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Machtkampf auf Arabischer Halbinsel: Jeder gegen jeden im Jemen

Foto: MOHAMMED HUWAIS/ AFP

Bürgerkrieg im Jemen Arabiens Armenhaus zerfällt

Im Jemen kämpft jeder gegen jeden, der Staat zerfällt im Machtkampf der Milizen. Im Hintergrund mischen die Erzfeinde Saudi-Arabien und Iran mit. Ein Überblick über die wichtigsten Akteure.

Arabia Felix, glückliches Arabien - so nannten die Römer den Südwesten der Arabischen Halbinsel, jenes Gebiet, in dem heute der Staat Jemen existiert. 2000 Jahre später ist aus dem "glücklichen Arabien" das Armenhaus des Nahen Ostens geworden. Die Wirtschaft schrumpft seit Jahren, nach Schätzungen der Vereinten Nationen lebt jeder Zweite in Armut. Etwa zehn Millionen Menschen sind latent von Hunger bedroht.

Das Einzige, was es im Jemen im Überfluss gibt, sind Waffen. Laut dem Forschungsprojekt Small Arms Survey  hat im Schnitt jeder männliche Jemenite mindestens eine Schusswaffe. In dieser Statistik sind Säuglinge und Greise mit eingerechnet.

Diese beispiellose Verbreitung von Waffen in Kombination mit schlechter Regierungsführung trägt dazu bei, dass das Land seit Jahrzehnten von einer Krise in die nächste schlittert. Doch nie zuvor war die Lage im Jemen so bedrohlich wie jetzt.

Die wichtigsten Akteure in dem Konflikt:

Huthi-Rebellen

Die Huthi-Rebellen sind derzeit die stärkste militärische Kraft im Jemen. Sie gehören der Minderheit der Zaiditen an, einer Strömung des schiitischen Islams. Die Zaiditen stellen etwa ein Drittel der Bevölkerung. Bis 1962 lebten sie etwa tausend Jahre lang weitgehend abgeschottet in den Bergen Nordjemens unter der Herrschaft eines Imams. 2004 erhoben sich zaiditische Kämpfer unter Führung der Huthi-Familie gegen die Zentralregierung in Sanaa. Viele Zaiditen fühlen sich von der sunnitischen Mehrheit unterdrückt, zudem sehen sie ihre religiöse Identität durch westliche Einflüsse gefährdet.

Als 2011 im Zuge des Arabischen Frühlings auch im Jemen Hunderttausende Menschen gegen Langzeitherrscher Ali Abdullah Salih demonstrierten, sprangen die Huthis auf die Protestbewegung auf. Die ohnehin schwache Zentralregierung wurde durch den monatelangen Machtkampf weiter geschwächt und die Rebellen konnten weitere Provinzen unter ihre Kontrolle bringen.

Im September 2014 nahmen die Aufständischen schließlich die Hauptstadt Sanaa ein. Zug um Zug brachten sie staatliche Einrichtungen unter ihre Kontrolle, lösten das Parlament auf und zwangen Übergangspräsident Abd Rabbo Mansur Hadi zur Flucht in die Hafenstadt Aden.

Bürgerkriegsland Jemen: Arabiens Armenhaus

Bürgerkriegsland Jemen: Arabiens Armenhaus

Foto: SPIEGEL ONLINE

Iran und Saudi-Arabien

Die Huthis werden von Teilen der staatlichen Sicherheitskräfte und von Ex-Präsident Salih unterstützt, der sich für seinen Sturz rächen will und darauf hofft, sich irgendwann als Vermittler ins Spiel bringen zu können. Noch wichtiger für die Rebellen ist aber die Hilfe aus Iran. Teheran unterstützt die zaiditischen Kämpfer mit Waffen und Ausbildern, auch wenn das Regime dies offiziell bestreitet und lediglich seine Sympathien mit den Huthis verkündet.

Irans wachsender Einfluss im Jemen macht den Bürgerkrieg gleichzeitig zu einem Stellvertreterkonflikt mit Saudi-Arabien. Das Königreich sieht sich traditionell als Schutzmacht der Sunniten im Jemen und fürchtet, dass der Erzfeind Iran einen Brückenkopf auf der Arabischen Halbinsel errichten könnte.

"Die Staaten in der Region werden die notwendigen Maßnahmen treffen, um sich gegen diese Aggression zu schützen", sagte Saudi-Arabiens Außenminister Saud al-Faisal am Montag. Riyadh Yassin, Außenminister der de facto entmachteten jemenitischen Regierung, forderte die Golfstaaten zum militärischen Eingreifen auf.

al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel

Doch die Huthi-Rebellen sind nicht die einzige Miliz, die im Jemen herrschen will. Seit 15 Jahren ist das Terrornetzwerk al-Qaida in dem Land aktiv. Ihr lokaler Ableger, al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP), gilt als gefährlichster Zweig des Terrornetzwerks. Die Organisation ist unter anderem verantwortlich für den Anschlag auf die USS Cole im Oktober 2000 und für Anschlagsversuche auf Passagierflugzeuge mit dem Ziel USA. Im Januar übernahm AQAP die Verantwortung für den Anschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" in Paris.

Regelmäßig greifen al-Qaidas Selbstmordattentäter jemenitische Sicherheitskräfte an. Drohnenangriffe der US-Armee auf die Terrorgruppe haben deren Vormarsch kaum stoppen können. Ganze Landstriche im Süden des Landes stehen unter ihrer Kontrolle.

Der "Islamische Staat"

Doch al-Qaida bekommt im Jemen Konkurrenz. Die verfeindeten Dschihadisten vom "Islamischen Staat" (IS) versuchen, in dem Bürgerkriegsland Fuß zu fassen. Ende 2014 verkündete der IS die Gründung eines Ablegers im Jemen. Am vergangenen Freitag verübten die Terroristen den schwersten Anschlag in der Geschichte des Landes. Fünf Selbstmordattentäter sprengten sich in zwei Moscheen der Huthi-Rebellen in die Luft: Mehr als 120 Menschen wurden getötet, Hunderte weitere verletzt. Der IS kündigte weitere Anschläge an.

Die USA haben ihre letzten Soldaten inzwischen aus dem Jemen abgezogen. Ungeklärt ist dagegen der Verbleib von militärischer Ausrüstung im Wert von 500 Millionen US-Dollar, die das Pentagon an die jemenitische Armee geliefert hatte. Schusswaffen, Munition, Nachtsichtgeräte, Patrouillenboote, und gepanzerte Fahrzeuge sind unauffindbar, räumte das Verteidigungsministerium ein. "Wir müssen davon ausgehen, dass die Ausrüstung verloren gegangen ist", sagte ein Beamter der "Washington Post" .

Offen ist demnach nur, welchen Feinden der USA die Waffen in die Hände gefallen sind - den Huthi-Rebellen oder den Dschihadisten.


Zusammengefasst: Der Jemen zerfällt, fast jede staatliche Ordnung ist zerstört worden. Die Huthi-Milizen und die Terrorgruppen al-Qaida und IS kämpfen rücksichtslos um die Macht im Land und zeigen keine Achtung vor Zivilisten. Eine Besserung der Lage ist nicht in Sicht.

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