Rakete auf Riad Der Jemenkrieg erreicht das Herz von Saudi-Arabien

Seit tausend Tagen führt Saudi-Arabien Krieg im Jemen. Der Raketenangriff auf Riad belegt das Scheitern der Militäroffensive gegen die Huthi-Rebellen - für den saudischen Kronprinzen eine Blamage.
Riad

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Foto: Z1004 Peer Grimm/ dpa

Am frühen Nachmittag erschüttert ein lauter Knall die saudi-arabische Hauptstadt Riad. Zeugen sehen zwei Rauchsäulen über der Stadt. Die Ursache: Das saudi-arabische Militär hat eine Rakete aus dem Jemen abgefangen.

Der Rauch über Riad ist noch nicht verzogen, da meldet sich über Twitter der Sprecher der jemenitischen Huthi-Rebellen zu Wort: Die Miliz habe eine ballistische Rakete auf den Yamama-Palast in Riad abgefeuert, twitterte Mohammed Abdulsalam. In der offiziellen Residenz von Saudi-Arabiens König Salman findet zu diesem Zeitpunkt ein Treffen der führenden Mitglieder des Herrscherhauses statt.

König Salman im Yamama-Palast

König Salman im Yamama-Palast

Foto: HANDOUT/ REUTERS

Mit dem Raketenangriff habe ein neues Kapitel im Krieg begonnen, tönen die Huthis. Tatsächlich ist die Attacke nur das jüngste Beispiel dafür, dass sich der Jemenkonflikt nach der Tötung des Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh Anfang des Monats weiter verschärft. Am 4. Dezember erschossen die Huthis den 75-jährigen Saleh, nachdem dieser sein militärisches Zweckbündnis mit den Rebellen aufgekündigt und seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien erklärt hatte.

Die Huthis tragen den Krieg nach Saudi-Arabien

In den zwei Wochen seither sind bei Luftangriffen Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 136 Zivilisten getötet worden. Die Toten sind das Ergebnis von Fehlern der Anti-Huthi-Koalition bei der Zielauswahl: So flog Saudi-Arabien etwa am 13. Dezember sieben Luftangriffe auf ein Gefängnis in Sanaa, in dem die Huthis Anhänger des von Saudi-Arabien unterstützten Präsidenten Abd Rabbuh Mansur Hadi internierten. Die Folge: Saudi-Arabien tötete mindestens 45 Kriegsgefangene, die eigentlich auf ihrer Seite kämpften.

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Krieg im Jemen: "Niemand ist sicher"

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Gleichzeitig haben die Huthi-Rebellen in Sanaa nach dem Mord an Saleh regelrecht Jagd auf seine Anhänger gemacht. Sie töteten oder verschleppten Dutzende angebliche Sympathisanten des Ex-Präsidenten, darunter auch Journalisten und Geschäftsleute.

Seit ein paar Wochen versuchen die Huthis zudem verstärkt, den Krieg nach Saudi-Arabien zu tragen. Schon seit Beginn des Konflikts im März 2015 haben die Rebellen mehrfach Raketen auf den Nachbarn im Norden abgefeuert, zumeist zielten sie dabei jedoch auf grenznahe Gebiete. Am 4. November griffen sie erstmals die Hauptstadt Riad an. Damals ging eine Huthi-Rakete in der Nähe des Hauptstadtflughafens nieder. Saudi-Arabien behauptet, man habe sie mit einer Patriot-Flugabwehrrakete abgefangen, doch Militärexperten bestreiten das. Unstrittig ist, dass die Rakete, wie bisher alle Huthi-Angriffe auf Saudi-Arabien, ihr Ziel verfehlte.

Die Raketen treffen jedoch das Selbstbewusstsein der Saudis: Denn sie zeigen, dass zweieinhalb Jahre nach Beginn des Jemenkriegs die militärische Stärke der Huthis ungebrochen ist. Für Kronprinz Mohammed bin Salman, die treibende Kraft hinter dem Feldzug, ist das eine Blamage. Er hatte seinen Landsleuten 2015 einen schnellen Triumph versprochen. Nun muss er seinen Landsleuten erklären, dass seine Hauptstadt am helllichten Tag mit einer Rakete angegriffen wird. Welche Wirkung das für die Menschen in Saudi-Arabien hat, die seit Generationen zwar sporadisch mit islamistischem Terror, aber ohne Angst vor Angriffen aus dem Ausland leben, ist derzeit noch nicht abzusehen.

Die USA und Saudi-Arabien suchen Beweise gegen Iran

Die USA und Saudi-Arabien machen Waffenlieferungen aus Iran für die Stärke der Huthis verantwortlich. In der vergangenen Woche legte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, angeblich "unwiderlegbare Beweise" dafür vor, dass Iran die Huthis aufrüstet. Unter anderem präsentierte sie auf einer Militärbasis in den USA die Trümmer jener Rakete, die am 4. November auf den Flughafen von Riad abgefeuert worden sein soll.

Nikki Haley vor Raketenteilen

Nikki Haley vor Raketenteilen

Foto: JIM WATSON/ AFP

Zuvor hatten auch Uno-Experten die Fragmente untersucht. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Rakete tatsächlich der iranischen Qiam-Rakete ähnele. Ein Teil der Trümmer trägt zudem das Logo der Shahid Bagheri Industrial Group, die zum Firmennetzwerk der iranischen Revolutionswächter zählt und gegen die internationale Sanktionen in Kraft sind. Doch die Uno-Experten identifizierten auch ein Bauteil, das in den USA hergestellt wurde.

Möglich ist deshalb, dass die Huthis die Rakete selbst aus Beständen des jemenitischen Militärs herstellten, möglicherweise mithilfe iranischer Ausbilder. Doch eindeutige Beweise für iranische Waffenlieferungen sind Saudi-Arabien und seine Verbündeten bislang schuldig geblieben. Seit April 2015 hat Saudi-Arabien eine nahezu vollständige Blockade gegen Jemens Küste verhängt, um Nachschub für die Huthis zu verhindern. Trotzdem haben sie bislang noch nie ein Schiff mit Raketen oder Raketenteilen hochgenommen.

Die US-Regierung von Donald Trump und Saudi-Arabiens Führung um Kronprinz Mohammed bin Salman lehnen das Atomabkommen mit Iran ab. Sie wollen belegen, dass Iran die Huthis mit Mittelstreckenraketen aufrüstet, möglicherweise sogar mit solchen, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können. Denn dann hätten sie Argumente in der Hand, um den Nukleardeal mit Teheran aufzukündigen.

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