Immunität aufgehoben Guaidó in Gefahr - Venezuela droht die Eskalation

Juan Guaidó: Droht schon bald seine Festnahme?
Foto: Eva Marie Uzcategui / Getty ImagesDer Kampf um die Macht in Venezuela könnte auf eine entscheidende Phase zusteuern. Die "Verfassunggebende Versammlung" (ANC) in Caracas entzog am Dienstagabend (Ortszeit) dem Oppositionsführer und Vorsitzenden der Nationalversammlung, Juan Guaidó, die parlamentarische Immunität. So ist der Weg frei für eine Festnahme des Politikers.
Die ANC ist eine Art Parallelparlament, das Staatschef Nicolás Maduro geschaffen hat, um die von der Opposition dominierte Nationalversammlung zu entmachten. Die ANC wird daher von Guaidó und den Gegnern der regierenden Chavisten nicht anerkannt.
Seit Tagen schon erhöhen die Machthaber den Druck auf den selbst ernannten Staatschef. Die Aufhebung seiner Immunität lässt nun eine weitere Eskalation zwischen Opposition und Regierung befürchten. Die USA, neben Kolumbien die Schutzmacht von Guaidó, warnten Maduro mehrfach davor, gegen den selbsternannten Präsidenten vorzugehen. Ein solcher Schritt würde "schwerwiegende Konsequenzen" nach sich ziehen.
US-Präsident Donald Trump und Guaidó selbst haben wiederholt mit einer militärischen Intervention kokettiert. Beide Politiker beharren darauf, dass "alle Karten auf dem Tisch liegen", um die seit 20 Jahren amtierenden Chavisten von der Macht zu verdrängen. Eine Festnahme Guaidós könnte eine Kettenreaktion auslösen, die dann nicht mehr zu kontrollieren ist. Zumal sich auch Russland in den Konflikt um die Macht in dem südamerikanischen Land eingemischt und die USA immer wieder vor einer Gewaltlösung in Venezuela gewarnt hat.
"Am 6. April alle auf die Straßen"
Juan Guaidó, der sich am 23. Januar zum Präsidenten ausgerufen hatte, wird von rund 50 Staaten anerkannt, darunter Deutschland und den USA. Staatschef Maduro hingegen unterstützen China, Kuba und vor allem Russland.

Guaidó-Anhänger in Los Teques: Die Wut bleibt
Foto: Manaure Quintero / REUTERSGuaidó antwortete auf den Entzug seiner Immunität am Dienstagabend mit der Ankündigung weiterer Proteste. Sein Kampf an der Spitze der Opposition werde weitergehen. "Weder die Gewalt noch die Einschüchterung werden uns stoppen", sagte der 35-Jährige und rief für Samstag zu Kundgebungen gegen die Regierung auf. "Wir wissen, dass die reale Gefahr besteht, dass sie mich entführen, aber wir werden nicht von der festgelegten Route abweichen und für Venezuela arbeiten. Am 6. April alle auf die Straßen."
Überraschend ist weniger, dass die ANC dem Antrag zur Aufhebung der Immunität stattgegeben hat. Das Tempo ist es allerdings schon: Kaum 24 Stunden hat es gedauert, bis das Gremium den selbst ernannten Präsidenten zur Festnahme freigab.
Guaidós Protest hat an Schwung verloren
Erst am Montag hatte das Oberste Gericht bei der ANC die Aufhebung der Immunität unter dem Vorwurf beantragt, Guaidó habe am 23. Februar das Land trotz eines gerichtlichen Verbots in Richtung Kolumbien verlassen. Von dort wollten er und große Teile der Opposition die dringend benötigte humanitäre Hilfe ins Land bringen.
Der Versuch scheiterte, aber anschließend ging Guaidó auf eine Rundreise durch mehrere Länder Lateinamerikas und kehrte am 4. März unbehelligt und triumphal nach Venezuela zurück. Die Justiz wirft dem Politiker der Partei "Voluntad Popular" zudem die Anstiftung zur Gewalt sowie die Annahme von Geld aus dem Ausland vor.
"Um Gerechtigkeit und Frieden in unserem Land zu garantieren, wird dem Antrag des Obersten Gerichts entsprochen, damit das Ermittlungsverfahren gegen Juan Guaidó weitergehen kann", sagte Diosdado Cabello, Präsident der Verfassunggebenden Versammlung.
Es ist nicht die einzige Repressalie: In der vergangenen Woche hatte der Rechnungshof gegen Guaidó ein politisches Betätigungsverbot von 15 Jahren verhängt. Es ist ein beliebtes Mittel der Machthaber in Caracas, um die Opposition zu entnerven. Vor zwei Jahren verhängte der Rechnungshof die gleiche Strafe gegen den früheren Präsidentschaftskandidaten Henrique Capriles. Guaidó erklärte umgehend, das Verbot nicht anerkennen zu wollen.
Maduro will nicht mehr nur reagieren
Eine Woche zuvor war der Bürochef von Guaidó, Roberto Marrero, von der politischen Polizei Sebin festgenommen worden. Marrero sei in eine terroristische Zelle involviert und verantwortlich für die Organisation krimineller Gruppen, behauptete der venezolanische Innenminister.

Nicolas Maduro: Der Präsident will wieder zurück in die Offensive
Foto: HO / Venezuelan Presidency / AFPKlar ist, dass Machthaber Maduro mit den politischen Gegenschlägen wieder die Oberhand gewinnen und aus dem Reaktionsmodus rauskommen will. Seit sich Guaidó zum Übergangspräsidenten erklärte, konnten die Chavisten immer nur reagieren. Zudem sehen sie sich einer wütenden Bevölkerung gegenüber, die angesichts der anhaltenden Strom- und Wasserknappheit immer wieder auf die Straße geht.
Seit seiner Rückkehr nach Caracas vor einem Monat hat Guaidós Protest gegen die Regierung an Schwung verloren, auch weil die Venezolaner durch die Stromausfälle noch mehr als sonst mit der Bewältigung des Alltags befasst sind. Das nutzt Maduro für seine Gegenoffensive. Zudem gibt es bisher keinerlei Anzeichen dafür, dass Guaidó die Streitkräfte, insbesondere die 2000 Generäle, auf seine Seite bringen kann. Dies aber wäre notwendig, um Maduro und seine Regierung zu stürzen.
Guaidó sagte zuletzt in einem Interview mit der britischen BBC nochmals, dass er nur mit der Unterstützung der Streitkräfte sein Ziel erreichen könne: "Es werden Hilfe und Unterstützung der Armee notwendig sein, um einen demokratischen und politischen Wechsel in Venezuela herbeiführen zu können."