
Kampf gegen Gaddafi Obama schickt CIA an die Libyen-Front
- • Rede zum Libyen-Einsatz: Obamas Schlappe an der Heimatfront
- • Hilfe für Libyens Rebellen: Gefährliche Aufrüstung der Amateur-Krieger
Washington - Der US-Geheimdienst CIA unterstützt laut mehreren Berichten bereits seit Wochen mit verdeckten Aktionen die Gegner des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi. Das berichten die "New York Times" ("NYT") und die Nachrichtenagenturen Reuters und AP unter Berufung auf amerikanische Regierungsbeamte. Demnach sollen die Agenten mögliche Ziele für Luftschläge auskundschaften und versuchen, Kontakte zu den Aufständischen zu knüpfen.
US-Präsident Barack Obama habe die nötigen Dokumente bereits vor zwei bis drei Wochen unterzeichnet, berichtet Reuters. Entgegen Obamas Aussage, es werde keine US-Bodentruppen in Libyen geben, "arbeiten kleine Gruppen von CIA-Agenten seit mehreren Wochen in Libyen", schreibt die "NYT". Sie seien Teil einer "Schattenmacht" westlicher Akteure, von denen die Obama-Regierung hoffe, dass sie Gaddafis Militär schaden könne.
"Es ist gängige Praxis für diese und alle anderen US-Regierungen, sich zu Geheimdienstangelegenheiten nicht zu äußern", sagte Präsidentensprecher Jay Carney lapidar. Es gebe nach wie vor keine Entscheidung darüber, die Regimegegner oder irgendeine andere Gruppe in Libyen mit Waffen zu versorgen. "Weder schließen wir es aus, noch schließen wir es ein. Wir erörtern und prüfen Optionen für alle Arten von Unterstützung, die wir dem libyschen Volk geben können." Die US-Regierung habe sich dabei direkt mit der Opposition sowie den internationalen Partnern der USA beraten.
Bei den CIA-Mitarbeitern handele es sich um eine unbekannte Zahl amerikanischer Geheimdienstoffiziere, die entweder bereits in Tripolis arbeiteten oder neu hinzukamen, berichtet die "NYT". Nach Angaben von Regierungsbeamten in London arbeiteten außerdem "Dutzende" Agenten des britischen Geheimdienstes MI6 und Mitglieder von Spezialkommandos in Libyen. Diese versorgten demnach die britischen Streitkräfte mit Informationen über Ziele für Luftschläge, Stellungen und Bewegungen von Gaddafis Militär.
Die Intervention in Libyen ist vor allem in den USA umstritten. Kritiker hatten dem Präsidenten Führungsschwäche und fehlende Klarheit über die Ziele der Mission vorgeworfen. Fast die Hälfte der US-Bevölkerung lehnt einer neuen Umfrage zufolge den Einsatz des US-Militärs dort ab. Aus der am Mittwoch veröffentlichten Erhebung der Universität Quinnipiac geht hervor, dass 47 Prozent gegen die Beteiligung ihres Landes an dem internationalen Einsatz sind, 41 Prozent sprechen sich dafür aus. Unter den befragten Wählern waren 74 Prozent besorgt, dass die USA in einen langfristigen Konflikt in Nordafrika verwickelt werden. Allerdings zeigten sich auch 62 Prozent zuversichtlich, dass die Mission zum Schutz libyscher Zivilisten erfolgreich verlaufen werde.
Nato streitet über Waffenlieferungen
Ungeklärt bleibt, ob die Alliierten dem Gesuch des Übergangsrates der libyschen Regimegegner nachkommen und die Rebellen mit Waffenlieferungen unterstützen . Obama hatte mögliche Lieferungen am Dienstagabend in einem Fernsehinterview nicht ausgeschlossen. Die französische Regierung sprach sich auf der Londoner Libyen-Konferenz für Verhandlungen über eine Militärhilfe für die Gegner Gaddafis aus.
Scheitern könnten die Lieferungen an den Statuten des Einsatzes: Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte am Mittwoch, Waffenlieferungen an die Rebellen seien durch das Uno-Mandat nicht gedeckt. Er stimme in dieser Frage mit Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen überein. Dieser hatte gesagt, der Einsatz unter der Führung der Militärallianz solle "die Bevölkerung schützen und nicht bewaffnen".
Auch die Nato-Mitglieder Belgien, Dänemark und Norwegen lehnten Waffenlieferungen ab. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts verwies in Berlin darauf, dass die Resolutionen des Uno-Sicherheitsrats auch ein "umfassendes Waffenembargo" enthalten. "Insofern stellt sich diese Frage für die Bundesregierung derzeit nicht."
Die Resolution 1970 schließt "die direkte und indirekte Lieferung, den Verkauf und die Übergabe von Waffen oder damit verbundener Materialien jeder Art" aus. Der Beschluss 1973 erlaubt "alle notwendigen Maßnahmen" zum Schutz von Zivilisten in Libyen. Unter Verweis auf die zweite Resolution sagte der britische Premierminister David Cameron in London, seine Regierung könne sich Waffenlieferungen "an diejenigen, die die Zivilisten schützen", vorstellen.
Einsatzkommando geht auf die Militärallianz über
Die Nato hat am Mittwoch mit der Übernahme des Kommandos über die internationalen Luftangriffe auf Libyen begonnen. Die Übergabe des Einsatzkommandos von der sogenannten Koalition der Willigen gehe schrittweise von den USA auf die Militärallianz über, sagte ein Nato-Vertreter.
Zunächst stellten Großbritannien, Kanada, Belgien, Dänemark, Spanien und die Niederlande ihre an dem Einsatz beteiligten Kräfte unter das Kommando der Nato. Die anderen Länder sollten bis Donnerstag folgen. Die Nato will auf Grundlage der Uno-Resolutionen eine Seeblockade vor der libyschen Küste sowie eine Flugverbotszone über dem nordafrikanischen Land durchsetzen und Luftangriffe zum Schutz der Zivilbevölkerung fliegen.
Die Rebellen in Libyen gerieten weiter unter Druck. Sie mussten den Ölhafen Ras Lanuf und nach Angaben der Aufständischen auch das 60 Kilometer entfernte Brega den Regierungstruppen überlassen. Beide Städte waren erst vergangene Woche von den Aufständischen erobert worden.
Die Truppen der Aufständischen sind den Regimeverbänden an Bewaffnung und militärischer Organisation unterlegen - daher auch die Forderungen nach Waffenlieferungen. Ihre jüngsten Vorstöße weit nach Westen am vergangenen Wochenende waren von Luftangriffen der westlichen Militärallianz auf die Gaddafi-Truppen ermöglicht worden.
Dennoch musste Gaddafi auch einen schweren Rückschlag hinnehmen: Der libysche Außenminister Mussa Kussa hat sich am Mittwochabend nach London abgesetzt und die britische Regierung über seinen Rücktritt informiert. Er sei "aus freien Stücken" nach Großbritannien gereist, teilte das Londoner Außenministerium mit. Kussa galt bislang als wichtiger Vertrauter des libyschen Machthabers.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Libysche Rebellen mussten sich nahe Brega zurückziehen - die Angriffe der Gaddafi-treuen Truppen sind zu stark geworden.
Die Aufständischen geraten immer stärker unter Druck. Die Regierungstruppen stießen am Mittwoch weiter in Richtung Osten vor und drängten die Rebellen auf Linien östlich der wichtigen Ölstadt Ras Lanuf zurück. Hier ein Bild von Kämpfen am Dienstag nahe Tadschura.
Luftangriffe der westlichen Truppen wurden aus der Stadt Mizda gemeldet. Dort soll ein Waffenlager der Gaddafi-Truppen getroffen worden sein. Libysche Männer zeigen Reste einer "Katjuscha"-Rakete in Mizda.
Zwar zeigen die Rebellen gerne mit ihren Waffen und werfen sich in martialische Posen, aber tatsächlich sind sie den Gaddafi-Truppen mit ihrer Ausrüstung unterlegen.
Waffen und Munition haben sie erbeutet, sie haben Rüstungsdepots gestürmt. Doch tatsächlich bräuchten die Rebellen noch viel mehr. Sie freuen sich daher über einen Vorstoß der USA und Frankreichs, die Aufständischen mit Waffen zu beliefern.
Was genau brauchen die Rebellen? "Eigentlich benötigen wir alles", sagt ein Kämpfer, "jeder unserer Männer braucht eine vernünftige Waffe, dazu einige Panzer, eine funktionierende Artillerie, neue Panzerabwehrraketen, Ferngläser und natürlich Funkgeräte."
Wie schlecht die Aufständischen ausgebildet und ausgerüstet sind, zeigt sich auch beim Rückzug (hier ein Bild von einer Straße nahe Ben Dschawad). Ohne Funkgeräte konnten sie nicht richtig kommunizieren, der Rückzug mündete in einem großen Chaos.
"Wir agieren ohne jede Kontrolle, jeder macht hier, was er will", sagte ein sichtlich enttäuschter Rebell, der früher Soldat unter Gaddafi war, nach der verlorenen Schlacht.
An den Checkpoints mussten die Rebellen aus der Kampfzone fliehende Einwohner über Positionen der Panzer ausfragen. Immer wieder rasten sie von der Hauptstraße zu den Krankenhäusern, um von Verletzten Informationen über die Frontlinie zu bekommen.
Während einige westliche Staaten daher über Waffenlieferungen nachdenken, rätseln sie zugleich, wofür die Aufständischen politisch überhaupt stehen. Will der Übergangsrat in Bengasi wirklich Demokratie und Menschenrechte oder nur eine Neuverteilung der Öl-Einnahmen und die Einführung der Scharia?
Eines ist sicher: Die Kämpfe werden wohl noch etwas andauern - und ebenso die Luftangriffe.
Rebellen-Autos nahe Brega: Die Aufständischen werden offenbar vom amerikanischen Geheimdienst CIA unterstützt.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden