Jemen Ermordete Deutsche waren Bibelschülerinnen
Berlin - Die Bibelschule im nordrhein-westfälischen Lemgo bestätigte am Dienstag, dass die zwei im Jemen ermordeten deutschen Frauen Studentinnen an der Fachschule waren. "Mit tiefer Bestürzung haben wie die Nachricht vom Tod unserer Studierenden Anita G. und Rita S. aufgenommen", teilte die Einrichtung auf ihrer Website mit.
Die beiden hätten sich im dritten Studienjahr befunden. "Aufgrund ihres ausgeprägten sozial-diakonischen Engagements entschieden sie sich für ein Praktikum im Jemen", hieß es weiter.
Nach den bisher bekannten Informationen gehörten Rita S. und Anita G. zu einer aus insgesamt neun Ausländern bestehenden Gruppe, die am vergangenen Freitag in der Nähe der nordjemenitischen Stadt Saada verschleppt wurde. Die Leichen der beiden jungen Frauen wurden am Dienstag von Hubschraubern geborgen und zu einer Autopsie in die Hauptstadt Sanaa gebracht.
"Fröhlich und sozial engagiert"
Ein drittes Mordopfer ist mittlerweile ebenfalls identifiziert: Wie die Regierung in Seoul mitteilte, wurde die Leiche einer jungen Lehrerin aus Südkorea entdeckt.
Das Schicksal der übrigen Gruppenmitglieder ist ungeklärt. Niemand vermag derzeit zu sagen, ob sie noch leben oder nicht. Es handelt sich um ein deutsches Ehepaar und ihre drei kleinen Kinder, sowie einen Briten. Der deutsche Techniker Johannes H. und seine Ehefrau Sabine arbeiten an einem Krankenhaus in der Stadt Saada.
Die beiden deutschen Mordopfer waren Kommilitoninnen an der Bibelschule in der Nähe der Stadt Lemgo und waren laut einem Bericht der "Wolfsburger Allgemeinen Zeitung" zudem Mitglieder einer Baptisten-Kirche.
Rita S. stammte aus dem kleinen Ort Wettmershagen in der Nähe von Wolfsburg. Die 26-Jährige interessierte sich laut ihres Eintrags im Internet-Portal StudiVZ für Kunstturnen, begeisterte sich für den VfL Wolfsburg und zählte den Baseball-Streifen "Eine Klasse für sich" zu ihren Lieblingsfilmen. Freunde beschreiben die fromme junge Frau als fröhlich und sozial engagiert.
Die gesamte neunköpfige Gruppe arbeitet im Jemen für die Hilfsorganisation "Worldwide Services" (WWS) aus den Niederlanden. Der Sprecher der Organisation, Peter Lieverse, bestätigte SPIEGEL ONLINE, dass seinen Informationen zufolge die junge Koreanerin und die beiden jungen deutschen Frauen ermordet worden seien.
Alle neun Verschleppten arbeiteten für eine Hilfsorganisation
Für gewöhnlich, so Lieverse, arbeiten die WWS-Mitarbeiter an ihrem Einsatzort ohne Entgelt; sie würden sich ihren Aufenthalt im Ausland selbst finanzieren oder von Sponsoren bezahlen lassen. Die Organisation sei sehr klein und derzeit nur im Jemen aktiv, dort allerdings schon seit etlichen Jahren.
Laut Außenminister Steinmeier muss davon ausgegangen werden, dass sich die deutsche Familie H. und die britische Geisel in den Händen "skrupelloser Gewalttäter" befänden. Die jemenitische Regierung habe zugesichert, sich mit allen Mitteln für die Entführten einzusetzen. Auch die Bundesregierung werde alles "in unserer Macht stehende tun, um die noch Vermissten heil nach Hause zu bringen". Ein Spezialteam des Bundeskriminalamtes (BKA) soll die Opfer identifizieren.
Gouverneur setzt Belohnung aus
Wer hinter den Morden und der Verschleppung steckt, ist bislang noch völlig unklar. Die jemenitische Regierung hatte den Verdacht sehr früh auf die schiitischen Rebellen unter Führung von Abd al-Malik al-Huthi gelenkt, mit denen sie besonders in der Region um Saada seit Jahren zu kämpfen hat.
Experten wie der Berliner Terrorspezialist Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) halten das aber für unwahrscheinlich. Auch die Huthi-Leute erklärten, sie hätten mit dem Verbrechen nichts zu tun. Dafür, dass das auch im Jemen aktive Terrornetzwerk al-Qaida hinter der Tat steckt, fehlen bislang ebenfalls handfeste Hinweise. Auf den üblicherweise von der jemenitischen Qaida-Filiale benutzten Internetseiten war bis Dienstagnachmittag kein Bekennerschreiben zu finden.
Der Gouverneur der Provinz Saada nahe der Grenze zu Saudi-Arabien setzte nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Saba unterdessen eine Belohnung von 25.000 Dollar für Hinweise auf die Entführer und ihren Aufenthaltsort aus.