Regierungsbildung in Italien Scusi, verwählt

Alessandro Di Battista von der 5-Sterne-Bewegung
Foto: Franco Origlia/ Getty ImagesItalien ist seit Sonntagabend politisch dreigeteilt. Im Norden dominieren die Rechtsparteien, den Süden hat "MoVimento5Stelle", die 5-Sterne-Bewegung, übernommen. Nur in der Mitte, in der Toskana und ein bisschen auch in Umbrien und Emiglia Romagna, haben die Sozialdemokraten ihre letzten Hochburgen knapp verteidigt.
Italien ist nun eine andere Republik.
Das Geschehen am Wahltag bringt die eher linksliberale römische Tageszeitung "La Repubblica" lakonisch auf den Punkt: "Triumph der 5 Sterne, die Lega fliegt, Dämpfer für Forza Italia, PD bricht ein. Keiner hat eine Mehrheit". Die ersten Folgen zeigten sich umgehend am Montagmorgen: Die Kurse an den italienischen Börsen gingen runter, der Spread, der Zinsaufschlag für italienische Staatsanleihen, ging hoch.
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— Repubblica (@repubblica) March 5, 2018
Wie es weitergeht, ist derzeit schwer absehbar. Nur der äußere Rahmen der anstehenden Regierungsbildung ist klar: Am 23. März tritt das neugewählte Parlament zu seiner ersten Sitzung zusammen. In beiden Kammern - der Abgeordnetenkammer und dem Senat - wählen die Parlamentarier je einen Präsidenten. Schon dafür werden Absprachen zwischen den Parteien und Blöcken nötig sein.
Die Wochen bis zum 23. März nutzen die Beteiligten, um in vielen vertraulichen Gesprächen in Hinterzimmern vorsichtig auszuloten, wer sich mit wem eventuell eine Zusammenarbeit vorstellen könnte und zu welchen Konditionen. Nach der ersten Sitzung beginnt der wirkliche politische Nach-Wahlkrimi: Die Partei- und Fraktionsführer tragen Staatspräsident Sergio Mattarella einer nach dem anderen vor, was sie vorhaben.
Mattarella hört sich das an und beauftragt danach einen seiner Besucher mit der Bildung einer neuen Regierung oder zumindest mit einem Auftrag zur Auslotung, wer wie mit wem womöglich regieren möchte.
Der Auserkorene geht mit einer Liste seiner Kabinettsmitglieder wieder in den Quirinalspalast, der Hausherr gibt sein Okay, dann müssen nur noch beide Kammern des Parlaments mehrheitlich zustimmen, und die neue Regierung in Rom steht. Bis sich das Parlament auf einen Nachfolger verständigt hat, bleibt der amtierende Regierungschef Paolo Gentiloni geschäftsführend im Amt.
Drei Partner für die Sterne
So weit die Theorie. Wie diese Regierung aber in der Praxis aussehen wird, weiß heute niemand. Ihre Bildung wird schwierig, denn keiner der drei potenziellen Mitspieler hat eine eigene Mehrheit. Es reichen auch keinem ein paar Stimmen von parlamentarischen Kleingruppen. Jeder braucht einen anderen großen.

Italienwahl: Sieger und Verlierer am Tiber
Die größte Auswahl bei der Partnerschau hat die 5-Sterne-Bewegung, hat sie allein doch schon 32 Prozent. Sowohl mit den Sozialdemokraten, mit der ruppigen Lega aus dem Norden als auch mit Silvio Berlusconi brächte Sterne-Kandidat Luigi Di Maio die nötige Mehrheit zusammen.
Aber Berlusconi wäre den Sterne-Anhängern kaum zu vermitteln. Er gilt ihnen als Prototyp des alten korrupten Systems, mit dem sie ja gerade brechen wollen.
Auch der Lega-Krawallmacher Matteo Salvini passt eigentlich nicht ins Sterne-Bild, zumal der im Wahlkampf stets getönt hatte: "Nicht mit Renzi, nicht mit Di Maio". Aber was sagt man nicht alles im Wahlkampf - um es gleich wieder zu vergessen. Gemeinsamkeiten zwischen beiden Gruppierungen gibt es zuhauf: Beide stänkern ständig gegen die EU, wollen die "Invasion" der Ausländer stoppen, "zu viel" Islam in Italien verhindern. Beide wollen in Rom unter der alten politischen Kaste "aufräumen".
Eigentlich hätte PD-Chef Matteo Renzi der ideale Partner für Di Maio werden können. Da passt programmatisch durchaus einiges zusammen. Aber Renzi hat bereits seinen Rücktritt angekündigt - und bekräftigte dieses Vorhaben am Montagabend noch einmal. Und der geschrumpfte Rest der Linken will sich lieber in der Opposition neu finden, als in Juniorpartnerschaft mit dem Verein des Ex-Komikers Beppe Grillo vollends unterzugehen.
Irgendeinen Partner wird Di Maio aber ködern müssen, wenn er sein politisches Ziel erreichen will: "Die Zeiten der Opposition sind vorbei."
Salvini und Berlusconi - kein politisches Traumpaar
Auch der Rechts-Block um Salvini und Berlusconi ist nicht chancenlos im Kampf um die Macht in Rom. Im Gegenteil, gemeinsam haben die Rechtspopulisten und -nationalisten, mit etwa 37 Prozent, sogar mehr als die Di-Maio-Fraktion. Nur ist es für sie noch schwerer als für den einen der beiden anderen Großen, einen Juniorpartner zu finden. Weder PD noch 5 Sterne werden sich wohl darauf einlassen.
So liegt die Chance für die - vor allem im Norden erfolgreichen Stimmenfänger - eher im traditionell wandlungs- und wanderungswilligen Parlament: Da sind immer Abgeordnete auf dem Sprung in eine Partei oder Fraktion - wenn es sich irgendwie auszahlt. Aber auch bei dem Spiel muss man erst einmal genügend Spielsteinchen finden. Und ob Salvini und Berlusconi ihren Schmusekurs ohne Wahlkampf lange durchhalten, das ist sehr ungewiss.
Tschüss Groko
Der Hoffnungsposten der politischen Führungen in Brüssel und Berlin, die Groko, hat sich zumindest in Italien im Laufe der Nacht weitgehend in Luft aufgelöst. Berlusconi, die italienische Variante des Christdemokraten, und Renzi, der toskanische SPD-Doppelgänger, haben beide lange und laut getönt - und sind jetzt ganz still. Mit zusammen 35 Prozent (PD, Europa und Forza) ist der Machtzugriff nicht unmöglich, aber sehr schwierig.
Zumal der Präsident ja mitspielen muss. Und der ist PD-Mitglied, kommt aus einer linkskatholischen Familie, war Mitgründer des Ulivo-Bündnisses, das 1996 linke und christdemokratische Politiker unter Führung von Romano Prodi vereinte und gleich die Wahlen gewann. Er ist Verfassungsjurist und allen Staatsrisiken abhold. Sein Ziel wird sein, statt einer ungewissen Blackbox-Regierung aus Grillos "Leck mich"-Bewegung und dem radikalen Rechten Salvini, zum Beispiel, eine "Regierung der nationalen Einheit" zusammenzubringen. Wie immer das gelingen kann. Oder zumindest eine Regierung, die das Amt weiter innehätte, bis zur Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes.
Nur, zu viel Hoffnung sollte er sich da nicht machen. Ein neues Wahlgesetz ändert die Stimmung im italienischen Volk nicht.
Im Video: Die schwierige Regierungsbildung