Regionalwahl in Italien Salvinis Autorität ist angekratzt

Lega-Chef Matteo Salvini beim Wahlkampf in der Emilia Romagna
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Der Triumphzug ist gestoppt. Seit über einem Jahr hat Matteo Salvini mit seinen rechten Partnern jede einzelne Regionalwahl in Italien gewonnen, an diesem Sonntag sollte die Abstimmung in Emilia-Romagna der Höhepunkt sein. Daraus wurde nichts: Salvinis Lega-Kandidatin ist gescheitert, die Sozialdemokraten verteidigten ihre alte Hochburg.
Salvini selbst hatte die Abstimmung in der Provinz um Bologna zur Schicksalswahl erklärt. Mit ihrem Votum würden die Bürger über die Koalition in Rom entscheiden: "Erst schicken wir sie am Sonntag nach Hause", hatte Salvini über seinen Kampf gegen die Linke gesagt, "und dann schmeißen wir die Regierung raus." Schon an diesem Montag werde er "vorgezogene Neuwahlen fordern".
Monatelang war Salvini durch die Region Emila Romagna gezogen, von Parma bis Rimini, der Wahlkampf war ganz auf ihn zugeschnitten. Seine Kandidatin für das Gourverneursamt, Lucia Borgonzoni, wirkte oft wie eine Statistin. Das schlechte Wahlergebnis ist für den Lega-Chef deshalb eine persönliche Niederlage. Er, der sich für unbesiegbar hielt, der "die ganze Macht" ergreifen und in Rom Ministerpräsident werden wollte, wurde zum ersten Mal seit der Parlamentswahl vom März 2018 abgestraft.
Aus der Opposition polarisiert es sich schlechter
Ist es möglich, dass seine Kampagnenschlager nicht mehr so gut ziehen wie früher? Die Flüchtlingsdebatte ist auch in Italien leiser geworden. Seit Salvini im September aus der Regierung flog, fehlt ihm das Amt des Innenministers, um wie im vergangenen Sommer große Konflikte mit Flüchtlingshelfern wie Carola Rackete zu inszenieren. Er kann jetzt nur noch als Oppositionspolitiker über die vermeintlich verantwortungslose Flüchtlingspolitik der Regierung schimpfen.
Zufall oder nicht: Nur noch 23 Prozent der Bürger äußerten sich in einer Umfrage vor Kurzem besorgt über das Thema Migration - viel wichtiger waren ihnen die Punkte Wirtschaft und Arbeit (77 Prozent). Ausgerechnet in diesem Bereich allerdings können die regierenden Sozialdemokraten in Emilia-Romagna eine gute Bilanz vorweisen: Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Region eine der wohlhabendsten in Italien.
Für den parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte ist das Ergebnis aus der Region Emilia-Romagna endlich mal eine gute Nachricht. Seine Regierung ist seit dem ersten Amtstag Anfang September geschwächt - die Koalitionspartner von der Fünf-Sterne-Bewegung und der sozialdemokratischen PD können sich eigentlich nicht ausstehen. Ein Rücktritt der Regierung und vorgezogene Neuwahlen sind nun fürs Erste wohl abgewendet.
Allzu siegessicher können sich die Koalitionspartner in Rom aber nicht geben. Im süditalienischen Kalabrien, wo gestern ebenfalls gewählt wurde, gewann die Kandidatin des rechten Lagers deutlich vor ihrem Konkurrenten von der Linken.
Was bedeutet das für die Parteien?
Dass Contes Wackel-Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 hält, ist alles andere als sicher. Die nächsten wichtigen Regionalwahlen stehen bereits im späten Frühjahr an, unter anderem in Ligurien und der Toskana.
Am härtesten ist zurzeit die Fünf-Sterne-Bewegung getroffen. Bei den gestrigen Regionalwahlen kamen ihre Kandidaten nur auf fünf bis sieben Prozent. Die Cinque Stelle waren historisch über ihre digitale Plattform stark, aber sie versäumten es, an der Basis Strukturen aufzubauen. Das rächt sich nun. Viele Wähler verstehen zudem nicht, was die Bewegung politisch will. In beiden Regionen lehnten die Cinque Stelle ab, was sie in Rom praktizieren: ein Bündnis mit den Sozialdemokraten.
Schon Tage vor dem absehbaren Debakel trat Parteichef Luigi Di Maio zurück. Seine Sterne müssen nun entscheiden, ob sie sich künftig klar im linken Lager verorten oder ob sie weiter ihren Platz unverbindlich in der Mitte suchen, um eines Tages wieder mit Salvini regieren zu können. Für die Regierung in Rom verheißt das nichts Gutes: Die Nerven bei den Sternen liegen blank, und ihrem neuen Interimschef Vito Crimi fehlt die Autorität, um eine klare Linie vorzugeben.
Der Partito Democratico dagegen hat sich für den Moment stabilisiert. Die Region Emilia-Romagna ist für die Partei so wichtig wie Bayern für die CSU. Eine Niederlage hätte PD-Chef Nicola Zingaretti politisch nur schwer überlebt. Aber gewonnen haben die Sozialdemokraten nicht nur aus eigener Kraft. Es waren die "Sardinen", die in der Emilia-Romagna die Plätze füllten. 40.000 Anhänger der erst im November spontan gegründeten Protestbewegung kamen erst am vorigen Sonntag in Bologna zusammen, so viele Menschen brachte keine andere politische Kraft auf die Straße. Zingaretti beeilte sich deshalb, "ein immenses Dankeschön an die 'Sardinen'" zu äußern. Die linke Protestbewegung wollte bislang nicht Partei werden - ihr Ziel bestand darin, Salvini zu verhindern. Das hat sie geschafft. Eine der spannendsten Fragen ist nun, was die "Sardinen" aus ihrem Erfolg machen.
Matteo Salvini muss sich unterdessen überlegen, mit welchen Themen er künftig Stimmung macht. Seine Autorität ist angekratzt. Vor allem in den wirtschaftsstarken norditalienischen Stammregionen der Lega können sich seine Anhänger fragen, ob ihr Parteichef noch die richtige Agenda verfolgt. Aus ihrer Sicht könnte es vernünftiger sein, die Lega stärker ins Zentrum zu rücken. Zugleich droht Salvini aber Konkurrenz von anderer Seite: Seit Monaten gewinnt Giorgia Meloni in Italien an Zustimmung. Die 43-Jährige ist Chefin der Partei Fratelli d'Italia, die aus einer postfaschistischen Bewegung hervorging und gestern als einzige politische Kraft bei beiden Regionalwahlen zulegte. Sie steht noch weiter rechts als Salvini und entwickelt sich zum neuen Star des nationalkonservativen Lagers.