Junckers Luxemburger Steuerproblem Es wird brenzlig für Mr. Cool

Eine Woche lang hat er geschwiegen - jetzt äußerte sich EU-Kommissionspräsident Juncker überraschend zu den Vorwürfen um Steuerdeals in seiner Heimat. Der Druck auf den Luxemburger nimmt zu. Das merkt man ihm an.
Junckers Luxemburger Steuerproblem: Es wird brenzlig für Mr. Cool

Junckers Luxemburger Steuerproblem: Es wird brenzlig für Mr. Cool

Foto: Olivier Hoslet/ dpa

Als frisch gebackener EU-Kommissionspräsident gelobte Jean-Claude Juncker, regelmäßig vor die Presse in Brüssel zu treten, um die Politik seiner Kommission zu erklären. Der Luxemburger konnte allerdings nicht damit rechnen, so schnell einen dieser Auftritte dafür nutzen zu müssen, seine Eignung für den Job zu beweisen - nach nur einer Woche im Amt.

In dem vollbesetzten Brüsseler Pressesaal prasseln am Mittwoch die Fragen nur so auf ihn ein. Sie drehen sich um jene zentrale Frage, die schon viele politische Rücktritte auslöste: Wer wusste wann was? Die Journalisten wollen sehen, wie der luxemburgische Ex-Premier Juncker auf die Vorwürfe reagiert, dass deutsche und internationale Konzerne mit Unterstützung Luxemburgs Steuerzahlungen in Milliardenhöhe vermeiden.

Konzerne zahlen mit Hilfe komplizierter Finanzstrukturen und in enger Abstimmung mit den luxemburgischen Steuerbehörden in dem Großherzogtum teils weniger als ein Prozent Steuern auf Gewinne. Das geht aus geheimen Dokumenten hervor, die unter anderem die "Süddeutsche Zeitung" veröffentlichte. Anderen EU-Staaten entgehen demnach seit Jahren auf diesem Weg Steuern.

"Ich kann nicht für meine Zeit als Premier Luxemburgs sprechen", sagt der Christdemokrat nun. Er sei ja nun als Kommissionspräsident in einer neuen Funktion. Die rund 8000 Seiten umfassenden Enthüllungen habe er nicht durcharbeiten können. Doch dass er einige Steuerentscheidungen aus seiner Zeit als Premier bedauern könne, mag er nicht ausschließen.

Skepsis bleibt

Nun aber laufe zu diesen Fragen ja die Untersuchung der EU-Kommission gegen Luxemburg. Allerdings will Juncker nicht mit der zuständigen Wettbewerbskommissarin sprechen. "Wir müssen jeden Hauch eines Interessenkonflikts vermeiden. Das würde zu einem massiven Autoritätsverlust führen."

Seine Beteuerungen können die Skepsis im Presseraum nicht zerstreuen. Warum ihm angesichts seiner Vergangenheit jemand nun Reformeifer in Sachen Steuern abnehmen solle, fragt ein britischer Reporter. "Weil ich es sage", gibt Juncker zurück.

Ob er noch ein glaubhafter Vertreter von 500 Millionen EU-Bürgern sein könne, will ein anderer Journalist wissen. "Ich bin dazu so geeignet, wie Sie es sind", erwidert Juncker. Ob er auch nach diesen Enthüllungen als Spitzenkandidat gewählt worden wäre? Antwort: Ein barsches: "Ja."

Dabei hatte Juncker-Sprecher Margaritis Schinas vorige Woche noch erklärt, sein Chef reagiere sehr gelassen auf die Vorwürfe. "Wenn ich ein Teenager wäre, könnte ich den Begriff 'cool' benutzen", sagte Schinas. Das war die einzige offizielle Stellungnahme.

Nun sagt Juncker zu seinem bisherigen Schweigen: "Es war ohne Zweifel ein Fehler".

Bittere Folgen wären möglich

Junckers Entschlossenheit in der Vergangenheit, Luxemburg zu einem Zentrum für Steuersparer zu machen, steht kaum in Zweifel. Als Premier bremste er regelmäßig Versuche, das Gebaren der Steuerverwaltung seines Landes zu untersuchen. 2004 vereinbarte Juncker im Koalitionsvertrag mit den Sozialdemokraten, dass eine Arbeitsgruppe die umstrittene Steuerpraxis Luxemburgs untersuchen sollte. Doch sie wurde nie eingesetzt.

Premier Juncker sorgte auch mit dafür, dass ein "Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung" zur "Eindämmung schädlicher steuerlicher Maßnahmen" nicht rechtlich bindend wurde. Ahnden kann die EU-Kommission Luxemburger Steuermodelle also nur, wenn sie die Ersparnisse der Konzerne als unerlaubte Finanzhilfe des Staates wertet - also als wettbewerbsverzerrende "Beihilfe" im EU-Binnenmarkt.

Das soll in mindestens zwei Fällen, zu denen die Kommission eine "vertiefte Untersuchung" ankündigte, ziemlich sicher der Fall sein. Das würde für Juncker bittere Folgen haben: Er müsste mit dem Stigma leben, jahrelang europäisches (Beihilfe)-Recht gebrochen zu haben. "Das kann er kaum überstehen", sagt ein politischer Weggefährte.

Daher laviert Juncker. Noch am Dienstagabend beriet er mit Vertrauten über das "richtige" Maß an Offenheit. Aber der Druck auf ihn nimmt zu - auch aus seiner Heimat. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte dem SPIEGEL: "Luxemburg darf kein Ort sein, der Firmen willkommen heißt, die keine Steuern zahlen wollen. Für solche Tricksereien stehen wir nicht mehr zur Verfügung."

Juncker schlägt nun vor, zu Steuerabsprachen für Konzerne (tax rulings) einen automatischen Informationsaustausch unter den EU-Mitgliedsländern zu organisieren - schließlich gebe es derartige Modelle in 22 Mitgliedstaaten. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Dienstag in einem Brief an den französischen EU-Wirtschafskommissar Pierre Moscovici gefordert, die tax rulings in den Informationsaustausch aufzunehmen. Er würde es "sehr befürworten, wenn die Europäische Kommission die Initiative ergreifen würde", heißt es in dem Schreiben.

Am Nachmittag will sich Juncker dazu im Europaparlament erklären. Dort stützt ihn eine große Koalition aus Sozialdemokraten und Christdemokraten. Sie hat den Luxemburger ins Amt gehievt, weil sie ihren Spitzenkandidaten gegen den Willen der Staats-und Regierungschefs durchdrücken wollte. Daher hält sie weiter zu ihm - aber wie lange noch? Europas Liberale, die ihn ebenfalls wählten, erklärten nach Junckers Auftritt bereits: "Wenn EU-Gesetze gebrochen wurden, muss Juncker die Konsequenzen tragen."

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