Fall James Foley Geiseln für den Gottesstaat

Der US-Journalist James Foley ist tot, mutmaßlich ermordet von der Terrormiliz IS. Die Islamisten haben zahlreiche Ausländer in ihrer Gewalt. So wollen sie die westlichen Regierungen unter Druck setzen - und auf obszöne Art Millionen Dollar Lösegeld einnehmen.
Fall James Foley: Geiseln für den Gottesstaat

Fall James Foley: Geiseln für den Gottesstaat

Foto: Uncredited/ AP/dpa

636 Tage lang hat Diane Foley gehofft, dass ihr entführter Sohn freikommt, fast zwei quälende Jahre lang. Nun hat sie die schreckliche Gewissheit: Ihr Junge, der Journalist James "Jim" Foley, ist offenbar tot, mutmaßlich ermordet von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).

"Er hat sein Leben dafür gegeben, zu versuchen, der Welt das Leid des syrischen Volkes zu zeigen", schreibt Diane Foley auf Facebook. "Wir bitten die Entführer, das Leben der restlichen Geiseln zu verschonen. Wie Jim sind sie Unschuldige. Sie haben keinen Einfluss auf die amerikanische Regierungspolitik im Irak, in Syrien oder irgendwo sonst in der Welt."

Bei den Mördern ihres Sohnes wird Diane Foley damit wohl kaum durchdringen. Die IS hat ihn umgebracht, weil er amerikanischer Staatsbürger war. Sie glaubt, auf diese Weise US-Präsident Barack Obama erpressen zu können: Wenn Obama nicht damit aufhört, IS-Stellungen im Irak bombardieren zu lassen, drohen die Islamisten, werde man noch einen zweiten amerikanischen Journalisten umbringen.

Dahinter steckt ein grausamer Plan, den IS in ihrem Kampf für einen "Gottesstaat" im Osten Syriens und im Westen Iraks lange vorbereitet hat. Vor über einem Jahr hat die Miliz, die sich damals noch "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" (ISIS) nannte, angefangen, westliche Journalisten zu verschleppen, einen nach dem anderen. Bald schon wurde vermutet, die Radikalen wollten sich mit den gezielten Geiselnahmen absichern.

IS macht gezielt Jagd auf Journalisten

Berichterstatter, die nach Syrien einreisten, um über den Krieg zu berichten, wurden plötzlich zur begehrten Beute. Auf einmal hatten Journalisten in Syrien nicht nur die Luftangriffe des syrischen Regimes zu fürchten, sondern auch Gangstergruppen am Boden, die sie an die für ihre Brutalität und Rücksichtslosigkeit berüchtigten Radikalen weiterverkaufen wollten.

So erging es auch James Foley. Der 40-Jährige war am 22. November 2012 in Binnisch im Norden Syriens von einer "organisierten Bande" entführt worden, als er gerade ein Internetcafé verließ, so schrieb es die US-Bundespolizei FBI in ihrem Fahndungsaufruf . Mit ihm war auch sein Übersetzer gekidnappt worden, doch diesen ließen die Entführer wieder laufen. In der schrecklichen Logik der Erpresser ist ein syrisches Leben bei Weitem nicht so viel wert wie ein westliches.

Foley im November 2012 in Aleppo: Offenbar von IS-Terroristen ermordet

Foley im November 2012 in Aleppo: Offenbar von IS-Terroristen ermordet

Foto: AP/ freejamesfoley.org

Europa verhandelt mit IS, die USA nicht

Doch die US-Regierung will sich nicht erpressbar machen. Sie verhandelt grundsätzlich nicht mit Entführern. Schon 2002 machte Washington keine Zugeständnisse, als Qaida-Mitglieder in Pakistan mit der Ermordung des amerikanischen Journalisten Daniel Pearl drohten und ihn später tatsächlich vor laufender Kamera enthaupteten.

Die USA bleiben dennoch hart - anders als viele andere europäische Länder. Eine Berechnung der "New York Times"  kam im Juli zu dem Ergebnis, dass europäische Regierungen - darunter auch die deutsche - seit 2008 mindestens 125 Millionen Dollar Lösegelder an al-Qaida und ihre Verbündeten gezahlt hätten, davon allein 66 Millionen Dollar im vergangenen Jahr.

Die europäische Verhandlungspraxis bei Geiselnahmen wird von Washington heftig kritisiert. "Entführungen für Lösegeld sind inzwischen die wichtigste Einnahmequelle für Terroristen", sagte David S. Cohen, Staatssekretär im US-Finanzministerium schon vor Jahren. "Jedes Handelsgeschäft begünstigt ein weiteres Handelsgeschäft." Außer den USA lehnt lediglich Großbritannien Deals mit Radikalislamisten ab.

IS hat mehrere Dutzend westliche Geiseln

Spanien und Frankreich haben ihre Staatsbürger dagegen aus der Hand von IS freigekauft, mehrere Millionen Euro sollen sie bezahlt haben. Im Frühjahr 2014 ließ IS erst zwei spanische Journalisten frei, dann vier französische. Die Reporter mussten Stillschweigen über die Umstände ihrer Haft bewahren, um nicht die Verhandlungen über weitere Geiseln zu gefährden. Aus französischen Medienberichten wurde jedoch bekannt, dass alle Ausländer von IS gemeinsam in einem Gefängnis in der syrischen Stadt Rakka gehalten wurden. Nach Syrien eingereiste westliche Dschihadisten, die ihre Muttersprache beherrschten, bewachten sie.

Insgesamt werden noch immer 30 bis 40 Europäer und Amerikaner in der Hand von IS in Syrien vermutet. Nicht nur Journalisten wurden entführt, sondern auch nach Syrien eingereiste Entwicklungshelfer. Eine der prominentesten Geiseln in der Hand von IS ist der italienische Jesuitenpriester Paolo Dall'Oglio, der Jahrzehnte in Syrien gewirkt hat und sich für die syrische Aufstandsbewegung einsetzte.

Zudem hat IS im Irak 49 türkische Staatsbürger entführt, als die Miliz im Juni das Generalkonsulat in Mossul stürmte, darunter der Generalkonsul Öztürk Yilmaz. Mit diesen Geiseln setzt IS Ankara erfolgreich unter Druck und erzwingt türkische Zurückhaltung.

Als die USA Luftschläge gegen IS beschlossen, betonte die türkische Regierung umgehend, sie werde sich nicht daran beteiligen. Verteidigungsminister Ismet Yilmaz begründete die Entscheidung mit der Verantwortung für die Entführten. "Wer auch immer anderes von uns fordert, dem scheinen die 49 Geiseln egal zu sein", sagte er.

Anmerkung der Redaktion: SPIEGEL ONLINE zeigt das im Web kursierende Video der Enthauptung James Foleys nicht. Die Bilder zu zeigen würde die Würde des Opfers verletzen und wäre Propaganda für die Islamisten.

Gebiete unter Kontrolle in Syrien und im Irak (Stand: 14. August)

Gebiete unter Kontrolle in Syrien und im Irak (Stand: 14. August)

Foto: DER SPIEGEL
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