
Umgang mit Siedlerprodukten: KaDeWe unter Boykottverdacht
Nach Vorwürfen aus Israel KaDeWe nimmt Siedlerprodukte wieder ins Sortiment
Das Berliner Kaufhaus des Westens (KaDeWe) hat einen vorläufigen Verkaufsstopp für Weine aus jüdischen Siedlungen rückgängig gemacht.
"Die acht israelischen Weine werden ab sofort wieder im Sortiment sein", teilte die Geschäftsführung via Facebook und Twitter mit. Zwar habe man auf "Empfehlung" der EU gehandelt, dennoch sei "hausintern zu rasch und unsensibel gehandelt worden". Das Unternehmen bedauere, "dass es durch dieses falsche Verhalten seitens der KaDeWe Group zu Missverständnissen gekommen ist" und bitte um Entschuldigung.
Wie SPIEGEL ONLINE berichtete, hatte das Edelkaufhaus Produkte aus israelischen Siedlungen bis auf Weiteres aus dem Sortiment genommen. Damit reagierte das KaDeWe auf eine EU-Vorgabe . Die Kommission hatte am 11. November eine Kennzeichnungspflicht beschlossen. Sie gilt für Obst, Gemüse und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Kosmetika aus Siedlungen im Westjordanland, auf den Golanhöhen sowie aus Ostjerusalem.
Die Entscheidung des KaDeWe hatte scharfe Kritik des israelischen Ministerpräsidenten nach sich gezogen. "Dieses Kaufhaus war in jüdischem Besitz, die Nazis haben es enteignet", sagte Benjamin Netanyahu am Sonntag in Jerusalem. "Es ist absurd, dass dieses Kaufhaus jetzt Produkte aus den Siedlungen in Judäa und Samaria (Westjordanland) und den Golanhöhen kennzeichnet." Die Nationalsozialisten hatten der jüdischen Inhaberfamilie Tietz das KaDeWe kurz nach der "Machtergreifung" entrissen.
"Es begann mit der Kennzeichnung von Produkten, und jetzt erfahren wir, dass die Produkte ganz aus dem Verkauf genommen wurden - ein echter Boykott", sagte Netanyahu. "Wir protestieren scharf gegen diesen moralisch, sachlich und historisch unangemessenen Schritt." Man erwarte von der deutschen Regierung, "in dieser schwerwiegenden Sache aktiv zu werden".
Als Reaktion auf die EU-Vorgaben hatte Israel seinen Dialog mit der EU ausgesetzt, Staatspräsident Reuven Rivlin sagte einen geplanten Besuch in Brüssel ab. Nach Bekanntwerden der KaDeWe-Entscheidung wurden im Internet Parallen zu Boykottaufrufen der Nationalsozialisten gegen jüdische Geschäfte gezogen, verbunden mit dem Aufruf, wiederum das Kaufhaus zu boykottieren.
Auch in Deutschland sah sich mancher an die Nazizeit erinnert, unter anderem "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann.
Der Grünen-Politiker Volker Beck, Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe, hatte das KaDeWe am Samstag über den Kurznachrichtendienst Twitter gefragt: "Sagen Sie stimmt es, dass Sie Produkte aus Israel boykottieren & warum haben Sie nicht à la EU nachetikettiert?"
Tatsächlich hatte das KaDeWe allerdings keinen Boykott angekündigt, sondern wollte die betroffenen Produkte ursprünglich nur mit veränderter Auszeichnung wieder ins Sortiment aufnehmen. EU-Vorschriften verlangen seit jeher, dass die Herkunft eines Produkts unmissverständlich angegeben werden muss - dies gilt nicht nur für Israel. Inwiefern sich die Kennzeichnung der Weine nun ändert, blieb in der Stellungnahme des KaDeWe offen.
Trotz der seit Langem bestehenden EU-Regeln hat die Kennzeichnungspflicht für Israel auch politischen Charakter: Die EU-Außenminister hatten die EU-Kommission aufgefordert, im Streit um den Siedlungsbau nach Druckmitteln zu suchen. Dabei stieß man in Brüssel offenbar auf die Vorschriften für Herkunftsangaben, deren Einhaltung die Mitgliedsländer gegenüber Israel bislang nicht eingefordert hatten.