Aussage gegen Trump Comeys Angriff
1. Eine Hand wäscht die andere
Die Kernfrage war: Wird Comey belegen, dass Trump tatsächlich in die Russland-Ermittlungen eingriff und sich damit eine Straftat - Justizbehinderung ("obstruction of justice") - zuschulden kommen ließ? Diese Frage hat Comey nicht schlüssig beantwortet, ebnete aber sozusagen den argumentativen Weg dafür. Ob Trump ihn in den Gesprächen jemals konkret befohlen habe, die FBI-Ermittlungen einzustellen? Nein, sagte Comey, präzisierte kurz darauf aber, dass Trump ihm das quasi durch die Blume vermittelt habe: "Ich habe es als Anweisung verstanden: Er will, dass ich das mache."
Trump habe offenbar Dankbarkeit dafür erwartet, dass er ihn im Amt halte, so Comey: "Er erwartete, im Gegenzug etwas zu bekommen." Nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere. Als er, Comey, dem jedoch nicht folgte, habe Trump ihn gefeuert, "um die Art und Weise, wie die Russland-Ermittlungen geführt werden, irgendwie zu ändern". Zur Sicherheit legte er nach: "Das ist ein großes Ding." Tatsächlich waren diese Passagen die problematischsten für Trump. Je konkreter der Vorwurf belegt wird, er habe Ermittlungen behindert, desto gefährlicher wird die Affäre für den Präsidenten juristisch.
2. Trump, der Lügner
Es war der rote Faden dieser Aussage: James Comey zeigte sich geradezu angewidert von Trumps "Natur", wie er es formulierte. Immer wieder warf er dem Präsidenten vor, die Wahrheit zu verbiegen. So hätten Trump und "die Regierung" beschlossen, ihn - und, "wichtiger noch", das FBI - nach seinem Rausschmiss als FBI-Direktor zu diffamieren und die US-Bundespolizei als inkompetent darzustellen. "Das waren Lügen, klipp und klar", sagte Comey. "Es tut mir leid, dass das FBI gezwungen war, das zu hören, und dass das amerikanische Volk das hören musste."
Später erklärte er, warum er schon nach seinem ersten Treffen mit Trump im Januar auf seinem Laptop sofort ein Protokoll angefertigt habe: "Ich hatte ehrlich gesagt Sorge, dass er bezüglich unseres Treffens lügen würde." Dass Trump es mit der Wahrheit hin und wieder nicht sehr genau nimmt, ist nicht neu. Dies aber so klar und deutlich aus dem Mund eines Karrierebeamten zu hören, der unter ihm die Bundespolizei leitete, dürfte in die Geschichte eingehen.
3. Nicht alles war für Trump schlecht
So unangenehm Comey den Präsidenten charakterlich darstellte, so richtig ist auch, dass es durchaus Teil der Anhörung gab, mit denen Trump wird leben können. Republikaner wie Marco Rubio oder John McCain, die eigentlich zu seinen Kritikern gehören, traten in der Sitzung wie gute Verteidiger auf. Ihr Kernargument münzten sie in die Frage um, warum Comey dem Präsidenten nicht stärker direkt vermittelte, dass seine Forderungen unpassend und rechtlich heikel waren und er sich trotz seiner Vorbehalte weiter mit ihm traf und mit ihm telefonierte.
Nutzen dürfte Trump auch, dass Comey bestätigte, Trump sei nicht persönlich im Visier der Ermittler. Ob das noch immer zutrifft, konnte er logischerweise nicht sagen, weil er nicht mehr im FBI arbeitet. Aber das Umfeld des Präsidenten dürfte die öffentliche Versicherung als eine Art "Freispruch" zu deuten versuchen.
4. Comey, der Durchstecher
Comey offenbarte ein heikles Details: Nach seinem Rausschmiss habe er einen engen Freund gebeten, eine seiner Gesprächsnotizen an die Medien durchzustechen, in der er festgehalten hatte, dass Trump von ihm einen Treueschwur verlangte. Er habe mit der Indiskretion zweierlei bewirken wollen: Einerseits, so Comey, sei es Zeit gewesen, nach den widersprüchlichen Begründungen Trumps für den Rausschmiss seine Version der Geschichte in die Öffentlichkeit zu tragen. Andererseits habe er mit der Aktion die Einsetzung eines Sonderermittlers bewirken wollen, der die Russlandaffäre untersucht.
Für Trump ist das einerseits eine Chance: Sein Umfeld versucht bereits, Comey als "Leaker" hinstellen, als Mann, der aus Rache sensible Informationen nach außen trägt. Das Problem dabei ist, dass das Weiße Haus damit den Inhalt der Gesprächsnotiz indirekt bestätigt, völlig gefahrlos ist dieses Manöver also nicht. Aus Comeys Sicht ist die Aktion ebenfalls ambivalent: Einerseits ist die Durchstecherei für einen Behördenleiter höchst ungewöhnlich. Andererseits zeigt sie, wie entschlossen der Ex-FBI-Chef war und ist, Trump nicht einfach aus der Affäre fliehen zu lassen. An seine ehemalige Behörde sendet er mit der Offenlegung seiner Aktion das Signal: In außergewöhnlichen Zeiten müssen wir unsere Unabhängigkeit auch mit außergewöhnlichen Maßnahmen durchsetzen.
5. Die Frage der Tapes
Kurz nach der Entlassung Comeys spekulierte Trump über mögliche Aufnahmen seiner Gespräche mit Comey. Es war eine indirekte Drohung an den geschassten FBI-Chef: Sei vorsichtig, was Du sagst. Ob überhaupt Aufnahmen existieren, ist völlig unklar, das Weiße Haus kann darauf bislang keine eindeutige Antwort geben. Comey nutzte die Anhörung, um regelrecht um die Veröffentlichung möglicher Aufnahmen zu betteln. "Meine Güte, ich hoffe, dass es Tapes gibt!", sagte Comey und schickte an die Adresse Trumps hinterher: "Wenn er unsere Gespräche aufgezeichnet hat, dann sind meine Gefühle dadurch nicht verletzt. Er soll einfach alle Tapes veröffentlichen." Ein außergewöhnlicher Moment, mit dem Comey signalisieren wollte, wie sicher er sich seiner Erinnerungen ist.
6. Stay tuned
Der Comey-Auftritt war nicht das Ende, sondern womöglich erst der Anfang des wahren Dramas. Schließlich geht es hier um mehr als Trump, nämlich um den Eingriff eines anderen Staates in die US-Demokratie. Russlands Aktivitäten in 2016 seien kein Einzelfall gewesen, sagte Comey. Ob Trump mit den Russen zusammengearbeitet habe, wollte er nicht offen beantworten: "Wenn Amerikaner Teil dessen waren, was Russland tat, dann wäre das eine enorme Sache", sagte er und zeigte sich zuversichtlich, dass Sonderermittler Mueller Beweise finden würde, so es sie gäbe. "Das ist bei Weitem nicht das Ende unserer Ermittlungen", sagte auch der republikanische Ausschusschef Burr anschließend und kündigte an, dass der Senat sich eng mit Mueller abstimmen werde.
Comey ließ mehrmals Hinweise fallen, dass im Hintergrund noch viele ungeklärte und potenziell folgenschwere Fragen schlummern. So fragte ihn Burr, ob im Lauf der Untersuchungen auch noch Indizien auf ganz andere Straftaten hochkochen könnten. "Sicher", sagte Comey ohne Zögern. Will heißen: Die Vertuschung ist gefährlicher als die vertuschte Tat.