinensern bestimmt. Sie widmete sich ihrer Aufgabe mit Engagement und Hingabe, die gute Zusammenarbeit mit der US-Außenministerin Condoleezza Rice stärkte ihre Autorität.
Ihr Wunsch nach Frieden kommt von rechts, nicht von links: Für Livni ist ein Staat Palästina der Garant des Überlebens Israels. Livni glaubt daran, dass der jüdische Charakter des Staates Israel nur bewahrt werden kann, wenn Palästinenser die Option haben, in ihrem eigenen Land zu leben. Die Sorge, die in Israel ansässigen Palästinenser immerhin etwa 20 Prozent der Bevölkerung könnten durch höhere Geburtenraten die Juden zur Minderheit im eigenen Land werden lassen, bestimmt Livnis Politik. In ihr lebt das Denken Ariel Scharons weiter.
Der Friedensprozess soll auch nach dem Abtritt Olmerts weitergehen, das machte die Außenministerin an diesem Donnerstag klar: "Die interne Situation in Israel beeinträchtigt die Interessen Israels als Staat nicht", sagte sie am Donnerstag nach einem Treffen mit Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York. Sie betonte erneut, sie wolle sich entsprechend den Vorgaben der Annapolis-Konferenz dafür einsetzen, bis zum Jahresende zu einer grundsätzlichen Vereinbarung zwischen Israelis und Palästinensern zu kommen.
"Ich glaube an unser Recht auf das ganze Land"
Dass den Palästinensern während der Gründung des Staates Israel Unrecht geschehen sei, streitet sie stets ab. "Die Palästinenser werden ihre Unabhängigkeit erst feiern können, wenn sie den Begriff Nakba aus ihrem Wortschatz gestrichen haben", sagte sie jüngst. Nakba, arabisch für Katastrophe, ist der Terminus, mit dem die Palästinenser ihre Vertreibung aus dem heutigen Israel beschreiben. "Ich glaube an unser Recht auf das ganze Land", sagte sie der "New York Times" vor noch einem Jahr.
Ihr Wunsch nach einem Kompromiss sei erst später gewachsen. "Wir haben heute nicht über die Geschichte zu entscheiden, sondern über die Zukunft", lautete das Credo der Pragmatikerin. Dazu würde sie so weit gehen, die künftigen Grenzen Israels wenn nötig unilateral und ohne die Palästinenser festzulegen.
Ob sie sich im Kampf um die Parteispitze durchsetzen kann, wird auch davon bestimmt, wie gut das Gedächtnis ihrer Parteifreunde ist. Livni hat sich in ihrer ganzen politischen Laufbahn nur einen großen Fehler erlaubt. Im Sommer letzten Jahres sah sie den Moment gekommen, nach der Macht zu greifen.
Nachdem ein vernichtender Bericht über den Krieg Israels gegen den Libanon im Jahr 2006 veröffentlicht worden war, forderte sie lautstark Ehud Olmert zum Rücktritt auf. Sie deutete an, wenn er bleibe, werde sie ihren Hut nehmen. Das Kalkül ging nicht auf. Olmert blieb im Amt, Livni ging ebenfalls nicht. Ihre Gegner schlachteten den misslungenen Dolchstoß genüsslich aus und prägten den bösen Spitznamen "Zipi Messer".