Israels Gaza-Offensive Palästinas Innenminister ruft Truppen zum Kampf
Gaza/Ramallah - Nach dem ersten Tag mit Bodengefechten während der Offensive im Gaza-Streifen hat Israel seine Positionen im Norden des Palästinensergebiets gefestigt. Israel flog heute wieder Luftangriffe. Ein Hubschrauber feuerte eine Rakete in eine Gruppe militanter Palästinenser, berichteten Notärzte. Ein Palästinenser sei getötet worden; vier weitere wurden verletzt. Bei Beit Lahia im nördlichen Gaza-Streifen eröffnete ein israelischer Panzer das Feuer auf eine Gruppe von Palästinensern und tötete zwei Männer, wie der palästinensische Rundfunk berichtete. Einer der Männer sei ein taubstummer 19-Jähriger gewesen.
Am Vortag waren bei den schwersten Kämpfen seit Beginn der israelischen Militäroffensive 22 Palästinenser und ein israelischer Soldat getötet worden. Der israelische Armeechef Dan Haluz sprach von insgesamt fast 40 getöteten palästinensischen Extremisten seit Beginn der Geisel-Krise. Der Hamas-Abgeordnete Muschir al-Masri sagte dagegen, bei den meisten Opfern handle es sich um "Kinder, Zivilisten und unschuldige Menschen".
Der palästinensische Innenminister Said Siam von der radikal-islamischen Hamas versetzte seine Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft und forderte sie auf, den israelischen Angriff abzuwehren. Alle palästinensischen Sicherheits- und Militärdienste seien aufgerufen, "ihre moralische, nationale und religiöse Pflicht zu erfüllen und unser Volk zu verteidigen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums, dem einige Truppen unterstehen. Eigentlich hat nur Präsident Mahmud Abbas das Recht, den Notstand auszurufen. Er kontrolliert auch den Großteil der offiziellen Sicherheitskräfte.
Der zur Hamas gehörende palästinensische Ministerpräsident Ismail Hanija besuchte am Freitag ein Krankenhaus, in dem Dutzende verwundete Palästinenser behandelt werden. Er nannte die israelischen Angriffe ein "Verbrechen" und forderte die internationale Gemeinschaft zum Einschreiten auf. Sein Innenminister Siam hatte die Sicherheitskräfte zuvor aufgerufen, den Israelis zu "widerstehen".
An der Geiselnahme eines israelischen Soldaten vor knapp zwei Wochen war auch die Miliz der Hamas beteiligt. Zudem geht ein Teil der Raketenangriffe auf israelische Städte und Gemeinden auf ihr Konto, die seit dem Abzug Israels aus dem Gazastreifen vor bald zehn Monaten zugenommen haben. Nachdem Extremisten vor wenigen Tagen auch erstmals die Großstadt Aschkelon beschossen hatten, weitete Israel seine Offensive aus.
Der israelische Verteidigungsminister Amir Perez erklärte, die Militäroperation im Gaza-Streifen werde erst beendet, wenn der israelische Soldat freigekommen sei und der Beschuss israelischer Grenzorte mit Kassam-Raketen aufgehört habe. Ungeachtet aller Vorstöße der Armee schlugen heute aber erneut mehrere Raketen im israelischen Grenzgebiet auf.
Der jordanische König Abdullah II. verurteilte das Vorgehen Israels scharf. "Solche Angriffe bringen niemandem Sicherheit und Stabilität", teilte der Königspalast am Freitag nach einem Telefonat zwischen Abdullah und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas mit.
Die Armee steht nun im Süden und im Norden des Gaza-Streifens, den Israel vor seinem Abzug im vergangenen Jahr fast 40 Jahre lang besetzt gehalten hatte.
Israel: Gefangenen-Freilassung möglich
Der israelische Minister für innere Sicherheit, Avi Dichter, schließt eine Freilassung palästinensischer Gefangener zur Entschärfung des Nahost-Konflikts nicht aus. Sollte nur auf diesem Wege der verschleppte israelische Soldat Gilad Schalit freikommen, dann würde Tel Aviv so handeln, sagte der frühere israelische Geheimdienstchef laut israelischen Medienberichten.
"Sollte Israel palästinensische Inhaftierte freilassen müssen, um die Befreiung des gefangenen Soldaten zu erreichen, würde es das tun", sagte Dichter. "Wir haben dies auch in der Vergangenheit getan im Austausch für die Freilassung anderer Gefangener und um Ruhe herzustellen." Voraussetzung sei, dass Schalit gesund und unversehrt nach Hause zurückkehre. Zuvor hatte Israel wiederholt Forderungen militanter Palästinenser zurückgewiesen, im Austausch für den Soldaten palästinensische Gefangene freizulassen.
Iran: Israel aus Nahen Osten wegschaffen
In Teheran warnte Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad davor, dass eine anhaltende "israelische Aggression" gegen Palästinenser sich verheerend in der ganzen Region auswirken könnte. Dabei könnten auch Israels Unterstützer in der ganzen Welt Schaden erleiden, sagte der Präsident am Freitag im staatlichen Fernsehen. Er hatte zuvor in Teheran einen anti-israelischen Protestzug zehntausender Iraner angeführt.
Ahmadinedschad warnte vor einer Explosion der islamischen Welt, die alle Länder erfassen werde, die Israel in den vergangenen 60 Jahren unterstützt hätten. Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, alles, was zu Israel gehöre zusammenzupacken und aus dem Nahen Osten wegzuschaffen. "Es ist ein künstliches Gebilde und die jüngsten Ereignisse im Gaza-Streifen zeigen, dass es nicht auf Dauer existieren kann", sagte er in einem im Fernsehen übertragenen Interview, während in den Straßen Teherans Solidaritätskundgebungen mit den Palästinensern stattfanden.
"Ich sage denjenigen, die Israel geschaffen haben: Lasst das Thema keine Explosion der islamischen Welt auslösen. Wenn dies geschieht, wird sie nicht auf die Grenzen der Region beschränkt bleiben. Die Flammen werden alle erfassen, die Israel geschaffen und in den vergangenen 60 Jahren unterstützt und ermutigt haben." Ahmadinedschad hatte vor einigen Monaten bereits gefordert, Israel von der Landkarte zu tilgen. Er löste damit heftige internationale Proteste aus, besonders auch von der deutschen Regierung.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ermahnte die Nachbarn Israels und der Palästinenser-Gebiete, mäßigend auf die Konfliktparteien einzuwirken. Dabei erwähnte sein Sprecher vor allem Ägypten und Syrien. Ägypten nimmt traditionell eine Vermittlerrolle im Nahost-Konflikt ein, das Erstarken der Extremisten in den Palästinenser-Gebieten scheint seinen Einfluss aber geschwächt zu haben. In Syrien lebt die Führung der radikal-muslimischen Hamas im Exil. Das Land unterstützt bisher deren Forderung nach einem Gefangenenaustausch, bei dem Israel für die Geisel der Extremisten tausend palästinensische Häftlinge freilassen soll. Israel lehnt dies strikt ab.
asc/Reuters/dpa