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Italiens Sozialdemokraten: Renzi, der junge Wilde

Foto: GIORGIO PEROTTINO/ REUTERS

Italiens Polit-Hoffnung Renzi Das Jahr des Verschrotters

Weg mit Italiens alter Politik-Garde, weg mit dem EU-Spardiktat - alles neu macht Matteo Renzi, junger Parteichef der Sozialdemokraten. Der Konfrontationskurs soll ihn an die Macht bringen, könnte sein Land und Europa jedoch teuer zu stehen kommen.

2014 soll sein Jahr werden! Matteo Renzi, 38, Bürgermeister von Florenz und seit vier Wochen Chef des sozialdemokratischen "Partito democratico" (PD), mischt Italiens Politik auf. "Verschrotter", tauften ihn die Medien, weil er die alten Granden seiner Partei "verschrotten" will. Genau dafür wählten ihn zweieinhalb Millionen Parteianhänger. "Jetzt sind wir dran!", jubelte er danach. Eine neue Generation werde nun "das Steuer in die Hand nehmen".

Allerdings gibt es da noch ein kleines Problem: die amtierende Regierung seines Parteifreundes Enrico Letta. Die jagt er nun mit täglich neuen populären Forderungen vor sich her, von Steuersenkungen für alle Bürger und Betriebe bis zum Abbau politischer Privilegien. Wenn er an die Macht will, darf die Letta-Regierung nicht erfolgreich sein. Deshalb muss er diese blockieren, stören und letztendlich abschießen.

Ministerpräsident Letta steckt in der Klemme. Denn er führt eine Regierung, die nach den Wahlen im Februar aus blanker Not geboren wurde. Weder die Rechten noch die Linken hatten eine Mehrheit, die Mitte schon gar nicht und ein Viertel der Italiener hatte die Total-Opposition des Ex-Komikers Beppe Grillo gewählt. Der Ausweg war eine große Koalition von historischen Feinden. Viel Gemeinsamkeit hat die natürlich nicht. Zumal dann auch noch Silvio Berlusconi mit dem Großteil seiner Partei die Koalition verließ. Zurück blieb Vize-Premier Angelino Alfano mit einem kleinen Rest aus dem Berlusconi-Anhang und wenig Spielraum für Kompromisse: Beugt er sich den Sozialdemokraten, laufen ihm die letzten Getreuen davon. Bleibt er hart, kommt die Regierung nicht vom Fleck.

EU-Schuldengrenzen: einfach ignorieren

Gezielt schießt Renzi auf diese Schwachstellen. Die rechtliche Anerkennung unverheirateter Paare forderte er Ende voriger Woche, wissend um das prompte "Mit uns nicht!" des kirchentreuen Alfano. "Dann eben ohne Euch", donnerte Renzi zurück.

Die in der EU vereinbarte Obergrenze für das Haushaltsdefizit der Mitgliedstaaten sei "anachronistisch", befand Renzi, die Regierung Letta solle sie einfach ignorieren. Weil Finanzminister Fabrizio Saccomanni, Ex-Generaldirektor der Banca d'Italia, das anders sieht, gehört er zu den Kandidaten, die der "Verschrotter" im Visier hat, wenn er eine "Regierungsumbildung" fordert.

Miserable Regierungsbilanz

Renzis Kritik am mangelnden Reformeifer der Regierung dagegen trifft ins Schwarze. Denn von den angekündigten Reformen - Abbau der überbordenden Bürokratie, ein neues Arbeitsrecht, Investitionen ins marode Bildungssystem - ist nichts in Sicht. Nicht einmal ein neues Wahlgesetz, die Hauptaufgabe und Legitimation dieser Koalition, damit künftige Wahlen nicht wieder ein politisches Patt produzieren, hat sie hinbekommen. Selbst ein so schlichtes Vorhaben wie die Abschaffung der Eigenheimsteuer geriet ihr zur Posse. Zur Finanzierung wurde in monatelangen Diskussionen ein Wust aus kommunalen Steuern kreiert, der viele Bürger mehr belastet als zuvor.

Die Kritik am römischen Polit-Chaos vereint Italien. Die Regierenden sollten nicht nur beim Volk sondern auch bei sich "Opfer einfordern", wettert der linke Staatspräsident Giorgio Napolitano. Die Politik müsse ihre Interessen dem Gemeinwohl unterordnen, mahnt der konservative Erzbischof von Mailand, Kardinal Angelo Scola.

Mehrheit der Populisten

Höchste Zeit wäre es: Italiens Wirtschaftslage ist fatal. Fast die Hälfte der jungen Italiener findet keinen Job, viele haben die Suche längst aufgegeben. Trotz immer höherer Steuern für Bürger und Betriebe wachsen die Schuldenberge. Und die Zahl der Pleiten. Nur die der Investitionen nicht.

Doch die Politik bleibt auf ihrem Chaos-Kurs. Längst haben die Populisten die Mehrheit. Nicht zum Regieren, aber zum Blockieren. Matteo Renzi, der junge Wilde an der Spitze der Sozialdemokraten, setzt genauso auf einen Dauerwahlkampf wie Silvio Berlusconi und Beppe Grillo. Der will die Stimmung mit einem Referendum gegen den Euro noch zusätzlich anheizen.

Ein gefährlicher Kurs für Italien - und für Europa. Denn das Schicksal des Euro und damit vermutlich auch der EU entscheidet sich nicht in Griechenland oder Zypern sondern in Italien.

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