Rede im US-Kongress Was Netanyahu sagt - und was es bedeutet

"Das ist ein wirklich schlechter Deal": Der israelische Premier attackiert im US-Kongress die Iran-Atomverhandlungen von Präsident Obama. Die Netanyahu-Rede im Check.
Rede im US-Kongress: Was Netanyahu sagt - und was es bedeutet

Rede im US-Kongress: Was Netanyahu sagt - und was es bedeutet

Foto: WIN MCNAMEE/ AFP

Benjamin Netanyahu kommt nicht einfach in den US-Kongress. Er hält Einzug. Die Abgeordneten und Senatoren bereiten ihm einen Empfang, wie er sonst dem US-Präsidenten vorbehalten ist, wenn der hier einmal im Jahr seine Regierungserklärung abgibt, die State of the Union. Links und rechts vom Gang stehen sie in Reihe, applaudieren, greifen Netanyahus Hände.

Bei genauerem Hinsehen fällt natürlich auf, dass jene, die da Spalier stehen, fast ausschließlich Republikaner sind. Denn hoch umstritten ist dieser - bereits dritte - Auftritt des israelischen Premiers vor der "wichtigsten Legislative der Welt" (O-Ton Netanyahu): Weil er nicht abgestimmt ist mit Barack Obama; weil er dessen Atomverhandlungen mit Iran zu stoppen sucht; und weil Netanyahu daheim mitten im Wahlkampf steht (lesen Sie die Hintergründe hier).

Einige Demokraten bleiben dem Auftritt fern. Obama, so heißt es, guckt sich das Schauspiel nicht einmal im TV an. Vizepräsident Joe Biden, der eigentlich während der Rede direkt hinter Netanyahu hätte sitzen müssen, hat sich ins Ausland verfügt (Guatemala). Stattdessen sitzt da jetzt ein Republikaner-Senator namens Orrin Hatch als Stellvertreter.

Foto: GARY CAMERON/ REUTERS

Netanyahu redet eine Dreiviertelstunde, beständig unterbrochen von großem Applaus. Unter Verweis auf den anwesenden Holocaust-Überlebenden und Nobelpreisträger Elie Wiesel sagt er: "Die Anführer der Welt dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen."

Dies sind Netanyahus zentrale Aussagen und deren Bedeutung:

  • "Das ist ein schlechter Deal, ein wirklich schlechter Deal. Er verhindert nicht Irans Griff nach der Bombe, sondern ebnet Iran den Weg zur Bombe."

—> Hier geht es um die grundsätzliche Bereitschaft der US-Regierung und ihrer Partner in den Atomverhandlungen (China, Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland), dem Teheraner Regime die eingeschränkte Uran-Anreicherung zu erlauben und das Abkommen auf eine "zweistellige Anzahl von Jahren" (Obama) zu begrenzen. Netanyahus Befürchtung: Entweder könnte Iran noch während der Geltungsdauer des Deals einen "Breakout" versuchen, also die Anreicherung entgegen der Zusagen ausweiten und auf diese Weise zu waffenfähigem Uran gelangen. Oder Iran könnte sich nach Auslaufen des Vertrags ein "ganzes Arsenal an Atomwaffen" zulegen. In der Folge werde es zu einem atomaren Wettrüsten in der Region kommen.

  • "Wir dürfen nicht auf Kosten weltweiter Sicherheit allein auf die Hoffnung setzen, dass sich Iran ändern wird."

—> Netanyahu weist die These von einer Art Wandel durch Annäherung zurück. Die Hoffnung, dass sich die Lage in Iran während der begrenzten Laufzeit des Atomdeals zum Besseren wendet, empfindet er als trügerisch. Das kann als Attacke auf Obama gelesen werden, dem Netanyahu damit Naivität unterstellt. Der US-Präsident seinerseits hatte dem Israeli wiederholte Fehleinschätzungen vorgeworfen. So habe Iran sein Atomprogramm während der bisherigen Verhandlungen eben nicht mehr vorangetrieben, sondern sogar eingeschränkt. Dagegen Netanyahu: "Dieser Deal wird Iran nur Appetit auf mehr machen." Die größte Gefahr für die Welt sei "die Verbindung des militanten Islam mit Atomwaffen". Dass das islamistische Regime in Teheran ein weltweiter Sponsor von Terrorismus ist, stellt auch die US-Regierung nicht infrage.

  • "Die Alternative zu diesem schlechten Deal ist ein besserer Deal."

—> Dahinter steckt Netanyahus Vorwurf an das US-Verhandlungsteam um Außenminister John Kerry, Iran werde zu viel Entgegenkommen gezeigt. Das Atomprogramm könne viel weiter zurückgefahren werden als bisher, sagt Netanyahu. Iran sei wegen der Sanktionen und des niedrigen Ölpreises verwundbar, Amerika sitze am längeren Hebel. Deshalb sollten die Atom-Sanktionen solange nicht aufgehoben werden, wie sich Teheran aggressiv gegenüber seinen Nachbarn in der Region verhalte. Diese Bedingung war bisher nicht Gegenstand der Verhandlungen. Die USA haben angekündigt, dass im Falle eines Verhandlungserfolgs zwar die Atom-Sanktionen aufgehoben würden, nicht aber die wegen all der anderen Vergehen verhängten Strafsanktionen. Netanyahu also spricht zwar explizit von "Alternativen", nennt aber keine. Einen eigenen Plan präsentiert er dem Kongress nicht.

Fazit: Weil er bei Obama nicht weiterkam, hat sich Netanyahu entschlossen, den Konflikt in die innenpolitische Arena Amerikas zu tragen. So sehr ihm dies im Wahlkampf daheim nutzen mag, so sehr hat ihm das in Washington geschadet. Demokratische Senatoren, die durchaus kritisch waren gegenüber Obamas Verhandlungstaktik und Sanktionspolitik, sind nun von Netanyahu möglicherweise ins Lager des Präsidenten getrieben worden.

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Netanyahu-Rede vor US-Kongress: "Iran wird immer ein Feind von Amerika sein"

Foto: MANDEL NGAN/ AFP
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