Umstrittene Justizreform in Polen
Parlament billigt Gesetz zur Bestrafung kritischer Richter
Bald drohen Richtern in Polen Geldstrafen oder gar Entlassungen, wenn sie sich in Entscheidungen anderer Richter einmischen, oder wenn sie sich politisch betätigen. Die EU sieht Gesprächsbedarf.
Das polnische Parlament hat ein umstrittenes Gesetz zur Disziplinierung von Richtern verabschiedet. Bei der Entscheidung überstimmte die nationalkonservative Regierungspartei PiS mit ihrer Mehrheit im Sejm, der ersten Kammer des Parlaments, ein Votum des Senats. Diese zweite Kammer des Parlaments wird von der Opposition dominiert. Sie hatte den Gesetzentwurf der PiS zunächst abgelehnt.
Das Gesetz sieht vor, dass Richter mit Geldstrafen, Herabstufung oder Entlassung rechnen müssen, wenn sie die Entscheidungskompetenz oder Legalität eines anderen Richters, einer Kammer oder eines Gerichts infrage stellen. Auch dürfen sie sich nicht politisch betätigen. Kritiker sprechen von einem "Maulkorb-Erlass". Sie befürchten, das Gesetz werde die richterliche Unabhängigkeit weiter untergraben.
Die in Polen regierende PiS hat in den vergangenen Jahren das Justizwesen umgebaut. Die EU-Kommission hat wegen strittiger Reformen bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in Warschau eröffnet und Klagen beim Europäischen Gerichtshof eingereicht.
EU spricht von möglichen Gegenmaßnahmen
Noch vor der Abstimmung im Parlament hatte sich EU-Justizkommissar Didier Reynders mögliche Gegenmaßnahmen vorbehalten. Die EU-Kommission werde den endgültigen Gesetzestext analysieren und sei jederzeit bereit, zu reagieren, sagte der Belgier bei einem Treffen der EU-Justizminister in Zagreb. Für Freitag seien Gespräche mit Vertretern des polnischen Justizministeriums geplant.
Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, nannte die Gesetzesnovelle einen Tiefpunkt für die Justiz in Polen. "Das umstrittene Disziplinargesetz schränkt die Grundrechte der Richter auf freie Meinungsäußerung ein, untergräbt die Unabhängigkeit der Justiz und versucht, die Gerichte unter den Einfluss der Regierung zu bringen."
Das Gesetz soll nun Präsident Andrzej Duda vorgelegt werden, der aus den Reihen der PiS stammt. Laut seinem Staatssekretär hat Duda bereits gesagt, dass er das Gesetz unterschreiben werde, da er die darin vorgesehenen Änderungen für nötig halte.