Regierungswechsel in Japan Parlament wählt Atom-Freund Abe zum Premier

Shinzo Abe: Zurück an der Macht
Foto: YOSHIKAZU TSUNO/ AFPTokio - Japan hat den siebten Regierungschef innerhalb von nur sechs Jahren: Shinzo Abe ist am Mittwoch zum Premier gewählt worden, seine Liberaldemokratische Partei (LDP) hatte bereits vor zehn Tagen einen klaren Sieg bei der Unterhauswahl eingefahren. Beide Kammern des Parlaments stimmten für den 58-Jährigen, im weniger einflussreichen Oberhaus benötigte Abe zwei Wahlgänge.
Japans langjährige Regierungspartei LDP hatte bei der vorgezogenen Unterhauswahl am 16. Dezember insgesamt 294 der 480 Sitze erobert, ihr traditioneller Koalitionspartner New Komeito weitere 31. Die zuletzt regierende Demokratische Partei (DJP) von Yoshihiko Noda, 55, erlitt eine schwere Niederlage - sie stürzte von weit über 200 auf knapp 60 Sitze ab.
Viele Wähler nahmen es der DJP offensichtlich übel, dass sie die Hoffnungen auf einen politischen Neuanfang nicht erfüllt hatte. Die DPJ hatte unter anderem versprochen, die Bürokratie abzubauen und von Japans USA-zentrierter Außenpolitik abzukehren, um die Beziehungen zu China zu verbessern.
Das Ergebnis gilt als bemerkenswertes Comeback - sowohl für Abe als auch für seine Partei. Die LDP hatte Japan seit 1955 mehr als ein halbes Jahrhundert lang regiert, auch Abe selbst war schon zuvor am Ruder gewesen, er hatte das Amt des Regierungschefs von 2006 bis 2007 inne. Damals trat er wegen gesundheitlicher Probleme zurück, die heute seinen Angaben zufolge keine Rolle mehr spielen - seinem vorläufigen Abschied waren jedoch vor allem eine Reihe von Skandalen vorausgegangen. 2009 wurde die LDP abgewählt.
Abe hatte nun im Wahlkampf versichert, das Wirtschaftswachstum in den Mittelpunkt seiner Politik zu stellen. Bereits in Kürze will er ein gewaltiges Konjunkturpaket schnüren, große Infrastrukturprojekte sollen das Wachstum ankurbeln. Zudem hat Abe eine neue, aggressive Geldpolitik angekündigt und den Kampf gegen die Deflation zur Chefsache erklärt.
Entsprechend reagierte die Börse in Tokio mit Kursgewinnen auf die Wahl, die Anleger setzen darauf, dass Abe nun Taten folgen lässt. Der Nikkei stieg am Mittwoch auf den höchsten Stand seit neun Monaten. Zur Freude der Investoren war zudem die Landeswährung Yen so billig wie seit 20 Monaten nicht mehr. Damit könnten exportorientierte Unternehmen höhere Gewinne einfahren als bislang erwartet. Der 225 Werte umfassende Nikkei-Index ging mit einem Plus von 1,5 Prozent bei 10.230 Punkten aus dem Handel. Der breiter gefasste Topix-Index legte 1,2 Prozent auf 847 Stellen zu.
Der neue Regierungschef will Japan auch militärisch und außenpolitisch stärken - jedoch an der Seite der Schutzmacht USA. Abe wolle im Januar zu seinem ersten Auslandsbesuch nach Washington reisen, meldete die Nachrichtenagentur Kyodo nach der Unterhauswahl. Japans Nachbarn China und Südkorea dürften sich dagegen darauf einstellen, dass sich die ohnehin angespannten Beziehungen zu Tokio weiter verschlechtern. Denn der LDP-Vorsitzende plädiert für eine Revision der pazifistischen Verfassung von 1946 und gibt sich im fortdauernden Inselstreit mit China als Hardliner. Abe will sich nicht mehr - wie seine Vorgänger - für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs entschuldigen, die Streitkräfte will er ausbauen. Seine stabile Mehrheit im Parlament würde es ihm erleichtern, die Verfassung des Landes tatsächlich zu ändern, die dem japanischen Militär enge Grenzen auferlegt. Zudem will Abe Beamte auf den mit China umstrittenen Inseln stationieren, was eine klare Provokation Pekings wäre.
Die Wahl zum Unterhaus war die erste seit der Atomkatastrophe von Fukushima im vergangenen Jahr. Mit Abe kehrt auch ein Befürworter der Kernenergie an die Schalthebel der Macht zurück. Der scheidende Premier Noda hatte einen schrittweisen Atomausstieg bis 2040 verkündet. Die LDP dürfte dieses Vorhaben rückgängig machen - obwohl ein großer Teil der Bevölkerung einen Atomausstieg unterstützt.