Treffen der Anti-IS-Allianz Obama bleibt in der Luft

Der mühselige Kampf gegen den IS-Terror befeuert die Debatte um die Führungsqualitäten des US-Präsidenten. Doch vor Militärvertretern der Verbündeten machte Obama erneut klar: weitere Luftschläge ja, US-Bodentruppen nein.
Treffen der Anti-IS-Allianz: Obama bleibt in der Luft

Treffen der Anti-IS-Allianz: Obama bleibt in der Luft

Foto: AP/dpa

Washington - Barack Obama führt in diesen Tagen zwei Kämpfe, deren gleichzeitiger Erfolg sich mittlerweile gegenseitig auszuschließen scheint. Da ist zum einen der Krieg gegen die Terrormilizen des "Islamischen Staats" (IS) im Irak und in Syrien; und zum anderen der Kampf des US-Präsidenten gegen die Verwicklung Amerikas in einen neuerlichen Krieg am Boden.

Obama hat versprochen, keine Bodentruppen zu schicken. Wie lange kann er das durchhalten?

Kaum jemand in Washington glaubt noch daran, dass der IS allein mit Luftschlägen "zu schwächen und zu zerstören" ist, wie es Obama vor vier Wochen verkündet hatte. Auch der Präsident und seine Leute glauben das nicht mehr: Niemand habe "die Illusion, das Luftschläge allein den IS zerstören könnten", sagte Verteidigungsminister Chuck Hagel. Und doch hält Obama an seiner Strategie fest, bleibt trotz anhaltender IS-Umklammerung der Kurden-Stadt Kobane in der Luft: US-Bodentruppen weiterhin ausgeschlossen.

Zu Wochenbeginn lud Generalstabschef Martin Dempsey Militärvertreter aus 21 Staaten der Anti-Terror-Allianz auf einen Luftwaffenstützpunkt nahe Washington - die Bundesregierung schickte den stellvertretenden Bundeswehr-Generalinspekteur Peter Schelzig - und Obama sagte von dort aus den Kurden weitere Luftunterstützung über Kobane zu. Auch die zuletzt massiv in Bedrängnis geratene westirakische Provinz Anbar sei ein weiterer Schwerpunkt der US-geführten Einsätze. Mehr aber auch nicht. "Es wird Phasen von Fortschritt und Phasen von Rückschlägen geben", sagte Obama. Der Kampf gegen die Terrormilizen sei eine nicht allein militärische und "langfristige Kampagne".

"Die gewinnen, nicht wir"

Doch in den USA wächst die Ungeduld: Warum erlauben wir den Dschihadisten noch immer Gebietsgewinne? Und werden wir sie überhaupt schlagen können? "An diesem Punkt kann der Krieg gegen den IS nur als Scheitern betrachtet werden", kommentiert die "Washington Post". Der Republikaner-Senator und Dauer-Falke John McCain stellte fest: "Die gewinnen, nicht wir."

McCains Rat: Obama müsse Truppen schicken. Präsidenten-Sprecher Josh Earnest gestand am Dienstag auf wiederholte Journalistenfragen nach Kobane zu, dass die Wirkung der US-Einsätze begrenzt sei, "weil da keine Kräfte am Boden sind, die nachstoßen könnten". Earnest sprach allerdings nicht von US-Soldaten: "Es ist nicht in unserem Interesse, amerikanische Bodentruppen zu schicken." Das Adjektiv "amerikanisch" betonte er.

Eine kurdische Frau jubelt über einen US-Luftangriff nahe Kobane

Eine kurdische Frau jubelt über einen US-Luftangriff nahe Kobane

Foto: ARIS MESSINIS / AFP

Dahinter steckt in Washington nicht nur die Erwartung, dass sich die in den kommenden Monaten erst noch auszubildenden moderaten syrischen Kräfte als Bodentruppen bewähren mögen; sondern vor allem auch ein Wink an die Türkei: Der Nato-Partner könnte IS-Stellungen im wenige hundert Meter entfernten Kobane mit seiner Artillerie beschießen. Die Türken könnten kurdische Kämpfer und Waffenlieferungen in die umkämpfte Stadt durchlassen. Ja, sie könnten sogar Bodentruppen schicken.

All das tun sie bisher nicht -obwohl sie Teil der Anti-Terror-Allianz sein wollen und ebenfalls einen Vertreter zur Runde von Generalstabschef Dempsey entsendet haben. Als die Amerikaner am Wochenende durchsickern ließen, die Türkei stelle ihre Luftwaffenbasis Incirlik für US-Angriffe auf den IS zur Verfügung, wurde dies bald von Ankara zurückgewiesen. In Washington wird all das mit einer gewissen Verwunderung registriert. Andererseits: Kann man einen Nato-Partner zum Handeln auffordern, wenn man selbst nicht entsprechend handeln will?

Somit zeigt der Fall Kobane exemplarisch die Schwierigkeiten von Obamas einst gewünschter außenpolitischer Wende: Nicht mehr Weltpolizist sein, auch mal die anderen machen lassen. Was aber, wenn sich kein anderer bereit erklärt? Obamas klug gedachte Politik des graduellen Rückzugs (Restraint) ist von der Realität und der Unwilligkeit der Verbündeten in die Zange genommen worden. Der Krieg in Syrien sei "ein Wendepunkt in Obamas Präsidentschaft", schreibt der SPIEGEL.

Kobane könnte sich zum Symbol amerikanischer Schwäche entwickeln. Da können sie in der US-Regierung immer wieder darauf verweisen, dass die strategische Bedeutung dieser Stadt im Kampf gegen den IS nicht entscheidend sein mag. Es wird nicht helfen. Kobane befeuert die Rufe nach US-Bodentruppen, nach US-Führung, in Amerika wie auch im Ausland. Auf den ersten Blick mag das ja auch logisch klingen, denn natürlich könnten Amerikas Soldaten das Blatt militärisch wohl rasch wenden. Aber was würde danach kommen? Die USA haben den Irak in zehn Jahren nicht unter Kontrolle gebracht.

Obamas Problem: Die Amerikaner mögen ein kriegsmüdes Volk sein, aber sie wollen keinen schwachen Präsidenten. Längst führt das Land eine Diskussion über Obamas Qualitäten als Anführer. Es geht um Leadership, die zentrale Währung einer jeden Präsidentschaft. In drei Wochen stehen Kongresswahlen an, es sieht nicht gut aus für die Demokraten des Commander-in-Chief. Und plötzlich ist auch wieder die Rede von Mitt Romney, dem gescheiterten Präsidentschaftskandidaten von 2012. Der hat gerade zu Protokoll gegeben, dass Obamas "Fehler" den Aufstieg des IS ermöglichten: Wäre er Präsident geworden, so Romney, dann hätte er, anders als Obama, die Truppen aus dem Irak nicht komplett abgezogen und außerdem die syrische Opposition frühzeitig mit Waffen versorgt.

Zumindest letzteres gilt auch bei vielen Demokraten mittlerweile als Versäumnis. Vielleicht macht Obamas damalige Zurückhaltung die Zurückhaltung heute auf Dauer unmöglich. Vielleicht.

Überblick: Topografie von Kobane

Überblick: Topografie von Kobane

Foto: DER SPIEGEL
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren